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Schriftsteller Lukas Rietzschel zeigt jetzt auch seine Bilder

Der Bestsellerautor aus Görlitz hat die Eröffnung der Kunsthalle in der Jakobstraße mit initiiert. Hier stellt er auch eigene Kunst aus. Und plant einen Aufenthalt in den USA.

Von Ines Eifler
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Der Schriftsteller und Maler Lukas Rietzschel in der Kunsthalle auf der unteren Jakobstraße in Görlitz vor einem seiner Ölgemälde.
Der Schriftsteller und Maler Lukas Rietzschel in der Kunsthalle auf der unteren Jakobstraße in Görlitz vor einem seiner Ölgemälde. © Martin Schneider

Als Lukas Rietzschel vor einigen Monaten in einer Lübbenauer Galerie seine Bilder ausstellte, war das eine Überraschung.

Der junge Schriftsteller, dessen Roman "Mit der Faust in die Welt schlagen" 2018 ein Bestseller wurde und der demnächst für sein bisheriges Schaffen mit dem Sächsischen Literaturpreis ausgezeichnet wird, malt auch Bilder! Nur hatte er sie bisher nicht öffentlich gezeigt. Große Ölgemälde sind es, die das schwache Licht im Dunkel ausloten. Eins davon war gerade in der Kunsthalle Görlitz auf der Jakobstraße 2 ausgestellt.

Bilder holen das Licht aus den Schatten

"Eigentlich male ich sogar schon viel länger als ich schreibe", sagt der 28-jährige Kamenzer, der vor einigen Jahren in Görlitz seine neue Heimat gefunden hat. Er erinnert sich noch, wie er in der Grundschule ein kleines, selbst illustriertes Buch herstellte und auch sonst als Kind viel malte. Später, nach der zehnten Klasse, wollte er wegen seiner künstlerischen Ambitionen Mediengestalter werden, entschied sich aber dann, auf der Fachoberschule für Gestaltung in Demitz-Thumitz ein künstlerisches Fachabitur zu machen.

Rietzschel ist Mitinitiator der Görlitzer Kunsthalle in der Jakobstraße 2. Hier waren auch Gemälde der Görlitzer Künstlerin Doris Baum zu sehen.
Rietzschel ist Mitinitiator der Görlitzer Kunsthalle in der Jakobstraße 2. Hier waren auch Gemälde der Görlitzer Künstlerin Doris Baum zu sehen. © Martin Schneider

"Das war eine tolle Zeit", erzählt Rietzschel. "Wir hatten dort große Freiräume, uns an verschiedenen Techniken und Materialien auszuprobieren und praktisch zu arbeiten." Damals habe er mit Acrylfarbe gemalt, gezeichnet, Skulpturen geschaffen. Zur großformatigen Ölmalerei sei er erst in Görlitz gelangt, auch zu der Idee, die Leinwand zunächst schwarz zu färben und dann mit helleren Farben aus den Schatten hervortreten zu lassen, was man vielleicht im Mondlicht oder beim Leuchten einer Kerze sehen würde. "Figürliche Darstellungen sind mir wichtig", sagt er, "die Abstraktion interessiert mich weniger."

Ort für zeitgenössische Kunst in Görlitz

Vor einiger Zeit setzte er sich für die Schaffung von Atelier- und Ausstellungsräumen in Görlitz ein. Den Ort dafür fand er in einem Hinterhof, öffentlich bekannt werden soll die Adresse aber nicht. "Wer uns sucht, findet uns", sagt Rietzschel. Es gebe sehr viele Künstler in Görlitz, die Räume zum Arbeiten und Ausstellen benötigen, viel mehr, als man sich vorstellen könne.

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Deshalb sei er froh, dass die großen Geschäftsräume in der Jakobstraße 2 über die zeitgenössische Kunstausstellung "Zukunftsvisionen" hinaus zunächst bis Ende Oktober als Kunsthalle dienen können – in einer idealen Lage mit viel Laufpublikum. Auch an dem Nachmittag, an dem Lukas Rietzschel hier die Ausstellungsaufsicht übernimmt, ist das ehemalige Ladenlokal nie leer, immer wieder kommen Menschen herein, schauen sich um, fragen.

Neue Bilder brauchen Zeit

Das Team um Projektleiter Felix Schuster, zu dem auch Rietzschel gehört, zeigt hier vor allem regionale Künstler, demnächst die neue Gruppenausstellung des Oberlausitzer Kunstvereins.

Lukas Rietzschel mit Günter Kern, dem jüngeren Bruder des weltbekannten Künstlers Georg Baselitz.
Lukas Rietzschel mit Günter Kern, dem jüngeren Bruder des weltbekannten Künstlers Georg Baselitz. © privat

Bis zum Wochenende waren hier Drucke des weltbekannten Neoexpressionisten Georg Baselitz zu sehen, dessen Familie Rietzschel kennt und die in seinem Roman "Raumfahrer" eine Rolle spielt; Gemälde der Görlitzer Künstlerin Doris Baum, die deutschlandweit ausstellt, aber auch schon Bilder in London und Graz zeigte; oder Skulpturen von Reiner Maria Matysik, der in Zgorzelec wohnt und ebenfalls international ausstellt.

