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Frisches vom bunten Acker

Die neue Sommerserie der SZ. Wir stellen die schönsten Hofläden in Sachsen vor. Heute: Der Enderhof in Tetta.

Von Irmela Hennig
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Fenja und Marcus Ender, hier mit ihren Kindern Pepe und Wilma, sind Landwirte – in Tetta bei Görlitz haben sie einen Hofladen und bieten eine Abo-Hofkiste an.
Fenja und Marcus Ender, hier mit ihren Kindern Pepe und Wilma, sind Landwirte – in Tetta bei Görlitz haben sie einen Hofladen und bieten eine Abo-Hofkiste an. © www.loesel-photographie.de

Knoblauchernte auf dem Enderhof. Etwa ein halbes Dutzend junge Männer holen die letzten Knollen aus der trockenen Erde – das, was die Maschine nicht geschafft hat. Staub klebt ihnen im Gesicht, färbt die T-Shirts rötlich-braun. Mit dem Spaten Meter für Meter umstechen, den Buckel krumm machen, die Finger in den Boden bohren. Hier, ganz im Osten Sachsens, ist Landwirtschaft teilweise noch echte Handarbeit. Oder eigentlich muss man sagen: Sie ist es wieder. Denn im Dorf Tetta bei Görlitz wirtschaften Fenja und Marcus Ender erst seit 2019 – auf kleiner Fläche, vielfältig und ökologisch. Große Technik mache da keinen Sinn. Und sie würde der Philosophie der Enders vom kleinbäuerlichen Arbeiten widersprechen.

Marcus Ender, 32 Jahre alt, steht in der Sonne, die in diesem nassen Sommer nun wenigstens ein paar Tage lang für trockenes Wetter sorgen soll. Deswegen müssen sie gerade ernten, was geht. Bevor der nächste Regen kommt und der Matsch. Noch aber sind die Wolken nur weiße Wattetupfer am blauen Himmel.

„Ein Renner in der Knoblauchszene“

„Ljubascha“ heißt die Knobi-Sorte, die sie heute aus dem Acker holen. „Aus der Ukraine, ein Renner in der Knoblauchszene“, erzählt Marcus Ender. Sie vermehren ihn selbst. Nun landet Knolle für Knolle in grünen Kisten. Später gibt es die im eigenen Hofladen, auf Wochenmärkten oder bei der Marktschwärmerei in Görlitz – eine Verkaufsform, bei der Kunden vorab online bestellen und bezahlen und ihre Ware dann abholen. Vor allem aber gehen Knoblauch, Tomaten, Gurken, Mangold und mehr an 60 Abonnenten der „Hofkiste“, die wöchentlich verbindlich mit Obst, Gemüse und anderen Produkten vom Enderhof versorgt werden.

Der Betrieb ist ein bunter Flecken im monotonen Mais-Grün, das rings um das Land der Enders wächst. „Wir sind da manchem ein Dorn im Auge“, weiß Marcus Ender. Denn seine Fläche zerschneidet, was sonst im industriellen Maßstab bewirtschaftet wird. Gemüse und Salate gedeihen auf Enders Acker in Reihen nebeneinander. Dazwischen haben sie Obstbäume gesetzt – Pflaumen, Äpfel und Kirschen. Denn den Bereich „Früchte“ wollen sie ausbauen.

Zum Enderhof in Tetta gehört auch ein Hofladen, der zweimal in der Woche, dienstags und donnerstags geöffnet ist. Ein großes Schild samt Fahrrad machen an der Dorfstraße darauf aufmerksam. Dort gibt es unter anderem die zwölf Tomaten-, sechs Gurken- und sechs Rote-Beete-Sorten.
Zum Enderhof in Tetta gehört auch ein Hofladen, der zweimal in der Woche, dienstags und donnerstags geöffnet ist. Ein großes Schild samt Fahrrad machen an der Dorfstraße darauf aufmerksam. Dort gibt es unter anderem die zwölf Tomaten-, sechs Gurken- und sechs Rote-Beete-Sorten. © Jürgen Loesel
Im Juli wurde der Knoblauch geerntet – teilweise von Hand. Die Enders vermehren ihn selbst. Einige der Knollen, die von der Ender-Großmutter geschält wird, kommen in die Hofkiste. Andere werden im Laden, auf Wochenmärkten oder bei der Marktschwärmerei in Görlitz angeboten.
Im Juli wurde der Knoblauch geerntet – teilweise von Hand. Die Enders vermehren ihn selbst. Einige der Knollen, die von der Ender-Großmutter geschält wird, kommen in die Hofkiste. Andere werden im Laden, auf Wochenmärkten oder bei der Marktschwärmerei in Görlitz angeboten. © Jürgen Loesel
Die Enders haben etwa 20 Bienenvölker und können damit auch Honig aus eigener Ernte anbieten. Da es rings um Tetta üppig blüht und Marcus Ender auch eine Streuobstwiese gepachtet hat, gibt es für die Insekten reichlich Nahrung.
Die Enders haben etwa 20 Bienenvölker und können damit auch Honig aus eigener Ernte anbieten. Da es rings um Tetta üppig blüht und Marcus Ender auch eine Streuobstwiese gepachtet hat, gibt es für die Insekten reichlich Nahrung. © Jürgen Loesel

