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Pfarrer von Großröhrsdorf: „Wir bauen die abgebrannte Kirche zusammen wieder auf“

Der Brand der Großröhrsdorfer Kirche im August 2023 hat für Entsetzen und Trauer gesorgt - doch auch etwas Gutes bewirkt. Deshalb blickt der Pfarrer optimistisch ins neue Jahr.

Von Heike Garten
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Anblicke, die die Großröhrsdorfer nicht so schnell vergessen werden: In der Nacht zum 4. August 2023 brennt ihre Stadtkirche lichterloh.
Anblicke, die die Großröhrsdorfer nicht so schnell vergessen werden: In der Nacht zum 4. August 2023 brennt ihre Stadtkirche lichterloh. © Archivfotos: Feuerwehr Lichtenberg

Großröhrsdorf. Der Anblick ist immer noch beklemmend und macht unendlich traurig: Von der Stadtkirche in Großröhrsdorf ist nicht mehr viel übrig geblieben. Sie ist eine Ruine. Von den Seitenwänden stehen nur noch ein paar Reste, der untere Teil des Turmes ragt in die Höhe. Und überall sind die Spuren des Feuers in der Nacht vom 3. zum 4. August 2023 zu sehen. Der Großbrand hat die gesamte Region erschütterte. Ein Mann hatte mutmaßlich Feuer in dem Gotteshaus gelegt, dieses brannte komplett nieder.

Nach dem großen Brand in der Nacht zum 4. August 2023 ist die Großröhrsdorfer Kirche nur noch eine Ruine.
Nach dem großen Brand in der Nacht zum 4. August 2023 ist die Großröhrsdorfer Kirche nur noch eine Ruine. ©   dpa/Robert Michael

Seitdem sind fast fünf Monate vergangenen – eine Zeit, in der das schlimme Ereignis immer noch in den Köpfen der Menschen haftet, eine Zeit aber auch, in der wieder Hoffnung eingekehrt ist. Ein Schild am Absperrzaun an der Kirche zeugt von dieser Hoffnung. In großen Buchstaben ist dort der Satz „Wir bauen zusammen wieder auf“ zu lesen.

Schon wenige Wochen nach dem Brand beschloss die Kirchgemeinde Großröhrsdorf/Kleinröhrsdorf ihre Kirche wieder aufzubauen, ein Signal, das auch Pfarrer Stefan Schwarzenberg elektrisiert hat, wie er selbst sagt. „Ich blicke hoffnungsvoll in die Zukunft, denn mit der Hoffnung leben wir Christen“, betont der Pfarrer. Er blicke aber auch deshalb optimistisch in die Zukunft, weil es in den vergangenen Wochen so viel Zuspruch gab – aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und nicht nur aus der Region, sondern aus ganz Deutschland.

Am Absperrzaun vor der Kirche von Großröhrsdorf hängt ein großes Plakat, darauf steht: Wir bauen zusammen wieder auf!
Am Absperrzaun vor der Kirche von Großröhrsdorf hängt ein großes Plakat, darauf steht: Wir bauen zusammen wieder auf! © Matthias Schumann

Und in der Tat: Kaum ein Ereignis in den vergangenen Jahren hat eine so große Welle der Hilfsbereitschaft hervorgebracht. Allein auf dem Spendenkonto der Kirchgemeinde sind bis zum 22. Dezember 2023 insgesamt 410.800 Euro eingegangen. Es gab Benefizkonzerte, ein Fußballspiel mit Legenden des DDR-Fußballs, Sachspenden. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Besonders bewegt hat den Pfarrer die Spende römisch-katholischer Christen aus Bautzen. Zu einem Gottesdienst im Oktober waren die Äbtissin des Klarissinenklosters Schwester Clara, Pfarrer Bernhard Wenzel und Peter Paul Straube vom ökumenischen Domladen zu Gast. Sie übergaben einen Abendmahlskelch, einen Abendmahlsteller und eine Brotschale als Geschenke für die Kirchgemeinde Großröhrsdorf-Kleinröhrsdorf.

„Mit diesen wertvollen Gaben, die zugleich ein starkes Symbol der Zusammengehörigkeit von Katholiken und evangelisch-lutherischen Christen darstellen, berührten unsere Gäste unser Herz“, so Stefan Schwarzenberg.

Pfarrer Stefan Schwarzenberg im Gemeindezentrum, in dem jetzt die meisten Gottesdienste stattfinden. Links im Hintergrund der Taufbaum, der neu angefertigt wurde.
Pfarrer Stefan Schwarzenberg im Gemeindezentrum, in dem jetzt die meisten Gottesdienste stattfinden. Links im Hintergrund der Taufbaum, der neu angefertigt wurde. © Matthias Schumann

Eines war für ihn gleich nach dem Brand klar: Das Kirchenleben muss weitergehen. Schon einen Tag danach war eine Trauerfeier geplant. Sie fand in der Aussegnungshalle und nicht wie geplant in der Kirche statt. „Wir sahen während der Feier, dass es aus den Trümmern noch rauchte“, blickt der Pfarrer zurück. Für den nächsten Tag stand eine Trauung auf dem Programm. Die Braut war sehr aufgeregt, ob nach dem Brand alles wie geplant stattfinden kann. Die Trauung wurde in der Rammenauer Kirche vollzogen, Pfarrer Schwarzenberg gab dem jungen Paar seinen Segen.