Und ein großes Ölbild von Lukas Rietzschel. Zwei Männer sind darauf zu sehen, vielleicht auch derselbe, der eine gehalten durch den anderen. Eigentlich sollten hier noch mehr Bilder des Schriftstellers hängen, doch durch eine falsche Lagerung nahmen alle anderen seiner Gemälde in Lübbenau Schaden. Neue Bilder wird er nicht so bald schaffen können.

Gefragter Talkpartner

"Malen ist für mich reines Hobby", sagt er. "Es entspannt mich, es fordert meine ganze Konzentration und ist ein Gegenpol zu meiner Arbeit am Schreibtisch." Aber seine Schriftstellertätigkeit gehe immer vor. Danach komme das Ehrenamt, etwa das Engagement für die Kunsthalle, erst dann das Malen.

Doch dafür hat er im Moment wenig Zeit. Nach wie vor – seit seinem ersten und noch mehr seinem zweiten Roman "Raumfahrer" – ist er für Lesungen sowie als Gesprächspartner für Interviews, Talkrunden oder Podiumsdiskussionen gefragt. Als Vertreter einer jungen ostdeutschen Generation, der erklären kann, "was im Osten los ist".

Gefragter Talkpartner zum Thema Ostdeutschland: Hier Lukas Rietzschel mit dem Soziologen Raj Kollmorgen (l.) von der Hochschule Zittau/Görlitz in der Blue Box auf dem Görlitzer Hochschulcampus.
Gefragter Talkpartner zum Thema Ostdeutschland: Hier Lukas Rietzschel mit dem Soziologen Raj Kollmorgen (l.) von der Hochschule Zittau/Görlitz in der Blue Box auf dem Görlitzer Hochschulcampus. © Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Im Moment gibt es wohl keine öffentliche Person, die besser und verständlicher um Verständnis dafür wirbt, dass der Niedergang der DDR und die deutsche Einheit auch mit Enttäuschungen verbunden waren, die immer noch wirken. Und, dass der Osten zahlreiche Vorteile gegenüber anderen Gegenden hat.

Eine Lanze für den Osten brechen

Diese Rolle des "Ostverstehers" einzunehmen, ist Lukas Rietzschel manchmal schon leid. Hin und wieder wird er von großen Zeitungen angefragt, ob er nicht "etwas über den Osten" veröffentlichen wolle. "Das mache ich nicht mehr", sagt er. Aber konkrete Aufträge wie diesen Sommer, als er für die "Zeit" das Hinterland der ostdeutschen Ostseeküste erkundete, nehme er gern an und nutze sie, um auf Dinge aufmerksam zu machen, die ihn beschäftigen oder sorgen.

Oder auch, um für weniger berühmte Kollegen ein Wort einzulegen und für den Osten eine Lanze zu brechen, vor allem für die Chancen der Orte und Landschaften außerhalb der Großstädte. Auch vom "Spiegel" wurde er neulich angefragt, wo Rietzschel schließlich erzählte, was sich für ihn durch die Pandemie verändert habe: dass sich das Publikum mit Veranstaltungsbesuchen zurückhalte, er sich Sorgen um die aktuelle Diskussionskultur mache und die Chancen zu demokratischen Entscheidungsfindungen geschwächt sehe.

Theaterstück für Gerhart-Hauptmann-Theater

Vor allem aber arbeitet er gerade an einem Theaterstück für das Gerhart-Hauptmann-Theater. Hier wird auf der Bühne keine Adaption eines seiner Romane zu sehen sein, sondern ein ganz neuer Stoff, für den er viele Monate recherchiert und Leute befragt hat, unter anderem in Görlitz.

Auch die Verfilmung von "Mit der Faust in die Welt schlagen" ist weiterhin geplant. "Aber da halte ich mich raus", sagt Rietzschel, "das Drehbuch hat die Regisseurin Constanze Klaue geschrieben, und ich denke, dass es gut wird." Da der Filmstart schon mehrmals verschoben wurde, gibt er keinen Tipp ab, wann er mit der Veröffentlichung rechne. Ebenfalls mehrmals verschoben wurde sein Aufenthalt in Los Angeles auf Basis eines Stipendiums. Voraussichtlich von April bis Juni 2023 werde er nun da hinreisen, auch um Ideen für einen nächsten Roman zu finden.

Premiere "Raumfahrer" nach dem Roman von Lukas Rietzschel am Staatstheater Cottbus: 9. September, 19.30 Uhr

Vernissage Ausstellung des Oberlausitzer Kunstvereins in der Görlitzer Kunsthalle, Jakobstraße 2: 8. September, 18 Uhr

Vergabe des Sächsischen Literaturpreises an Lukas Rietzschel im Kulturforum Görlitzer Synagoge: 6. Oktober, 18.30 Uhr