Der grüne Fällkran leistet am Montagvormittag auf dem oberen Görlitzer Elisabethplatz ganze Arbeit. Mit einer riesigen roten Zange umklammert er einen dicken Ast des Kastanienbaumes. Dann fährt er ganz kurz die Säge aus – und zack, ist der dicke Ast ab. Doch er fällt nicht einfach zu Boden, sondern bleibt in der Zange festgekrallt. Die legt ihn sacht auf dem Boden ab – auf einen großen Haufen, wo Arbeiter mit Kettensägen die kleineren Nebenäste vom dicken Hauptast entfernen.
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Die Zange umklammert derweil schon den nächsten Hauptast, die Säge fährt aus, und schon ist der zweite Ast ab. So geht das noch ein paarmal, dann liegt der gesamte Baum auf dem Haufen. 150 Jahre lang gewachsen, binnen fünf Minuten gefällt. Passanten bleiben stehen, machen Fotos. Glücklich sehen sie nicht aus – wie lange wird es dauern, bis die 46 neuen Bäume, die in einem Jahr gepflanzt werden sollen, wieder blühen, Schatten werfen, Früchte tragen? Viele der heutigen Passanten werden das nicht mehr erleben.
Doch ein Trost bleibt ihnen: Der untere Elisabethplatz bleibt, wie er ist. Das versichert Steffen Leder, der bei der Stadtverwaltung für die Bäume zuständig und am Montag auch mit vor Ort auf dem Elisabethplatz ist. Während auf dem oberen Platz nur noch zwölf Kastanien und vier Linden standen, sind unten noch deutlich mehr alte Bäume erhalten. Das ist auch der Grund, warum die Stadt dort keine Neugestaltung plant. Erst, wenn auch dort die meisten Bäume ohnehin umgefallen sind, soll es soweit sein. Doch bis dahin werden hoffentlich noch viele Jahre vergehen.
Von den 16 Bäumen im oberen Teil waren am Montag um 11 Uhr nur noch neun übrig, um 12.30 Uhr noch vier und um 15 Uhr noch zwei – die zwei dicksten direkt am Zeitungskiosk. Zum Feierabend steht noch eine Kastanie. Der Kiosk blieb wegen der Fällarbeiten am Montag geschlossen. „Er kann auch am Dienstag noch nicht öffnen, denn dann werden der letzte Baum gefällt, die verbliebenen Stubben aller Bäume 50 Zentimeter tief ausgefräst und danach die Stellen mit Mineralgemisch aufgefüllt und verdichtet“, erklärt Leder.
Platzsanierung beginnt im Sommer
Ab Mittwoch ist dann wieder ganz normaler Markt- und Kioskbetrieb auf dem nunmehr baumlosen Platz. Erst im Sommer beginnt die Platzsanierung, dann zieht der Markt um. Im nächsten Sommer soll alles fertig sein. „Doch die Bäume mussten jetzt gefällt werden, denn die Fällsaison endet am 28. Februar“, erklärt Leder.
Wer am Montag indes auf Feuerholz hofft, wird bitter enttäuscht. Die Baumfirma ist nämlich nicht nur mit dem Fällkran sowie mit Motorsägen vor Ort, sondern auch mit einem so genannten Großhacker – einer Maschine, die das gesamte Holz an Ort und Stelle häckselt. Stämme bis zu einer Dicke von 60 Zentimetern können so gehäckselt werden, wie sie sind. Was dicker ist, das spaltet der Großhacker vor dem Häckseln. Das gehäckselte Holz schließlich wird vor Ort in große Fahrzeuge gefüllt, die es ins Biomasse-Heizkraftwerk nach Ostritz bringen, wo es verfeuert wird. Noch nicht einmal Sägespäne bleiben zurück: Arbeiter pusten sie mit leistungsstarken Bläsern zu den Holzhaufen.
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Für Leder ist derweil das Alter der Bäume interessant. „Sie wurden 1883 gepflanzt, damals waren sie vielleicht acht Jahre alt“, sagt er. Das heißt, die Bäume sind rund 150 Jahre alt. Dann beginnt Leder mit dem Zählen der Jahresringe. Bei einigen Bäumen scheitert er: Sie sind längst morsch, innen komplett hohl. „Die waren am Ende ihrer Lebensdauer angekommen“, sagt er. Einige wenige Bäume sehen besser aus, hier findet Leder die 150 Jahre bestätigt. Zwei Linden am Rand hingegen sind wohl erst 80 bis 90 Jahre alt: „Die müssen später nachgepflanzt worden sein.“