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Parodontitis muss ständig behandelt werden

Was bei Zahnfleischbluten hilft, welche Zahnpasta sinnvoll ist und was die Kasse bezahlt, erklären zwei Zahnärzte aus Sachsen am Lesertelefon.

Von Stephanie Wesely
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Putzen allein reicht nicht. Alle Beläge, auch aus den Zahnzwischenräumen müssen weg.
Putzen allein reicht nicht. Alle Beläge, auch aus den Zahnzwischenräumen müssen weg. © © proDente e.V./Kierzkowski

Zweimal täglich putzen, Spülungen, Spezialzahnpasten und Zahnseide nutzen – wer an Parodontitis leidet, versucht vieles, um die Krankheit loszuwerden, wie die Anrufe beim Telefonforum zeigten. Dr. Florestin Lüttge, Zahnärztin aus Leipzig, und Dr. Thomas Breyer, Zahnarzt aus Meißen und Präsident der Landeszahnärztekammer Sachsen, wie das Zahnfleisch gesünder werden kann.

Es gibt im Drogeriemarkt eine Vielzahl von Zahnpasten und Spüllösungen, die das Zahnfleisch stärken sollen. Ist da etwas dran, oder kann ich mir das Geld sparen?

Um Zahnbeläge gründlich zu entfernen, braucht es nicht unbedingt eine Vielzahl von Spezialprodukten. Sie sollten eine fluoridhaltige Zahncreme verwenden. Zur Reinigung der Zahnzwischenräume sind spezielle Interdentalbürsten oder Zahnseide aber ein Muss. Mit einer elektrischen Zahnbürste fällt es vielen leichter, auch schwieriger zu erreichende Bereiche der Zähne gut zu reinigen. Alles Weitere ist nur eine Zugabe, um das Mundgefühl zu verbessern und die Putzwirkung etwas zu erhöhen. Diese Produkte auf die Beläge zu geben, bringt gar nichts.

Mein Zahnarzt sagte bei der letzten Untersuchung, dass ich Parodontitis habe. Das kann ich mir nicht vorstellen, denn ich habe keine Schmerzen. Kann ich mir eine Zweitmeinung einholen?

Das Heimtückische an der Parodontitis ist, dass sie anfangs keine Schmerzen bereitet. Behandelt werden muss trotzdem, damit Ihre Zähne erhalten werden können. Meist wird die Krankheit erstmals bei der Erhebung des Parodontalen Screening-Index – einer Tiefenmessung der Zahnfleischtaschen mithilfe einer Sonde – entdeckt. Seit Juli letzten Jahres gibt es ein neues vierstufiges Behandlungsprogramm, bei dem viele Therapieschritte von der Kasse bezuschusst werden. Wenn Sie Ihrem Zahnarzt aber dennoch nicht glauben, können Sie sich eine Zweitmeinung einholen, Sie haben das Recht auf freie Arztwahl.

Gibt es Warnzeichen, mit denen sich eine Parodontitis bemerkbar macht?

Die gibt es. Sie sollten möglichst zeitnah eine Behandlung beginnen, wenn Sie unter einer Rötung und Schwellung des Zahnfleischs leiden, Zahnfleischbluten haben, das Zahnfleisch zurückgeht oder Mundgeruch auftritt. Auch empfindliche Zahnhälse können solche Warnzeichen sein. Sind die Zähne gelockert, ist die Erkrankung schon weit fortgeschritten.

Ich mache wirklich alles, was es für eine gute Zahnpflege gibt. Trotzdem habe ich Zahnfleischbluten und eine chronische Entzündung. Was kann ich tun?

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist eine Parodontitis meist auf bakterielle Zahnbeläge zurückzuführen. Die Bakterien lösen dann die Entzündung aus. Die Neigung dazu ist unterschiedlich und auch vom Immunsystem abhängig. Ist es nicht stark genug, haben Bakterien ein leichteres Spiel. Manche Allgemeinerkrankungen begünstigen das Risiko für eine Parodontitis. Zweimal täglich die Zähne zu putzen und täglich mit Zahnseide oder Interdentalbürsten die Zahnzwischenräume zu reinigen – mehr kann man selbst fast nicht für eine gute Pflege tun. Fraglich ist nur, ob Sie alle Beläge erwischt haben. Das können Sie zum Beispiel mit Zahnfärbetabletten überprüfen. Dann sehen Sie, wo Sie künftig besser putzen müssen. Auch die regelmäßige Professionelle Zahnreinigung (PZR) beim Zahnarzt kann Beläge bekämpfen. Wenn man das Putzen übertreibt und Mikroverletzungen entstehen, können auch diese eine Eintrittspforte für Bakterien sein. Ich empfehle Ihnen, im Rahmen Ihrer nächsten PZR Ihre Zahnputzutensilien mitzunehmen und sich genau zeigen zu lassen, wie Sie diese verwenden müssen.

Ich hatte an einem Backenzahn Zahnfleischbluten, daraufhin verordnete mir mein Zahnarzt eine Parodontitisbehandlung. Die war im Oktober letzten Jahres. Jetzt habe ich wieder Zahnfleischbluten und Schmerzen am gleichen Zahn. Was kann ich noch tun?

