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„Wir nutzen keine Sporthallen für Flüchtlinge“

Sachsens CDU-Innenminister Armin Schuster diskutierte am Mittwoch in Görlitz zu Flucht und Migration. Der Termin fällt bei seiner Partei in eine sehr angespannte Zeit.

Von Ingo Kramer
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Von links: Landrat Stephan Meyer, Sylke Jennewein (Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes Görlitz), Innenminister Armin Schuster und OB Octavian Ursu (alle CDU) diskutieren in Görlitz zur Flüchtlingspolitik.
Von links: Landrat Stephan Meyer, Sylke Jennewein (Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes Görlitz), Innenminister Armin Schuster und OB Octavian Ursu (alle CDU) diskutieren in Görlitz zur Flüchtlingspolitik. © Martin Schneider

Görlitz. In Sachsens CDU brodelt es gewaltig. Nachdem die CDU-Fraktion im Bautzener Kreistag vorige Woche mehrheitlich einem AfD-Antrag zugestimmt hat, der ausreisepflichtigen Asylbewerbern freiwillige Integrationsleistungen des Kreises kürzen will, legte der Bautzener Landrat Udo Witschas (CDU) jetzt nach, indem er Flüchtlinge weder in Turnhallen noch in dezentralen Unterkünften unterbringen will. Mit letzterem würde er eine „Gefährdung des sozialen Friedens in Kauf nehmen“, sagte Witschas in einer Videobotschaft.

Während sich Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) explizit nicht von den Aussagen des Landrates distanzieren will, zeigt sich beispielsweise Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) empört über Witschas‘ Äußerungen.

Mitten in dieser für seine Partei brenzligen Situation kam am Mittwochabend der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) auf Einladung des CDU-Stadtverbandes ins Görlitzer Wichernhaus, um dort mit Landrat Stephan Meyer, OB Octavian Ursu (beide CDU) und Bürgern über die aktuelle Flüchtlingssituation zu reden.

Schuster distanziert sich klar von der AfD

Die AfD benannte Schuster nicht beim Namen, seine Botschaft in ihre Richtung aber war eindeutig: „Es gibt für die CDU nix, was mit dieser Partei geht, null Komma nix.“ Und in Anspielung auf die kürzlich festgenommene Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann sagte Schuster: „Als Ex-Bundestagsabgeordnete zur Spitze der Reichsbürgerbewegung zu gehören, ist nur einer von hunderten Vorgängen bei dieser Partei.“

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In einem Punkt aber stimmt Schuster mit Witschas überein: „Wir nutzen keine Sporthallen für Flüchtlinge.“ Die Hallen würden für den Sport gebraucht. Ein Hauptproblem sieht Schuster darin, dass es zumindest in den drei sächsischen Großstädten Leipzig, Dresden und Chemnitz faktisch keine freien Wohnungen mehr gibt. In solchen Situationen müsse wieder über die Unterbringung in Containern oder beheizbaren Zelten nachgedacht werden.

Dezentrale Unterbringung als die bessere Strategie

Landrat Stephan Meyer indes geht auf Distanz zu seinem Bautzener Amtskollegen: „Ich sehe die dezentrale Unterbringung als die bessere Strategie.“ Flüchtlinge aus der Ukraine seien zum Großteil dezentral in Wohnungen untergebracht: „Da steckt auch viel privates Engagement dahinter.“ Diesen Weg wolle der Kreis weiter gehen, „auch wenn die Zahl der Objekte begrenzt ist.“ Der Kreis bekomme die Zahl der neu aufzunehmenden Flüchtlinge mit 14 Tagen Vorlauf gemeldet, sodass zumindest etwas Zeit zur Vorbereitung bleibe.

„Im Januar erhalten wir 135 Flüchtlinge“, sagt Meyer. Es werde noch gelingen, diese unterzubringen: „Aber irgendwann kommen auch wir an Grenzen.“

Dass Zahlen genannt werden, kann man durchaus als Fortschritt bezeichnen. Noch vor wenigen Monaten hatten alle Ebenen der Bundespolizei Presseanfragen nach konkreten Flüchtlingszahlen abgeblockt. Jetzt ist klar: In diesem Jahr wurden in Deutschland bisher knapp 190.000 Asylanträge gestellt, darunter 11.000 in Sachsen. Schuster sagt, zudem seien 1,2 Millionen Menschen aus der Ukraine seit Kriegsbeginn am 24. Februar nach Deutschland gekommen, darunter 58.000 nach Sachsen.

Flüchtlingssituation von historischem Ausmaß

Die Kombination aus Ukrainern und sonstigen Flüchtlingen sei bei der Unterbringung das Hauptproblem. „Die 200.000 sonstigen würde gar keiner bemerken, das ist in Deutschland normal“, sagt Schuster. Aber zusammen mit 1,2 Millionen Ukrainern sei es eine „Flüchtlingssituation von historischem Ausmaß.“ Das habe es seit Mitte der 1940er-Jahre nicht gegeben. Immerhin: Seit Tschechien jetzt wieder mit Grenzkontrollen an der slowakischen Grenze begonnen habe, gebe es einen Rückgang der Flüchtlingszahlen in Sachsen von 100 auf 70 pro Tag. Als Hauptroute macht Schuster aber den Weg über Serbien aus. Das sei ein großes Problem.

Auch OB Ursu hat ein paar Zahlen parat. Von den 3.500 Ukrainern, die der Landkreis aufgenommen hat, lebt ein Drittel in der Stadt Görlitz, sagt er. Und beim Ausländeranteil sei Görlitz in Sachsen mittlerweile mit einem Wert von zwölf Prozent Spitze. In ganz Sachsen sind es laut Schuster 4,6 Prozent. Allerdings: Von knapp 8.400 Ausländern in Görlitz sind gut 5.000 Polen und mehr als 1.000 Ukrainer. Würde man die herausrechnen, bliebe ein Ausländeranteil von rund drei Prozent.

Ein Problem, das Ursu in Görlitz sieht: Es gibt zwar sehr viele freie Wohnungen, aber die meisten seien „unsaniert und in erbärmlichem Zustand.“ Den Mindeststandard für die Unterbringung von Flüchtlingen sieht Ursu darin, dass die Wohnungen beheizbar sind und dass ein Tisch und ein Bett vorhanden sind. Doch tatsächlich beheizbar seien viele unsanierte Wohnungen eben nicht.

Und das Ergebnis des Abends in Görlitz? Der Name Witschas wurde im Wesentlichen ausgespart. Inhaltlich gingen die CDU-Politiker auf Distanz. Die aktuelle Flüchtlingssituation aber ist auch für sie eines der ganz großen Themen in diesen Tagen.

Schuster will nicht jeden Ausländer abschieben, der eigentlich ausreisepflichtig ist. Wenn die Identität geklärt ist, der Asylbewerber Deutsch spricht, sich seinen Lebensunterhalt mit Arbeit selbst sichert, gut integriert und nicht straffällig ist, dann solle er auch problemlos bleiben dürfen.

Auf der anderen Seite fordert der Innenminister aber eine konsequentere Abschiebung von Straftätern. Stephan Meyer sagt, die illegale Einwanderung müsse kontrolliert werden, die Ostroute sei zu wenig im Visier der Politik: „Ich erwarte vom Bund, dass er die in sein Lagebild aufnimmt.“