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Wiedersehen bei Heidenaus "kleinlichem" Jubiläum

Vor 100 Jahren wurde aus drei Dörfern eine Stadt - und nicht gefeiert. Das ist 2024 anders. Beim offiziellen Auftakt am Freitag gab es einige überraschende Treffen.

Von Heike Sabel
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Ist das nicht...? Ja, Michael Jacobs, Heidenaus Bürgermeister von 1990 bis 2012. Er sprach über die Geschichte von 1945 bis heute.
Ist das nicht...? Ja, Michael Jacobs, Heidenaus Bürgermeister von 1990 bis 2012. Er sprach über die Geschichte von 1945 bis heute. © Stadtverwaltung

Es war ein bisschen wie beim Klassentreffen nach vielen Jahren: Da tauchten am Freitagabend auf einmal Leute in der Heidenauer Bibliothek auf, die man schon einige Zeit nicht gesehen hatte, und die sich auch untereinander aus den Augen verloren hatten.

Der Anlass für das Zusammentreffen: 100 Jahre Stadtrecht Heidenau. Das ist im Vergleich mit Dohna oder Meißen ein bisschen kleinlich, gestand Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) ein. "Aber es ist schon eine beachtliche Zahl." Und ein Grund zum Feiern. Anders als 1994 zu 70 Jahre Stadtrecht und 1997 anlässlich 650 Jahre Dörfer Heidenau und Mügeln wird diesmal ein ganzes Jahr gefeiert. Die Veranstaltung am Freitag war der offizielle Auftakt.

Der Kompromiss um den Namen

Eingeladen waren unter anderem frühere Stadträte und Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Dazu gehörten die frühere Kämmerin Christine Augustin und der langjährige Gymnasiums-Hausmeister Gerd Wünsche sowie Lutz Näke (CDU) und Wolfgang Seltmann (FDP). Es war ein kleiner Kreis, der die drei Vorträge von Opitz, seinem Vorgänger Michael Jacobs sowie Pfarrerin Erdmute Gustke hörte. Das Heidenauer Jazz-Duo Birdhouse spielte die passende Musik - zum Beispiel von Duke Ellington, der in den 1920er Jahren bekannt wurde.

Als Heidenau am 1. April 1924 plötzlich Stadt wurde, war das keine große Feier, keine große Mitteilung in der Zeitung oder gar einen Festakt wert. Vier Zeilen über den nüchternen Verwaltungsakt reichten. Manchmal wird Geschichte erst danach dazu.

Mügeln, Gommern und Heidenau hatten sich schon drei Jahre vorher zusammengetan und hatten über 10.000 Einwohner. Das ermöglichte es ihnen laut Gesetz, Stadt sein zu dürfen. Man nutzte das Gesetz, schrieb einen Antrag und wurde Stadt. Den Streit um den Namen der Stadt löste man damals mit einem Kompromiss: Heidenau heißt die Stadt, das Rathaus steht in Mügeln, wo es 1911 gebaut worden war und noch immer steht.

Umworbenes Dohna

Interessant sind die Parallelen. So war schon vor hundert Jahren die Einbeziehung von Dohna diskutiert worden, die damals in Heidenau keine Mehrheit fand. In den 1990er Jahren kam es so weit gar nicht. Oder die Zahl der Einwohner. 1924 startet die Stadt Heidenau mit 14.790 Einwohnern. Nachdem es zur Wende 1990 rund 22.000 waren, schrumpfte die Zahl auf 15.000. Jetzt sind es rund 17.000.

Nicht zu übersehen: An mehreren Stellen in Heidenau, wie hier am Gymnasium, weisen große Banner auf das Jubiläumsjahr hin.
Nicht zu übersehen: An mehreren Stellen in Heidenau, wie hier am Gymnasium, weisen große Banner auf das Jubiläumsjahr hin. © Karl-Ludwig Oberthür

Der erste Heidenauer Bürgermeister war Paul Gröger. Weil er sich 1933 weigerte, die Hakenkreuz-Fahne zu hissen, kam er ins Konzentrationslager Hohnstein. Als er entlassen wurde, war er krank und nahm sich im August das Leben. Seit August 2021 erinnert vor dem Rathaus ein Stolperstein an ihn.

Viererreihen vorm Penny-Ladenzelt

Michael Jacobs, Heidenaus Bürgermeister von 1990 bis 2012, fühlte sich mit der Aufgabe, 70 Jahre Heidenau in 20 Minuten abzuarbeiten, überfordert. Er streifte die Neuanfänge 1945 und 1990, den Bau von Heidenaus Plattenbausiedlungen, die die Stadt bis heute prägen, genau wie die Privatisierung der vielen Betriebe nach 1990. Die Erinnerung an das Ladenzelt von Penny auf dem Platz vor dem Stadion, an dem die Heidenauer in Viererreihen anstanden, ließ manchen schmunzeln. Noch ein paar persönliche Geschichten hätten dem Ganzen gutgetan und die Fakten aufgelockert.

Heidenaus Pläne für einen Dom

Erdmute Gustke ging damit auch sparsam um. Als sie von Rathewalde nach Heidenau wechselte, wurde sie gefragt: Wo ist denn dort eine Kirche? Das war zu Beginn der Stadt Heidenau durchaus eine Frage, denn da waren die Kirchgemeinden in den Schulen zu Gast. Die Pläne eines Heidenauer Doms blieben zwar Pläne, dafür bekamen Nord und Süd eine evangelisch-lutherische Kirche, von denen die inzwischen umgebaute Christuskirche blieb. Dazu kommen die katholische Kirche und die Baptistengemeinde. Alle drei laden am 3. Mai zu einer Nacht der Kirchen ein.

Heimatgeschichte zum Schnäppchenpreis

Nach den Reden gab es noch mehr Musik und viel zu trinken, aber wenig Gläser, und die vor Jahren vom Heimat- und Kulturverein erstellte Heidenauer Chronik zum Schnäppchenpreis von fünf Euro. Es war ein kleiner, eingeladener Kreis - und für den passte die Veranstaltung. Viele erinnerten sich an vieles, tauschten auch danach noch Erinnerungen aus. Die Vorträge zeigten schlaglichtartig die Heidenauer Geschichte, brachten Bekanntes und Unbekanntes und sollten deshalb weiter verbreitet und mit persönlichen Geschichten ergänzt werden. Aber dafür ist vielleicht im Laufe des Jahres noch Zeit. In dem wird es viele Veranstaltungen geben, bei denen sich die Heidenauer wiedersehen werden.