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Kreis Görlitz: Sparkasse verlangt Negativzinsen

Zunächst sind ab 1. Juli alle Neukunden davon betroffen. Die Sparkasse will damit verhindern, Ort von "Fluchtgeldern" zu werden.

Von Sebastian Beutler
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Symbolfoto © Uwe Soeder

Wenn früher Kunden Geld zu ihrer Bank brachten, dann freute das die Bank. Sie verdiente damit ihrerseits wieder Geld, indem sie es selbst anlegte oder Kredite ausgab. Heute kostet es sie Geld. So brachte Thomas Heinze, Vorstand der Görlitzer Volksbank/Raiffeisenbank Niederschlesien, die verkehrte Bankenwelt auf einen Nenner. Das liegt an den Negativzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB), die seit 2014 gelten. Wenn die Sparkassen und Banken kurzfristig Gelder bei der EZB anlegen, wozu sie teilweise auch gezwungen sind, dann wird ein Negativzins von 0,5 Prozent fällig. Geld wird zum Minusgeschäft.

Viele Banken in der Region haben schon Negativzinsen

Die Sparkassen und Banken reagieren nun zunehmend darauf, indem sie Verwahrentgelte von ihren Kunden verlangen, wenn die Summen auf den Konten gewisse Grenzen übersteigen. Bislang begrenzten die Institute diese zusätzlichen Abgaben meistens auf Geschäftskunden, doch nun werden auch immer mehr Privatkunden die Folgen dieser EZB-Politik spüren. Nach einer Recherche des Finanzdienstleisters biallo führten allein seit Jahresanfang mehr als 150 Banken und Sparkassen solche Negativzinsen ein. Gut 410 Institute kassieren mittlerweile Negativzinsen von Privatkunden - vor zwei Jahren waren es erst 30.

So wird es auch immer schwieriger, eine Bank ohne Verwahrentgelt zu finden, zumal die überregionalen Banken fast ausnahmslos bereits die Negativzinsen an ihre Kunden weitergeben. Doch auch in der Region ist diese Gebühr weit verbreitet: Die Ostsächsische Sparkasse Dresden kennt sie genauso wie die Volksbank Dresden-Bautzen oder die Volksbank Spree-Neiße. Unterschiedlich sind die Freibeträge, die auch schon mal eine Million Euro erreichen können, oder die Ausgestaltung der Negativzinsen als Verwahrentgelt oder als monatliche Gebühr aufs Tagesgeldkonto.

Nachdem die Volksbank/Raiffeisenbank Niederschlesien in Görlitz Negativzinsen als Verwahrentgelte zum 1. September für Geschäfts- und Privatkunden ankündigte, zieht nun die Sparkasse Oberlausitz/Niederschlesien als größtes Kreditinstitut im Landkreis Görlitz nach.

Sparkasse: Neuregelung gilt nicht für Bestandskunden

Ab 1. Juli 2021 verlangt die Sparkasse ein Verwahrentgelt bei der Eröffnung neuer Giro- und Tagesgeldkonten. Solange die Summe auf den Konten 25.000 Euro nicht übersteigt, passiert noch nichts. Für die Gelder darüber aber wird der Zinssatz der EZB für kurzfristige Einlagen fällig, das sind im Moment minus 0,5 Prozent. Ein Beispiel: Hat ein Kunde 40.000 Euro auf Giro- oder Tagesgeldkonten, dann bleiben die ersten 25.000 Euro frei, für die weiteren 15.000 Euro muss er ein Verwahrentgelt von derzeit 0,5 Prozent bezahlen. Das würde 75 Euro im Jahr machen.

