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Unsichtbare Gefahr: Wo Radon im Kreis Görlitz Probleme macht

Radon tritt aus dem Boden aus und kann zu Lungenkrebs führen. Neben Privathäusern sind in Löbau, Kodersdorf und Kunnersdorf auch eine Kita und eine Musikschule betroffen. Wie schützen sie die Menschen?

Von Ingo Kramer
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Der Kodersdorfer Bürgermeister René Schöne zeigt im Keller des Rathauses, Straße der Freundschaft 1, ein Radon-Messgerät.
Der Kodersdorfer Bürgermeister René Schöne zeigt im Keller des Rathauses, Straße der Freundschaft 1, ein Radon-Messgerät. © Martin Schneider

Die Zahlen sind alarmierend: Jedes Jahr sterben in Deutschland 40.000 Menschen an Lungenkrebs. Zumeist betrifft es Raucher. Zweithäufigste Ursache aber ist das Wohnen in stark mit dem radioaktiven Edelgas Radon belasteten Räumen. Wissenschaftlichen Studien zufolge werden etwa fünf bis acht Prozent der Fälle Radon zugeschrieben. Das sind jährlich immerhin 2.000 bis 3.200 Fälle in Deutschland.

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Radon – ein Zerfallsprodukt von Radium – entsteht überall im Boden. Tritt es aus dem Boden aus, wird es durch die Atmosphärenluft sofort stark verdünnt. Dringt es jedoch über Risse und Fugen in Gebäude ein, kann es sich dort anreichern. Wird Radon in erhöhten Mengen über einen längeren Zeitraum eingeatmet, kann es Lungenkrebs verursachen. Um das zu verhindern, müssen Arbeitgeber ihre Beschäftigten laut Strahlenschutzgesetz vor regelmäßiger hoher Radon-Belastung schützen. Seit 2021 muss im Radonvorsorgegebiet jeder messen, der im Erdgeschoss oder Keller Räume zum Arbeiten oder zum sonstigen regelmäßigen Aufenthalt von Beschäftigten vorhält. Der Referenzwert liegt bei 300 Becquerel pro Kubikmeter. Bei Werten darüber müssen Maßnahmen zur Reduzierung ergriffen werden. Zudem muss die Überschreitung gemeldet werden.

Im Landkreis Görlitz sind laut Anfragen im sächsischen Landtag drei öffentliche Gebäude betroffen, bei denen die Werte deutlich über 300 liegen: Im Verwaltungsgebäude der Gemeinde Kodersdorf wurde ein Wert von 543, in der Kita Sonnenhügel im Schöpstaler Ortsteil Kunnersdorf von 533 und in der Kreismusikschule Löbau von 424 Becquerel pro Kubikmeter gemessen.

Lüfter haben nichts gebracht

Auf SZ-Nachfrage erklären alle drei, dass sie wissen, dass die Werte bei ihnen überhöht waren – und dass sie Gegenmaßnahmen ergriffen haben. „Bei uns sind vor allem Büroräume im Erdgeschoss betroffen, die der Verwaltungsverband nutzt, unter anderem das Ordnungsamt“, erklärt der Kodersdorfer Bürgermeister René Schöne. Nachdem das Problem bekannt war, seien für 3.600 Euro zusätzliche Lüfter eingebaut worden. „Das hat nicht den gewünschten Erfolg gebracht“, so Schöne.

Deshalb habe die Gemeinde jetzt für weitere 25.700 Euro eine automatische digitale Lüftungsanlage eingebaut. Am 3. September wurden die Arbeiten abgeschlossen. „Die Anlage läuft rund um die Uhr, ein Sensor misst die Luft in den Räumen“, erklärt Schöne. Wird der Grenzwert 300 überschritten, schaltet sich die Lüftung ein, ein Luftaustausch findet statt. Da die Anlage erst seit einem Monat in Betrieb ist, kann Schöne noch nichts zum Erfolg sagen. Wohl aber zu den Kosten: „Wir mussten die 25.700 Euro aus eigener Tasche vorschießen und hoffen, dass wir sie über die Betriebskosten, die der Verwaltungsverband zahlt, wieder hereinbekommen.“

Kosten von 15.000 Euro

Nicht ganz so hoch waren die Kosten in der Kita Sonnenhügel in Kunnersdorf. Der Gemeinderat habe bereits im März 2021 einstimmig beschlossen, eine Lüftungsanlage einzubauen, sagt der Schöpstaler Bürgermeister Bernd Kalkbrenner. Er spricht von rund 15.000 Euro für die Installation der Anlage und das Herrichten der Räume. „Zur Zeit der Installation 2021 war über eine Co-Finanzierung nichts bekannt“, bedauert er. Die Gemeinde musste andere geplante Vorhaben verschieben, um die dringend nötige Anlage bezahlen zu können. „Inzwischen werden solche Anlagen und die Erweiterung gefördert“, so Kalkbrenner. Die IHK bestätigt das: Demnach sind Fördersummen bis 60.000 Euro möglich. Mit ihrer Anlage sei die Gemeinde zufrieden, sagt Kalkbrenner: „Das Gerät springt an, wenn die Werte überschritten sind.“

In der Kreismusikschule Löbau sind von der Radonbelastung nur die Kellerräume betroffen, sagt Schulleiter Rüdiger Herrmann: „Hier befinden sich Abstellräume, Hausmeisterwerkstatt, Instrumentenfundus und in zwei Räumen wird Schlagzeug-Unterricht erteilt.“ Dieser Raum sei aus akustischen Gründen in der Kelleretage untergebracht und würde in den oberen Etagen den Unterrichtsablauf stören.

Eine teure Lüftungsanlage hat die Kreismusikschule nicht eingebaut. „Es wird täglich in der Regel von 6 bis gegen 13 Uhr über die Fenster gelüftet“, erklärt Herrmann. Zudem werden längere Aufenthalte von Schülern in den betroffenen Räumen vermieden. Ob diese Maßnahmen wirksam helfen, sei noch nicht bestätigt worden: „Mit den Ergebnissen der Kontrollmessung ist nicht vor Schuljahresende zu rechnen.“ Herrmann weist darauf hin, dass die Messung freiwillig war, da es sich um keine staatliche Schule handle. Kosten seien der Schule bisher nicht entstanden.

Ebenfalls kostenlos sind neue Radon-Langzeitmessungen in Wohnhäusern. Das Angebot richte sich an Eigentümer von voll unterkellerten Wohngebäuden mit Wohnräumen im Erdgeschoss, teilte das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie am Mittwoch in Dresden mit. Interessenten können sich direkt bei der Radonberatungsstelle Sachsen melden.

Kontakt: Telefon 0371 46124221 oder per E-Mail: [email protected]