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Die Meißner Bauern wollen nicht mehr, sondern weniger - Bürokratie

Landwirt Marcel Buschmann hat die Bauernproteste im Landkreis Meißen mit organisiert. Er sagt, was die Bauern wirklich wollen und warum die große Solidarität anderer Branchen kein Zufall ist.

Von Ines Mallek-Klein
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Marcel Buschmann ist einer der Organisatoren der Bauernproteste im Landkreis Meißen. Sie sind noch nicht zu Ende, sagt er und erzählt von der hochexplosiven Stimmung unter den Landwirten.
Marcel Buschmann ist einer der Organisatoren der Bauernproteste im Landkreis Meißen. Sie sind noch nicht zu Ende, sagt er und erzählt von der hochexplosiven Stimmung unter den Landwirten. © Claudia Hübschmann

Käbschütztal. Es reicht. Ihm und seinen Berufskollegen. Marcel Buschmann ist Landwirt, seine Frau Schäfermeisterin. Gemeinsam führen sie fort, was Generationen vor ihnen im Käbschütztal begonnen haben. Doch davon zu leben, wird immer schwieriger und Leidenschaft allein reicht nicht, um den Tierarzt zu bezahlen und den Traktor vollzutanken.

Doch das Problem ist nicht allein das Geld. Es ist die Regelungswut in Deutschland, die die Bauern in einen Dokumenten- und Nachweisdschungel zwingt, der weltweit einzigartig ist. Und Marcel Buschmann lässt dabei auch das Argument die "Europäische Union ist schuld" nicht gelten. Ja, es gäbe viele Vorschriften aus Brüssel. "Aber wir Deutschen und insbesondere wir Sachsen setzen immer noch eins drauf", so der Landwirt.

Bestes Beispiel sei die GAP, mit der sich die EU auf eine gemeinsame Agrarpolitik verständigt hat. An der Regelung hängen auch die Direktzahlungen an die Bauern, die in Sachsen nur verzögert ausgereicht werden. Grund ist aber nicht der Urbeschluss, sondern die Durchführungsverordnung, die in Sachsen auf 150 Seiten vermerkt ist. Andere Bundesländer kommen mit 15 Seiten aus.

Marcel Buschmann war einer der Organisatoren der Bauernproteste Anfang Januar im Landkreis Meißen. Den Traktorenkorso durch den Landkreis hat er, organisiert im Verein Land schafft Verbindung Sachsen, angemeldet. 250 Fahrzeuge rollten am 9. Januar durch die Region. Die Traktoren waren in der Überzahl. Doch dazwischen große Lkws von Baufirmen und Speditionen, Kleinbusse von Malern und Klempnern, von Schornsteinfegern, Gebäudereinigern und Gerüstbauern.

Jeden Abend an den Schreibtisch

Eine Solidarität, mit der die Bauern so nicht gerechnet hatten. "Doch wenn man sich mit den Beschäftigten aus den anderen Branchen unterhält wird schnell klar, das Problem ist überall das gleiche: eine überbordende Bürokratie, eine Überregulierung, die verhindert, dass wir einfach unsere Arbeit machen können, die wir gelernt haben, für die wir ausgebildet sind", so Marcel Buschmann.

Er beispielsweise müsse seinen Schafbestand an vier verschiedene Ämter melden. Die könnten sich wegen des Datenschutzes nicht untereinander austauschen, tun es aber zu anderen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen sehr freimütig. Dann sind da noch die unzähligen Statistiken, die Nachweise, wo er wann mit der Düngespritze unterwegs war und wo seine Schafe wie lange gestanden haben.

Neuerdings sind sogar die Hinterlassenschaften der Tiere ins Blickfeld der Politik geraten. Sie sollen abgedeckt werden, um den Kohlendioxid-Ausstoß zu minimieren. Marcel Buschmann könnte die Liste der Regeln mit zweifelhafter Wirksamkeit noch endlos fortführen. Im Alltag zwingt ihn der Gesetzgeber fast jeden Abend nach Feierabend an den Schreibtisch. "Während andere längst die Beine hochlegen, beschaffe ich Nachweise und fülle Tabellen aus", so Buschmann.