Weitere Gottesdienste gab es unter freiem Himmel – auf der großen Wiese vor dem Pfarrhaus mit bis zu 1.000 Teilnehmer, auch im Pfarrhof. Zum Glück verfügt die Kirchgemeinde über eine zweite Kirche in Kleinröhrsdorf und über einen großen Gemeindesaal. „Bei normalen Gottesdiensten reicht die Kapazität, so dass nie etwas ausfallen musste“, sagt Stefan Schwarzenberg. Auch Taufen finden dort statt.

Die Glocken aus dem Kirchturm der Kirche Großröhrsdorf wurden geborgen, sind allerdings stark beschädigt.
Die Glocken aus dem Kirchturm der Kirche Großröhrsdorf wurden geborgen, sind allerdings stark beschädigt. © Matthias Schumann

Die Kirchgemeinde kann aber auch den Rödersaal mit einer Kapazität von 600 Sitzplätzen nutzen. Dort fand bereits der Erntedankgottesdienst statt, und auch für Gottesdienste und Feiern zu Weihnachten konnte das Haus genutzt werden. Heiligabend fand das Krippenspiel in der Bretniger Kirche statt. Dort sollen 2024 auch junge Leute konfirmiert werden. Die Großröhrsdorfer Festhalle, die der Stadt gehört, war Austragungsort der Festveranstaltung anlässlich des 15-jährigen Jubiläums des Agnes-Heimes, einer Kita, deren Träger die Kirchgemeinde ist.

Stolz zeigt der Pfarrer auch den Taufbaum mit den Taufäpfeln, der jetzt im Gemeindesaal steht. Jedes neu getaufte Kind erhält an diesem Holzbaum einen roten Apfel mit seinem Namen und dem Taufdatum. Zur Konfirmation wird der Apfel dann wieder abgenommen. Der originale Baum war dem Brand zum Opfer gefallen. Jetzt gibt es einen neuen. Er entstand auf Initiative von Eltern, auch die verloren gegangenen Taufäpfel wurden nachgefertigt.

Bei den ersten Arbeiten gleich nach dem Brand unterstützte auch das THW Bautzen.
Bei den ersten Arbeiten gleich nach dem Brand unterstützte auch das THW Bautzen. © Archivfoto: THW Bautzen/André Stickel

Das alles sind positive Signale, dass das Kirchenleben in Großröhrsdorf nach dem Brand weitergeht. Pfarrer Schwarzenberg schätzt ein, dass jetzt zu den Gottesdiensten ein wenig mehr Leute kommen. Und auch die Zahl der Taufen habe zugenommen. „Wir sind alle enger zusammengerückt“, sagt er. Es gebe so viel Engagement, für das er dankbar ist.

Jetzt bleibt natürlich die Frage, wie es mit der Kirche und dem Neubau weitergeht. Die Kriminalpolizei hat am 8. November 2023 ihre Arbeit an der Ruine beendet, inzwischen erhob kurz vor Weihnachten die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den mutmaßlichen Brandstifter. Noch im November begann das Enttrümmern der Ruine, natürlich immer noch mit gewissen Sicherheitsvorkehrungen. „Wir müssen alles sichten, was ist erhaltenswert und was nicht“, so Pfarrer Schwarzenberg. So soll das Epitaph geschützt werden. Der Pfarrer denkt auch darüber nach, ob man Teile aus den Ruinensteinen oder der Außenmauern für den Neuaufbau wiederverwenden könnte, ähnlich wie bei der Dresdner Frauenkirche.

Das alles geschieht in enger Zusammenarbeit mit der Landeskirche in Sachsen und dem Kirchenvorstand in Großröhrsdorf. Eine klare Aussage gibt es auf jeden Fall vom Denkmalamt: Die Kirche ist nach wie vor ein Denkmal. „Es wäre schön, wenn wir den Aufbau an die Ruine anknüpfen könnten“, hofft Stefan Schwarzenberg. Ob das möglich ist, weiß man zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings noch nicht.

Zu den Perspektiven für das Gotteshaus kann die Pressesprecherin vom Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenamt Sachsen in Dresden, Tabea Köbsch, noch nichts sagen. Sie betont aber, dass die Kirchgemeinde bei den Überlegungen für eine neue Kirche von den Fachleuten des Kirchenbezirks und der Landeskirche beraten werde. „Aber diese Prozesse brauchen Zeit. Und dies ist auch wichtig, wenn am Ende das Ergebnis gut werden soll“, sagt sie.

Wann genau Großröhrsdorf wieder eine Kirche haben wird, ist ungewiss. Pfarrer Stefan Schwarzenberg hat einen Traum: „Ich bin jetzt 60 Jahre alt. Wenn ich mit 67 Jahren in Rente gehe, dann soll das in der neuen Kirche sein“, sagt er.