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Görlitzer Buchhändlerin verabschiedet ihren Lebenstraum – und findet neue Wege

Die Stadträtin Jana Krauß hat eine schwere Zeit hinter sich und das "Art Goreliz" in der Weberstraße geschlossen. Dafür widmet sie sich einer alten Handwerkstradition.

Von Ines Eifler
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Jana Krauß hat zehn Jahre einen Buchladen geführt. Aber sie kennt sich auch mit Klöppeln aus und zeigt das im Schlesischen Museum.
Jana Krauß hat zehn Jahre einen Buchladen geführt. Aber sie kennt sich auch mit Klöppeln aus und zeigt das im Schlesischen Museum. © Martin Schneider

Schnell und leicht bewegt Jana Krauß die hölzernen Klöppel in ihren Händen und steckt immer wieder Nadeln um, bis ein kleines Stück Spitze entsteht. "Ich habe das schon als kleines Mädchen gelernt", sagt sie.

Als Tochter eines Holzschnitzers im Erzgebirge aufgewachsen, habe sie an langen Winterabenden entweder Bücher gelesen oder sich mit Fäden beschäftigt und allem, was man daraus machen kann, ob mit Häkeln, Stricken, Sticken. Ihr liebstes Handwerk aber ist das Klöppeln, die Herstellung von Spitzen nach einer aufwendigen, etwas aus der Mode gekommenen Technik. Doch das wusste bisher in Görlitz kaum jemand.

Abschied vom Traum eines Literaturcafés

Bekannt ist Jana Krauß für ihren Einsatz als Stadträtin in der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne und für ihren großen Buchladen, erst in der Brüderstraße, dann in der Weberstraße. Doch die Türen des "Art Goreliz" im ehemaligen Café Kugel sind seit einiger Zeit verschlossen. Durch die Schaufenster kann man große Kisten voller antiquarischer Bücher sehen. Und Jana Krauß nimmt Abschied von ihrem Lebenstraum, ein Literaturcafé zu betreiben.

Im Frühsommer 2021 war Jana Krauß noch euphorisch, als sie von der Brüderstraße in die Weberstraße umzog und hier mehr Platz für Kaffee und Kuchen hatte.
Im Frühsommer 2021 war Jana Krauß noch euphorisch, als sie von der Brüderstraße in die Weberstraße umzog und hier mehr Platz für Kaffee und Kuchen hatte. © Martin Schneider
Kurz vor Corona bereiteten Jana Krauß und der Görlitzer Künstler Sascha Röhricht den "Görlitzer Lesefrühling" vor, der pandemiebedingt dann nicht stattfand.
Kurz vor Corona bereiteten Jana Krauß und der Görlitzer Künstler Sascha Röhricht den "Görlitzer Lesefrühling" vor, der pandemiebedingt dann nicht stattfand. © André Schulze
2019 wurde "Art Goreliz" als "besonders herausragende Buchhandlung" ausgezeichnet.
2019 wurde "Art Goreliz" als "besonders herausragende Buchhandlung" ausgezeichnet. © Benjamin Zibner

Viel sprechen möchte die 50-Jährige darüber nicht, der Schmerz sitzt tief. Unter anderem persönliche Gründe hätten sie in eine schwierige Lage gebracht. "Ich war lange richtig krank", sagt sie, "und konnte den Laden nicht mehr regelmäßig öffnen." Und es ist, als hätten die Erlebnisse der vergangenen zehn Jahre sie erst jetzt eingeholt.

Schmerzvolle erste Görlitzer Jahre

2014 hatte die studierte Biochemikerin zusammen mit ihrem Vater, dem Schnitzer Karl-Heinz Krauß, und ihrem Mann, einem Fotografen, das Antiquariat von Frank Vater in der Brüderstraße 3 übernommen. Gemeinsam betrieben sie den Laden als Buchgeschäft mit Leseecke, Schnitzwerkstatt und Fotolabor. Doch nur wenige Monate später starb ihr Vater, bald darauf auch ihr Mann.