Eine kleine Idylle haben sie hier: Schmetterlinge, Hummeln, Bienen suchen nach Nektar. Schädlinge werden weitgehend toleriert. „Sogar der Kartoffelkäfer, wenn er nicht an die Knolle geht“, sagt Marcus Ender. Überall wachsen Hundskamille und Vogelwicke. Offiziell Unkräuter, die hier aber nicht weggegiftet, sondern wenn, dann mit Hand herausgejätet werden. Falls dazu Zeit ist. Die ist in den Sommerwochen äußerst knapp. Mittags treffen sich trotzdem alle unter den großen schattenspendenden Bäumen auf dem Hof zum Essen. Die Großeltern und Eltern von Marcus Ender, er selbst mit Frau und den beiden Kindern. Die Schwester, die gerade mit der Familie aus dem Norden Deutschlands in die Oberlausitzer Heimat zurückgezogen ist. Und Mitarbeiter – Minijobber, Subunternehmer, Praktikanten. An diesem Mittwoch hat Vater Frank gekocht.

Marcus Ender wollte nie in alte Fußstapfen treten

In achter Generation leben sie hier. Sechs waren Bauern; die DDR mit ihrer Zwangskollektivierung der Landwirtschaft habe die Kette unterbrochen. Und eigentlich hatte Marcus Ender nie vor, in alte Fußstapfen zu treten. Lehrer wollte er werden. „Ich habe aber gemerkt, das ist nichts für mich“, erzählt Ender. Er nahm ein Jahr Auszeit, war in Kanada, arbeitete dort auf Ökofarmen, hat das kleinbäuerliche Wirtschaften kennengelernt. „Mir war schnell klar, das will ich.“ Er studierte ökologische Landwirtschaft im Raum Kassel, lernte dabei seine heutige Frau kennen, die dasselbe Fach gewählt hatte.

Schließlich entschieden die beiden, es in Marcus’ Heimat mit einem eigenen Hof zu versuchen. Sie konnten das Land des Großvaters übernehmen und stellen die Flächen seit 2019 auf Bio um. Die ganze Familie sei eingebunden. Die Großmutter klebe Etiketten und putze den Knoblauch, der Großvater halte den Hof sauber, Schwester Steffi gehe auf Wochenmärkte. Vater Frank fahre Gemüse aus und kümmere sich um die Jungpflanzenanzucht. Die Mutter betreibt den Hofladen. Früchte von Streuobstwiesen verarbeiten die Enders zu Säften. Honig kommt aus der eigenen Imkerei, Eier und Fleisch vom Geflügel, dass unter freiem Himmel in der Lausitzer Erde scharrt.

Noch können sie von dem, was der Hof hergibt nicht leben. Marcus Ender verdient Geld mit Obstbaumpflege. Er hofft aber, dass sich der Betrieb in ein paar Jahren komplett trägt.

Alles hausgemacht

  • Der Laden auf dem Enderhof ist dienstags und donnerstags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Außerdem sind Produkte u. a. auf Wochenmärkten in Bautzen und Görlitz und in zwei Görlitzer Läden zu bekommen. Interessierte können auch eine wöchentliche Kiste mit frischen Produkten abonnieren.www.enderhof.dep
  • Im Laden gibt es unter anderem saisonales Gemüse, Eier, Honig, Geflügel.
  • Noch mehr lokale Produkte aus Sachsen finden Sie in den DDV-Lokalen und unter www.ddv-lokal.de/manufakturen/kulinarisches-aus-sachsen
  • Alle Teile unserer Sommerserie finden Sie hier