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Die Sächsische Zeitung feiert 75. Geburtstag

Am 13. April 1946 erschien die erste Ausgabe der SZ – mit hehren Ansprüchen, klaren politischen Absichten und einem Blick auf die Uhr.

Von Heinrich Löbbers
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Am 13. April 1946 wurde die erste Ausgabe der SZ gedruckt. So sah sie damals aus.
Am 13. April 1946 wurde die erste Ausgabe der SZ gedruckt. So sah sie damals aus. © SZ

Gestern erst Howard Carpendale, in zwei Wochen Wolfgang Stumph, demnächst auch Udo Lindenberg, ebenso Berti Vogts oder Bill Clinton, Erwin Huber und Heinz Eggert: Was die gemeinsam haben mit der Sächsischen Zeitung, außer dass sie dann und wann darin vorkommen? Alle werden in der nächsten Zeit 75 Jahre alt.

Mit den 75 Jahren ihrer eigenen Pressegeschichte wird sich die SZ in den kommenden Monaten beschäftigen. Vor allem die Beziehung zwischen Redaktion und Lesern soll dabei im Mittelpunkt stehen. Es geht um die Entwicklung von der SED-Parteizeitung über die politische Wende von 1989 hin zur breit aufgestellten Regionalzeitung dieser Tage. 50 Jahre nach der Erstausgabe ging die Zeitung 1996 ins Internet, aus sz-online.de wurde 2018 sächsische.de. Eine lange Geschichte.

Geburtsjahr 1946: Eine schwierige Zeit nach dem Weltkrieg. Es herrscht Not, aber es gibt auch Hoffnung und den Willen zum Wiederaufbau. Eine neue Zeit beginnt.

Lange Tradition in immer wieder neuer Erscheinung: So haben sich die Titelseiten der Sächsischen Zeitung im Laufe von siebeneinhalb Jahrzehnten verändert. Diese ist aus dem Jahr 1956.
Lange Tradition in immer wieder neuer Erscheinung: So haben sich die Titelseiten der Sächsischen Zeitung im Laufe von siebeneinhalb Jahrzehnten verändert. Diese ist aus dem Jahr 1956. © SZ

„Wer seine Uhr nicht vorwärts dreht, kommt eine Stunde stets zu spät.“ Das ist die simple Moral von Theobald. So heißt das propere Kerlchen im Cartoon auf der letzten Seite der allerersten Ausgabe der Sächsischen Zeitung, die 15 Pfennige kostete. „Theobald will nichts von der Sommerzeit“, heißt die erste Folge am 13. April 1946. Es ist Samstag, in der Nacht zu Sonntag wird um 2 Uhr die Mitteleuropäische Sommerzeit eingeführt.

Sachsen, Dresden vor allem, liegt wie ganz Deutschland noch in Trümmern. Noch dazu war es ein bitterkalter Winter. Die Menschen hungern, frieren, viele haben keine ordentliche Wohnung, keine Arbeit, keine Perspektive. Und doch keimt viel Hoffnung. Überall werden – vor allem von Frauen – Trümmer weggeräumt, erste Neubauten entstehen, Betriebe laufen wieder, erste Kinos und Theater spielen, im Pillnitzer Schloss wird es bald eine Kunstausstellung geben, in Kürze der Dresdner Zoo wieder eröffnen. Politisch ist das Wichtigste für viele: Nie wieder Krieg. In Nürnberg stehen NS-Verbrecher vor Gericht. In Sachsen wird es bald einen Volksentscheid über die „Enteignung von Großbetrieben, Nationalsozialisten und Kriegsverbrechern“ geben.

1973 gab es schon etwas mehr Bilder.
1973 gab es schon etwas mehr Bilder. © SZ

Noch existiert die DDR nicht, in Sachsen bestimmt die Sowjetische Militäradministration. Im Kurhaus Dresden-Bühlau findet am 7. April eine denkwürdige Versammlung statt. KPD und SPD vereinigen sich hier zur Sozialistischen Einheitspartei, beziehungsweise werden vereinigt: Eine unheilvolle Zwangsehe.

Schon eine Woche später wird auch „die Einheit der sozialistischen Presse wiederhergestellt“, wie es in der Erstausgabe der Sächsischen Zeitung heißt. Das neue „Organ der Sozialistischen Einheitspartei im Bundesland Sachsen“ ist ein Zusammenschluss der Sächsischen Volkszeitung, bisherige Parteizeitung der KPD, und der Volksstimme der SPD. Das bildet sich sogar in der Chefredaktion ab, die sich anfangs der Kommunist Hans Teubner und der Sozialdemokrat Kurt Gentz teilen.

