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Zungenkuss vom Chef: Urteil in Dresden nach 19 Tagen Streit

Ein 46-Jähriger war gegenüber zwei Praktikantinnen sexuell übergriffig. Der Mann bestritt die Vorwürfe vor dem Dresdner Amtsgericht nach wie vor. Nun ist ein Urteil gefallen.

Von Alexander Schneider
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Machtgefälle ausgenutzt: Nach einem mehr als sechsmonatigen Prozess wurde ein ehemaliger Geschäftsführer am Amtsgericht Dresden verurteilt. Der 46-Jährige hat zwei Praktikantinnen sexuell belästigt.
Machtgefälle ausgenutzt: Nach einem mehr als sechsmonatigen Prozess wurde ein ehemaliger Geschäftsführer am Amtsgericht Dresden verurteilt. Der 46-Jährige hat zwei Praktikantinnen sexuell belästigt. © Symbolfoto: SZ

Dresden. Ein Zungenkuss bei einer Abendveranstaltung vor der Tourismusmesse in Berlin im März 2017, ein weiterer Kuss auf den Mund bei einer Firmenfeier in einem Dresdner Restaurant im Februar 2019: Am Ende sind es diese beiden Taten, für die ein ehemaliger Dresdner Unternehmer wegen sexueller Nötigung und sexueller Belästigung zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt wird.

Außerdem muss der 46-Jährige eine Geldauflage von 2.500 Euro an die Opferhilfe Sachsen zahlen. Von sechs weiteren ähnlichen Tatvorwürfen zwischen 2017 und 2019 zum Nachteil einer 40-jährigen Frau wurde er dagegen freigesprochen.

Gericht hat keine Zweifel an Glaubwürdigkeit der Praktikantinnen

19 Sitzungstage lang wurde am Amtsgericht Dresden mit harten Bandagen gestritten. Seit Juni 2023 standen die delikaten Angelegenheiten im Mittelpunkt der öffentlichen Hauptverhandlung. Der Angeklagte war zur Tatzeit Geschäftsführer aller deutschen Niederlassungen einer internationalen Projektgesellschaft, die Geschädigten hatten als Praktikantinnen erst wenige Monate in der Dresdner Niederlassung gearbeitet.

Die 40-Jährige war Auszubildende in einer weiteren Firma des Unternehmers. Doch sie hatte falsche Angaben gemacht. Die Verteidiger konnten anhand eines Chatverlaufs ihres Mandanten und seiner Auszubildenden nachweisen, dass die Frau, entgegen ihrer eigenen Angaben, ein Verhältnis mit ihm gehabt habe – wie es der Angeklagte selbst ausgesagt hatte.

Auch die Vorwürfe der beiden anderen Frauen hatte der 46-Jährige vehement bestritten und sich selbst als das Opfer beschrieben. In beiden Fällen habe er den Praktikantinnen zuvor angeblich gesagt, dass er mit ihren Leistungen nicht zufrieden sei. An der Glaubwürdigkeit der 33 und 30 Jahre alten Geschädigten hatte das Gericht jedoch keine Zweifel. Beide hatten die Firma unmittelbar nach den Übergriffen verlassen und hätten kein Strafverfolgungsinteresse gehabt.

Die vom Angeklagten behaupteten "Schlecht-Leistungen" wurden von anderen Mitarbeitern nicht bestätigt. Das Gericht wertete sie als Schutzbehauptung. Beide Frauen hätten etwa auch keine finanziellen Entschädigungen vom Mutterkonzern gefordert. "Das wäre ein Leichtes für sie gewesen", sagte der Vorsitzende Thomas Hentschel.

Urteil noch nicht rechtskräftig

Weil bei der ersten Tat die Zunge des Angeklagten im Mund der 33-Jährigen gewesen sei und er sie festgehalten habe, sei es eine sexuelle Nötigung. Als Chef habe er das Machtgefälle gegenüber den Praktikantinnen ausgenutzt. Weil die Tat lange zurückliege, er wegen dieser Vorwürfe seinen Job verloren habe, nicht vorbestraft ist und alkoholbedingt enthemmt gewesen sei, habe das Gericht die Mindeststrafe von einem Jahr mildern können, sagte Hentschel.

Die Ermittlungen waren 2019 ins Rollen gekommen. Nach Medienberichten über einen ersten Prozess 2020 kamen weitere Vorwürfe ans Licht – und der Fall wurde an ein Schöffengericht abgegeben.

Der Staatsanwalt hatte für die beiden Küsse ein Jahr und vier Monate auf Bewährung gefordert und das Agieren der Verteidiger gegenüber den Geschädigten vor Gericht massiv kritisiert. Die Verteidiger forderten Freisprüche für alle Vorwürfe.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.