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Görlitzer Wochenmarkt geht ins Netz

Künftig sollen Kunden vorab im Internet erfahren, welche Händler sie auf dem Wochenmarkt finden. Doch dagegen gibt es Widerstand.

Von Susanne Sodan
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Auch in früheren Zeiten gab es Diskussionen um den Wochenmarkt. Jetzt ist die Lage noch angespannter.
Auch in früheren Zeiten gab es Diskussionen um den Wochenmarkt. Jetzt ist die Lage noch angespannter. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Kommendes Jahr muss der Görlitzer Wochenmarkt umziehen. Aber noch nicht so bald wie gedacht. Der obere Teil der Elisabethstraße, wo fast täglich der Wochenmarkt zu finden ist, soll saniert werden.

Im März-Stadtrat fiel dazu ein Grundsatzbeschluss. 1,2 Millionen Euro sollen in den Platz fließen. Eigentlich sollte im Frühjahr Baustart sein. Nun deutet sich eine Verschiebung an: „Derzeit wird der Planungsbeschluss für dieses Vorhaben vorbereitet“, teilt die Stadt Görlitz mit. Dieser solle den Stadträten im November zum Beschluss vorgelegt werden. „Danach ist der Baubeginn für Sommer 2023 geplant.“ Und dann steht auch für den Wochenmarkt der Umzug an. Fest stehe es noch nicht, aber die favorisierte Lösung derzeit: Ein größerer Teil der Händler solle auf dem unteren Teil der Elisabethplatzes Platz finden, ein weiterer Teil auf dem Marienplatz. Für die Schüler der Oberschule Innenstadt, für die der untere Elisabethplatz auch Pausenplatz ist, solle so genug Raum bleiben.

Zoff wegen Internetseite

Doch einige Händler treibt derzeit etwas anderes um. Es gibt neuen Streit - um eine Online-Präsenz der Deutschen Marktgilde, die den Görlitzer Wochenmarkt seit anderthalb Jahren betreibt. Ziel sei, die Märkte nicht nur vor Ort, sondern der breiten Öffentlichkeit auch im Internet zu präsentieren. Der Kunde solle bereits von zu Hause aus einen Überblick haben, welche Märkte wann und mit welchen Händlern geöffnet sind.

Bezahlen sollen dafür die Händler: 63 Cent pro Markttag, schildert ein Görlitzer Händler gegenüber der SZ. Für ihn wären es pro Monat 25 Euro. Seinen Namen will er nicht veröffentlicht wissen. Aber das Problem solle geregelt werden.

25 Euro bringen das Fass zum Überlaufen

Der Händler, erzählt er, stehe seit vielen Jahren auf dem Markt der Elisabethstraße. Sein Angebot, seine Standzeiten - bekannt bei den Kunden. Und viele von ihnen oder auch potenzielle Kunden, gerade ältere Görlitzer, seien nicht viel im Internet unterwegs. Daher will er die Online-Präsenz, auf der sich Händler auch vorstellen können, nicht in Anspruch nehmen. Warum für etwas zahlen, das er nicht nutzt, fragt er. Der Grundbeitrag von 63 Cent pro Markttag möge gering anmuten, aber es gehe ihm auch ums Prinzip, so der Händler. Die 25 Euro - eine Erhöhung zu viel nun für ihn.

Der Ärger hat sich hochgeschaukelt. Die Standmieten, sie waren schon oft Thema. Die Marktgilde ist ein bundesweites Unternehmen, hatte den Görlitzer Marktbetrieb im Februar 2021 übernommen.