Überall in Deutschland sind in den Monaten zuvor mit Genehmigung der Alliierten Zeitungen gegründet oder wiederbelebt worden. Die Süddeutsche, die Stuttgarter, die Berliner, Tagesspiegel, Weserkurier, Aachener Nachrichten. Seit Januar 1946 gibt es in Dresden Die Union als Parteizeitung der CDU und neuerdings auch die Illustrierte Zeit im Bild. Mit vier Seiten und einer Auflage von 230.000 erscheint nun die Sächsische Zeitung zunächst mit verschiedenen Ausgaben in ganz Sachsen.

1990 wurde auf der Titelseite die Einführung der D-Mark abgehandelt.
1990 wurde auf der Titelseite die Einführung der D-Mark abgehandelt. © SZ

Der Name „Sächsische“ zeugt vom Anspruch, das ganze Bundesland zu bedienen. Doch der hält nicht lange, bald gibt es auch in Leipzig, Chemnitz und Bautzen SED-Zentralorgane. Das Interesse der Menschen an Informationen ist groß. Wegen Papiermangels kann die Zeitung in den nächsten Jahren jedoch nicht an allen Tagen der Woche erscheinen, Abonnenten werden zwischenzeitlich nur wechselweise beliefert.

Ein „Echo der öffentlichen Meinung“ und „Sprachrohr unserer Zeit“ wolle die neue Zeitung sein, schreibt Chefredakteur Gentz im ersten Leitartikel rechts auf Seite 1 der Nummer 1 im 1. Jahrgang. Nicht „Uniformierung und Schablonisierung“, sondern „Kritik und Toleranz“ würden die Prinzipien der Sächsischen Zeitung sein, verspricht er. „Sie wird dabei oft die scharfe Waffe der Kritik gebrauchen, (...) „ohne sich an einem Dogma auszurichten“. Man werde „die Mängel der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse“ kritisieren und tolerant sein zum Beispiel gegenüber Kirchen oder der „bürgerlichen Intelligenz“.

So sah das Layout der Titelseite 2005 aus.
So sah das Layout der Titelseite 2005 aus. © SZ

Hehre Ansprüche, von denen schon bald wenig übrig bleiben wird. Schon in der ersten Ausgabe wird auch klar, dass man sich als „kollektiver Propagandist, Agitator und Organisator“ versteht, wie die SED später die Aufgabe der Presse formuliert. „Heraus zur einheitlichen Mai-Demonstration“ fordert denn auch die allererste Titel-Schlagzeile – mit Ausrufezeichen. Unterzeichnet ist der Appell von Parteifunktionären und ebenfalls vereinheitlichten Gewerkschaftern, aber ebenso von Prominenten aus Kultur und Wissenschaft. Unten auf der Titelseite dann die Losung: „Die Sozialistische Einheitspartei – Wegbereiter einer glücklichen Zukunft.“

Dass die für viele nicht so glücklich werden wird, davon wird die Zeitung in den nächsten Jahrzehnten meistens nicht berichten. „Unsere Presse ist die schärfste Waffe der Partei“, heißt es mit Bezug auf Lenin. Die Zeitung soll „das Wort der Partei in die Massen tragen“. Und so wird die Redaktion in den nächsten vier Jahrzehnten im Sinne der SED agieren, sich engagieren, aber auch mit den Verhältnissen arrangieren. Sie wird nach 1989 eine turbulente Wendezeit durchmachen, sich danach neu erfinden, ohne ihre Tradition zu vergessen. Sie wird viel kritisiert werden, aber viele Leser werden ihr treu bleiben.

Und so heute.
Und so heute. © SZ

1946 steht jedoch erst mal ein weiterer eisiger Winter bevor mit bis zu 20 Grad minus. „Ein Wetterereignis ersten Ranges“ heißt es in der SZ vom 14. Januar 1947: „Fast ohne Feuerung bezwingen wir den Winter, ohne Licht verbringen wir den Feierabend, am Morgen eilen wir, ohne etwas Warmes im Magen zu haben, zur Arbeit, weil das Gas infolge des Kälteeinbruchs noch öfter abgesperrt werden muss.“

Wer will da jetzt, 75 Jahre später, noch über Maskenpflicht klagen?

So feiert Ihre Zeitung

  • Ihr 75. Jubiläum feiert die Sächsische Zeitung das ganze Jahr hindurch.
    Einmal im Monat wird es eine neue Auflage des Gewinnspiels geben.
  • Mit der Zeitung im Wandel der Zeit werden sich viele Beiträge befassen. Gleichzeitig geben wir Einblicke in die Redaktion, wollen unsere Arbeit erklären und darüber diskutieren. Auch die Leser sollen dabei zu Wort kommen.
  • Am 13. April 2021 wird es eine große Sonderausgabe zum SZ-Geburtstag geben. Am 11. November ist der 25. Jahrestag der ersten Online-Ausgabe.
  • Haben Sie besondere Erinnerungen, vielleicht historische Fotos oder Erinnerungsstücke von Veranstaltungen der SZ. Dann melden Sie sich bitte unter: Sächsische Zeitung, Leserdialog, 01055 Dresden. Oder per Mail an:
    [email protected]