Und es wird noch schlimmer. Sachsen hat ein Agrarstrukturgesetz auf den Weg gebracht. Dabei geht es um das Wichtigste für die Bauern, nämlich um ihr Land. Der Staat möchte künftig mitentscheiden, wer was pachten darf und zu welchem Preis. Letzterer sei in den zurückliegenden Jahren drastisch gestiegen, auch weil die Bauern mit den Wind- und Solaranlagenbauern konkurrieren, die den Flächeneigentümern das bis zu Zwanzigfache an Pachtzins bieten.

Freihandelsabkommen mit Neuseeland

Marcel Buschmann und seine Frau arbeiten in der Landwirtschaft, weil sie ihren Beruf, ihre Tiere und die Natur lieben. Doch schon bei der nachfolgenden Generation hält sich dieser Idealismus in Grenzen. Obwohl zwei der vier Kinder in der Landwirtschaft lernen, "haben wir, Stand heute, keinen Nachfolger für unseren Hof", so Buschmann. Damit ist er nicht allein. Und die Stimmung unter den Bauern hochexplosiv. Gut möglich, dass einige aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben müssen, andere vor Wut hinschmeißen.

Fatal sei das in beiden Fällen. Zum einen, weil damit die regionale und nachhaltigste Form der Nahrungsmittelerzeugung verloren geht, zum anderen, weil unsere Kulturlandschaft veröden würde. Die Schafe von Marcel Buschmann und seiner Frau beweiden zwei FFH-Gebiete, eine Natura2000-Fläche und sind in einem Landschaftsschutzgebiet unterwegs. Flächen, in deren Gestaltung nicht wenige Gelder der öffentlichen Hand geflossen sind. "Doch sind die Schafe weg, wäre das alles umsonst gewesen", sagt Buschmann.

Leichter wird es für ihn nicht. Gerade hat Deutschland ein Freihandelsabkommen mit Neuseeland geschlossen, für Lammfleisch. Das wird dort auf riesigen Flächen und mit deutlich weniger Auflagen preiswert produziert und kann dann nach Deutschland exportiert werden. Marcel Buschmann hätte schon vor den Preissteigerungen der vergangenen Monate ein Kilogramm Lamm für fünf Euro verkaufen müssen, bekommt aber nur maximal drei.

Noch keine Radlader und Mähdrescher auf den Kreuzungen

Sein Traktor wird gebraucht, um die Schafe zu versorgen. Das Plakat mit der Aufschrift "Wer von der Natur leben will, muss mit der Natur leben" steht an der Wand gelehnt in der Scheune. "Aber ich brauche eine Minute 30 und dann ist es wieder montiert", sagt der Landwirt aus dem Käbschütztal.

Es sieht so aus, als wird es bald wieder so weit sein. Denn der Bundestag hat am Freitag voriger Woche - allen Bauernprotesten zum Trotz - den Bundeshaushalt 2024 beschlossen und damit auch die Abschmelzung der Subventionen für den Agrardiesel. Und das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen und die Bauern auf die Straße brachte. In einer Massivität, wie sie Deutschland noch nicht erlebt hat.

Und es ginge noch mehr. Allein im Landkreis Meißen habe man Anfang Januar nur etwa zehn Prozent der Bauern mobilisiert. "Und denen, die in den Ställen und Lagern geblieben sind, kann man nicht genug danken. Denn sie haben den Laden am Laufen gehalten" so Buschmann. Dass der auch künftig läuft und wir einen wichtigen Teil unserer Lebensmittel in der Region erzeugen, dafür sind die Bauern auf der Straße und sie werden dahin zurückkehren, wenn sich die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit nicht spürbar verbessern.

Der Haushalt wird am 22. März 2024 noch den Bundesrat passieren. Die Länderkammer muss nicht zustimmen, kann aber Einspruch einlegen oder den Vermittlungsausschuss anrufen. Letzteres haben einige unionsgeführten Bundesländer bereits angekündigt. Sie wollen die Agrardieselsubventionen für die Bauern retten. "Und bis dahin hat uns die Politik Zeit gegeben, zu reagieren", so Marcel Buschmann. Bislang waren weder Radlader noch Mähdrescher in Protestzügen unterwegs und haben Kreuzungen blockiert. Doch das könnte sich schon sehr bald ändern.