Für Bestandskunden enthält die Mitteilung der Sparkasse keine Angaben, für sie dürfte sich damit zunächst einmal nichts ändern. Die Rechte von Bankkunden hatte zuletzt der Bundesgerichtshof gestärkt, indem er einzelne Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen vieler Banken verwarf, die eine Einwilligung durch Schweigen vorsahen. Seitdem ist klar, dass Kunden nachträglichen Veränderungen an den Kontobedingungen zustimmen müssen. Das aber bedeutet einen enormen bürokratischen Aufwand für Banken und Sparkassen, weil sie jeden Kunden beispielsweise bei der Einführung eines Verwahrentgeltes anschreiben und eine Antwort abwarten müssen. Wie die Sparkasse mitteilt, verfügen nur 14 Prozent der Sparkassenkunden derzeit über ein Guthaben auf Giro- oder Tagesgeldkonten von mehr als 25.000 Euro.

Sparkasse zahlt hohe Negativzinsen an die EZB

Die Sparkasse reagiert damit auf ganz verschiedene Entwicklungen. Zum einen kostet sie die EZB-Negativzinspolitik im Jahr rund 14,6 Millionen Euro. Die Summe speist sich aus den Kosten für die kurzfristigen Einlagen bei der EZB als auch einer zusätzlichen Bankenabgabe. Diese Belastungen will die Sparkasse verringern und gibt deshalb einen Teil an ihre Neukunden weiter.

Zum anderen soll das neue Verwahrentgelt nun auch neue Kunden mit hohen Barbeständen abschrecken. Nachdem viele Banken solche Entgelte eingeführt hatten, zogen viele Kunden zu jenen Banken oder Sparkassen weiter, die noch keine Verwahrentgelte verlangten. Dadurch aber mussten die wiederum mehr Negativzinsen an die EZB zahlen, kamen also selbst in die Bredouille.

Bei der Sparkasse stiegen allein im vergangenen Jahr die Kundeneinlagen um 263 Millionen Euro. Das war nicht nur auf die Konsumzurückhaltung während der Corona-Pandemie zurückzuführen, sondern eben auch auf solche "Fluchtgelder". "Früher war das ein Grund zur Freude. Heute wird dies mangels alternativer Anlagemöglichkeiten zunehmend zu einer Belastung für die Sparkasse", sagt Sparkassen-Vorstand Frank Hensel. "Wir freuen uns über jeden Kunden, müssen uns aber zugleich vor einem weiteren, unkontrollierbaren Zulauf von Einlagen schützen".

Wo Kunden noch Wertzuwächse erreichen können

Die Verwahrentgelte sind zudem ein willkommenes Mittel, um leichten Druck auf die Kunden auszuüben, sich vielleicht doch für eine Wertpapieranlage zu entscheiden und damit die Bestände auf den Girokonten zu verringern. Auch das spart den Sparkassen und Banken Strafzahlungen an die EZB. Und für die Kunden kann es den positiven Nebeneffekt haben, dass sie statt der Null-Zinsen auf den Girokonten eine Rendite mit Wertpapieren erzielen können. "Nur dort sind - neben der eigenen Immobilie - noch nachhaltige Wertzuwächse zu erzielen", sagt Frank Hensel von der Sparkasse. Durch "falsches Sparen" hatten die Bundesbürger 2019 landesweit nach Angaben der Commerzbank ein Vermögen von 30 Milliarden Euro verloren - zwischen Ende 2010 und 2019 lag der Wertverlust pro Bundesbürger bei 1.638 Euro. Seit 2019 hat sich die Entwicklung nicht verändert.

Allerdings sind auch die Risiken bei der Geldanlage in Fonds oder Wertpapieren höher. Deswegen hatten der Görlitzer Commerzbank-Chef Torsten Fröde sowie der Görlitzer Volksbank-Chef Sven Fiedler jüngst auch trotz Online-Banking auf die wachsende Bedeutung der Beratung hingewiesen, schließlich wolle man die Kunden nicht zum Zocken, sondern zum verantwortlichen Anlegen verleiten. Es führe wie Fröde sagte, kaum ein Weg daran vorbei, dass sich die Kunden vom Sparer zum Anleger wandeln. Auf diese Dienstleistungen verweist nun auch die Sparkasse.

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