Ohne Röntgenbild ist eine Aussage natürlich schwierig. Es kann sein, dass der Zahn nur noch wenig im Knochen steckt und deshalb der Zahnhals Schmerzen bereitet. Es können auch über die Zahnfleischtaschen Bakterien eingedrungen sein und zur Entzündung des Zahnhalteapparates geführt haben. Auf jeden Fall sollten Sie dringend eine zahnmedizinische Sprechstunde aufsuchen, um die Ursache herauszufinden.

Ich kämpfe schon seit Jahren mit meiner Parodontitis im Backenzahnbereich. Wenn ich mir den Zahn ziehen lasse, verschwindet doch auch die Zahnfleischtasche. Wäre ich das Problem dann los?

Wahrscheinlich nicht. Die eine Zahnfleischtasche ist dann zwar verschlossen, doch die Bakterien leben weiter und finden bestimmt schnell ein anderes Schlupfloch. Parodontitis ist eine chronische Erkrankung, die man ständig behandeln muss, um sie einzudämmen und am Fortschreiten zu hindern. Selbst an Implantaten kann die Entzündung auftreten. Der teure Zahnersatz wäre damit auch gefährdet. Also haben Sie Geduld, und bleiben Sie dran.

Welche Therapieschritte der neuen vierstufigen Behandlung sind Kassenleistung, welche muss ich selbst bezahlen?

Die umfassende Aufklärung über eine effektive Mundhygiene als erster Therapieschritt ist eine Kassenleistung. Eine PZR kann sehr sinnvoll sein, ist jedoch keine Kassenleistung. Viele Kassen bezuschussen die PZR aber. Danach folgt die antiinfektiöse Therapie, bei der die Zahnfleischtaschen gereinigt werden. Mitunter wird ein antibakterielles/antibiotisches Gel eingebracht. Das Gel ist selbst zu zahlen. Schlägt diese antiinfektiöse Therapie nicht ausreichend an, müssen die Zahnfleischtaschen chirurgisch, in einem offenen Verfahren gereinigt werden, ist das eine Kassenleistung. Die Kasse zahlt dann auch die bis zu zwei Jahre dauernde Nachsorge der Patienten nach der antientzündlichen Therapie, bei der auch alle Beläge entfernt werden. Manchmal kann trotzdem noch eine PZR notwendig sein. Wichtig für die Kostenübernahme ist aber die Termintreue der Patienten. Wer vorgeschriebene Behandlungszyklen nicht einhält, hat auch keinen Anspruch auf Kostenübernahme.

Ich habe einen Terminplan für eine Parodontitis-Behandlung. Dieser sieht vor, als erstes zwei Zähne zu ziehen. Grundlage ist eine Röntgenaufnahme, laut der ein Aufbau nicht mehr möglich ist, weil eine Entzündung der Wurzelspitze so weit fortgeschritten ist. Ist es das wirklich wert, dass vorab zwei Zähne gezogen werden müssen, um anschließend eine Zahnfleischbehandlung durchzuführen?

Natürlich haben wir das Röntgenbild nicht gesehen. Aber die von Ihnen dargelegten Befunde sprechen eindeutig für eine Entfernung der Zähne. Ansonsten besteht die Gefahr einer chronischen (schlecht fürs Herz) oder akuten Entzündung (sehr schmerzhaft). Sie können aber unabhängig von einer Überweisung jederzeit selbst eine Zweitmeinung einholen.

Nach meiner Parodontitisbehandlung habe ich noch Schmerzen. Muss die Behandlung wiederholt werden? Zahlt die Kasse dann auch noch?

Die Schmerzen können auch andere Ursachen als Ihre Parodontitis haben. Das wird Ihr Zahnarzt vorher abklären, ehe er eine neuerliche Behandlung vornimmt. Da Parodontitis eine chronische Erkrankung ist, werden auch Folgebehandlungen im Rahmen der ungefähr zwei Jahre dauernden unterstützenden Parodontitistherapie von der Kasse übernommen.

Mein Zahnarzt hat mir vor der Behandlung Antibiotika verordnet. Muss das sein?

Besonders bei jüngeren Patienten mit einer schweren und rasch fortschreitenden Krankheitsausprägung der Parodontitis kann die unterstützende Gabe eines Antibiotikums sinnvoll sein. Sie sollte in unmittelbarem Zusammenhang mit der mechanischen Entfernung der bakteriellen Beläge auf den Zahnoberflächen und in den Zahnfleischtaschen erfolgen. Außerdem ist eine vorherige Antibiotikagabe Bei bestimmten Vorerkrankungen notwendig, zum Beispiel bei Patienten mit einer künstlichen Herzklappe. Ziel ist es, einer Herzmuskel- oder Herzinnenhautentzündung aufgrund der Behandlung vorzubeugen. Haben Sie keine Vorerkrankungen, ist eine Antibiotikatherapie nicht unbedingt nötig.