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Jana Krauß betrieb das Geschäft alleine weiter, holte Autoren in ihre Buchhandlung, organisierte Buchkurse, Leseabende und 2019 eine große Lese-Challenge, deren Teilnehmer sich im Schreiben von Rezensionen und Empfehlungen übten oder von gelesenen Werken abrieten. Wer es schaffte, 52 Bücher zu lesen, bekam ein selbstgestricktes Paar Socken geschenkt. Im selben Jahr wurde "Art Goreliz" als "besonders herausragende Buchhandlung" mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet. Die damit verbundenen 15.000 Euro wollte Jana Krauß für den von ihr und Sascha Röhricht konzipierten "Görlitzer Lesefrühling" nutzen, der dann wegen Corona nicht stattfand.

30 Jahre kaum Pause gemacht

Die Schauspielerin Blanche Kommerell war oft mit Lesungen im "Art Goreliz" zu Gast, schon bevor sie vor zwei Jahren nach Görlitz zog. Und im September 2022 gehörte der Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer zu den Prominenten, die in der Buchhandlung diskutierten.

Hatte sich Jana Krauß auf der Brüderstraße auf Bücher und Veranstaltungen konzentriert, übernahm sie in der Weberstraße auch eine große Küche und buk Kuchen für ihre Gäste. "Das Backen und Kochen für andere fehlt mir inzwischen sehr", sagt sie. Nebenher arbeitete sie immer als Lektorin, heute genau wie bisher. "Dieses zweite Standbein habe ich jetzt zu meinem ersten gemacht." Hinzu kommt seit 2019 ihre Stadtratstätigkeit, mit der sie sich für Görlitz engagiert.

Klöppelspitze in der Sonderschau "Niederschlesien im Aufbruch" im Schlesisches Museum zu Görlitz.
Klöppelspitze in der Sonderschau "Niederschlesien im Aufbruch" im Schlesisches Museum zu Görlitz. © Schlesisches Museum zu Görlitz

"Doch vielleicht war insgesamt alles einfach zu viel", sagt Jana Krauß. "Ich habe 30 Jahre lang immer nur gearbeitet, kaum Pause gemacht, wenig Schlaf gebraucht und war nie krank." Dann kam es anders. Etwa vor einem Jahr teilte sie auf ihrer Facebook-Seite mit, dass es ihr nicht gut gehe. Im Mai 2023 hieß es dann, sie sei nach einem "vollständigen System-Shutdown" auf dem Weg, Energie zurückzugewinnen. Sie müsse sich aber Zeit nehmen, "bis der Tank wieder voll und das System stabil ist".

Rückzug auf ein altes Handwerk

Dabei kam ihr ihre lebenslange stille Leidenschaft zugute – der Rückzug auf das Handwerk, das sie als Kind gelernt hat und ihr in verschiedenen Lebensphasen immer wieder half, sich auf sich selbst zu besinnen. "Ich habe es immer geliebt, beim Klöppeln etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen", sagt Jana Krauß, "und dabei zu spüren, wie sich alles fügt und ordnet." Außerdem möge sie Spitzen sehr und finde es schön, selbst welche zu kreieren. Textildesign habe früher sogar einmal zu ihren Studienwünschen gezählt.

"Ich finde es schade, dass die handwerkliche Herstellung von Spitzen, obwohl sie nach wie vor so beliebt sind, oft nur mit ganz alten Frauen am Klöppelbock in Verbindung gebracht wird", sagt Jana Krauß. "Dabei interessieren sich auch Jüngere für Traditionen." Es ist reiner Zufall, dass gerade jetzt die industriegeschichtliche Ausstellung "Niederschlesien im Aufbruch" im Schlesischen Museum gezeigt wird, wo unter anderem zahlreiche Spitzen zu sehen sind und von jungen Mädchen erzählt wird, die das Handwerk in "Spitzenschulen" lernten.

Weil Matthias Voigt vom Schlesischen Museum wusste, dass Jana Krauß klöppeln kann, fragte er sie, ob sie das Handwerk dort zeigen wolle. Auch wenn "Schauklöppeln" kein künftiges Ziel von ihr ist: Am Großeltern-Enkel-Tag war sie schon einmal dort zu Gast, am Sonnabend, 9. März, wird Jana Krauß noch einmal am Klöppelkissen erklären, wie Spitzen entstehen. Als weiteres Handwerk wird Alena Macmillan vom Görlitzer Blaudruck-Shop den Blaudruck vorstellen, der ebenfalls nicht aus der Mode gekommen ist.

"Spitzenklöppeln und Blaudruck" am Sonnabend, 9. März, 15 Uhr, im Schlesischen Museum zu Görlitz, Brüderstraße 8.