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Im "Heibo" bei Ottendorf fallen die Bäume - direkt nebenan wird ein altes Munitionslager renaturiert

Zwischen Ottendorf-Okrilla und Würschnitz wurde einst mitten im Wald Munition gelagert. Wo in direkter Nachbarschaft Aktivisten für den Erhalt des "Heibo" kämpften, wird der Wald nun wieder sich selbst überlassen. Warum die alten Gebäude gerade jetzt abgerissen werden.

Von Verena Belzer
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Heiko Müller vom Sachsenforst in dem Waldgebiet bei Ottendorf-Okrilla, in dem früher ein Munitionslager beherbergt war.
Heiko Müller vom Sachsenforst in dem Waldgebiet bei Ottendorf-Okrilla, in dem früher ein Munitionslager beherbergt war. © SZ/Verena Belzer

Ottendorf-Okrilla/Würschnitz. Stacheldraht, Wachtürme, Zäune. Und das mitten im Wald. Wer oder was wird hier geschützt? Das Gebiet zwischen Ottendorf-Okrilla und Würschnitz ist vor allem für eines bekannt: den Protest einiger Aktivisten gegen den Kiesabbau und die dafür nötige Rodung zahlloser Bäume im Heidebogen, genannt "Heibo".

Damals richteten sich etliche Frauen und Männer in einem Camp mitten im Wald häuslich ein, bis sie nach eineinhalb Jahren von 500 Polizisten geräumt wurden. Der Fokus auf den "Heibo" hat ein anderes Thema überlagert, das nun wieder aktuell wird. In direkter Nachbarschaft befindet sich ein ehemaliges Munitionslager. Und das soll nun komplett entfernt werden.

67 Gebäude und versiegelte Wege und Plätze

Eigentümer der Fläche ist der Freistaat Sachsen. "Bis vor etwa zehn Jahren wurde das Gelände als Zwischenlager für die Munitionsentsorgung durch ein vom Bund beauftragtes Unternehmen genutzt", erklärt Heiko Müller, Forstdirektor beim Sachsenforst. "Schon zu DDR-Zeiten war das hier ein Munitionslager. Deswegen ist es auch so gut gesichert."

Und die Fläche, um die es geht, ist riesig: Auf dem 21 Hektar großen Gebiet befinden sich 67 Gebäude: "Überwiegend baufällige Garagen, Lagerhallen, Bunker, Verwaltungsgebäude und Baracken", erläutert Heiko Müller. Doch nicht nur das, auch Fahrwege und Verladeplätze sind versiegelt. Beton, Teer, Asbest - teilweise sind die Gebäude mit gefährlichen Stoffen belastet.

"Geplant ist nun der Rückbau des Großteils der oberirdischen baulichen Anlagen sowie die fachgerechte Entsorgung des anfallenden Materials", sagt der Forstdirektor.

Aus den Bunkern sollen Fledermausquartiere entstehen

Baracken wie diese stehen einige im Wald zwischen Ottendorf-Okrilla und Würschnitz.
Baracken wie diese stehen einige im Wald zwischen Ottendorf-Okrilla und Würschnitz. © SZ/Verena Belzer
Aus vier Bunkern sollen Fledermausbehausungen werden.
Aus vier Bunkern sollen Fledermausbehausungen werden. © SZ/Verena Belzer
Stachedrahtzäune werden im Zuge der Maßnahme auch entfernt.
Stachedrahtzäune werden im Zuge der Maßnahme auch entfernt. © SZ/Verena Belzer

Die Bunker sollen dabei größtenteils bestehen bleiben - und zwar aus einem einfachen Grund: "Die Bunker sind meist mit Erde überdeckt und mit Wald bewachsen", sagt Heiko Müller. "Würden wir die Bunker abreißen, müssten wir die Bäume darüber fällen." Und abgesehen davon gebe es für die Bunker eine neue Nutzungsmöglichkeit ganz im Sinne des Naturschutzes: "Aus vier Bunkern und einem Wachturm sollen Behausungen für Fledermäuse werden."

Ansonsten werden 47 Gebäude abgerissen, 16.300 Quadratmeter versiegelte Fläche entsiegelt, 4.670 Meter Maschendraht- und Streckmetallzäune entfernt, 820 Meter Stahlbetonmauern abgerissen - und in Summe über 17.000 Tonnen Material aus dem Wald entfernt, "davon etwa 340 Tonnen mit gefährlicher Belastung", erklärt der Forstdirektor.

Die Maßnahme, den Wald hier komplett wieder sich selbst zu überlassen, kostet etwa eine Million Euro - der Auftrag wurde ausgeschrieben und ging an ein brandenburgisches Unternehmen.

Entsiegelung des Walds als Ausgleich für Radwegebau

"Abriss und Entsiegelung werden finanziert als sogenannte Ökokontomaßnahme", erklärt Heiko Müller. "Damit sollen Eingriffe in Natur und Landschaft im Zusammenhang mit dem Bau von Radwegverbindungen in Sachsen ausgeglichen werden."

Auf einem großen Teil der entsiegelten Flächen werde sich über sogenannte Sukzession auf natürlichem Weg Wald entwickeln. Birken, Kiefern, Eichen und Aspen werden die Flächen rasch besiedeln.

Andere Teile sollen als Trockenbiotope offen bleiben und werden so mit Steinhaufen und abgelegten Astwerk zu Lebensraum für Reptilien wie die Zauneidechse oder die Kreuzotter und Insekten. "Damit entstehen auf dem Gelände weitere wertvolle Rückzugs- und Lebensräume für geschützte Arten."

250 Hektar Moorgebiete für den Artenschutz

In unmittelbarer Nähe hat der Sachsenforst außerdem ein 250 Hektar großes, sogenanntes Prozessschutzgebiet mit den Naturschutzgebieten "Moorwald am Pechfluss bei Medingen" und "Waldmoor Großdittmannsdorf" ausgewiesen.

Dieses Gebiet soll in den nächsten zehn Jahren zu naturnahen Waldflächen entwickelt werden, die dann vorrangig dem Biotop- und Artenschutz dienen. "Die Maßnahme wird sich über drei Jahre erstrecken", erklärt Heiko Müller. Gearbeitet werde nur außerhalb der Hauptbrutzeiten von August bis April. Im Frühjahr 2026 sollen die Maßnahmen abgeschlossen sein.

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