Die Grundgebühren für die Standplätze sollen sich so stark nicht von denen des früheren Pächters unterscheiden. Tatsächlich aber sei der Görlitzer Markt für Händler der teuerste sachsenweit, sagt die Marktgilde. Das habe mit der vergleichsweise hohen Pacht, die die Stadt aufruft, zu tun. Dazu kommen beispielsweise Kosten für die Pflege des Platzes. Erhöhungen kamen auch zustande, weil in Görlitz die bundesweiten Regeln umgesetzt wurden. Ein Beispiel: Bei Imbisswagen zählt die Marktgilde die Lukenklappen mit zur Standfläche. Was diese dann allerdings schnell mal fast verdoppelte, wie im Fall des Händlers, der sich an die SZ wandte. Den Groll merkt man ihm bis heute an, als Betrug sehe er das gar.

Marktgilde: Können nicht weitermachen wie früher

Die Marktordnung gelte für alle, hält Katrin Schiel dagegen. Sie ist Prokuristin der Dresdner Niederlassung der Marktgilde, und die öffentlichen Anschuldigungen langsam leid. „Wir haben eine Marktordnung, dass sich das Konzept auch trägt, und eine Entgeltordnung“, schildert sie, „in der sind unsere Regularien durchsichtig dargelegt.“

Sie bestätigt, dass die Deutsche Marktgilde nicht nur wegen der Corona-Krise, die die Wochenmärkte zeitweise stark beschränkte, verstärkt auf Online-Präsenz setzt. „Die Wochenmärkte machen einen Generationenwechsel durch.“ Das betreffe nicht nur die Händler, sondern auch die Kunden. Daher kann sie die Argumentation des Görlitzer Händlers nur schwer nachvollziehen. „Es ist doch nicht vorausgedacht, wenn ich sage: Meine älteren Stammkunden gehen nicht ins Internet. Wir müssen uns auch auf die Kundschaft von morgen konzentrieren“, für die eine Online-Präsenz im Handelsbereich selbstverständlich sei. „Ein Görlitzer Händler hat zu mir auch gesagt: Ja klar brauchen die Wochenmärkte eine Internetseite.“

Für alle rund 130 Standorte bundesweit werde nach und nach eine „Treffpunkt-Wochenmarkt“- Seite freigeschaltet. Dort sollen Neuigkeiten, wie Veranstaltungen oder besondere Angebote zu finden sein, Informationen zum jeweiligen Markt und den Händlern. „Wir wollen den Wochenmarkt voranbringen, aber das geht nicht von allein".

Nur Verlierer?

Debatten um den Wochenmarkt gab es auch in früheren Zeiten. Doch mit der Lage nun wirken weder die Händler noch die Marktgilde glücklich. Und zwischen der Stadt Görlitz und dem ehemaligen Pächter entbrannte nach dem Wechsel voriges Jahr gar ein Rechtsstreit. 18 Jahre lang war die Wochenmarkt GbR um Hotelier Francois Fritz, Marzena Paszkiewicz und Sylwia Fritz der Pächter. AfD-Lokalpolitiker warfen ihnen vor, Parkplätze, die fürs Marktpersonal gedacht waren, Gästen des Hotels, hinter dem die Ex-Marktbetreiber ebenfalls stehen, zur Verfügung gestellt zu haben. Die AfD forderte gar die sofortige Kündigung des Pachtvertrages. Darauf ging die Stadt nicht ein, dennoch schrieb sie den Marktbetrieb neu aus. Nicht wegen der Parkplatz-Geschichte, sagt die Stadt, sondern wegen einer Konzeptänderung des Marktes. Die ebenfalls strittige Ausschreibung gewann damals die Deutsche Marktgilde.

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Ganz so schwarz will Katrin Schiel die Lage nicht stehen lassen. Mit den meisten Görlitzer Händlern komme sie gut aus. Das Problem nach wie vor: Es gab zwar in der Corona-Zeit einen Nachlass, aber die an die Stadt zu zahlende Pacht sei sehr hoch. „In der aktuellen Auftragsperiode werden wir das nicht mehr ändern können, danach müssen wir sehen. Jetzt beschäftigt uns auch erst mal der Umzug des Wochenmarktes.“ Da laufe die Zusammenarbeit mit der Stadt gut.