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Warum die Pirnaer Südumfahrung erst Ende 2026 fertig wird

Aus ursprünglich fünf Jahren Bauzeit werden jetzt fast zehn, auch die Kosten sind inzwischen doppelt so hoch wie geplant. Aber woran genau hakt es?

Von Thomas Möckel
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Blick auf die Gottleubatalbrücke: Bei den Bauarbeiten drei Jahre im Verzug.
Blick auf die Gottleubatalbrücke: Bei den Bauarbeiten drei Jahre im Verzug. © René Legrand

Das jahrzehntelange Ringen war letztlich von Erfolg gekrönt, mit dem ersten Spatenstich am 3. August 2017 – nachdem schon einige Vorarbeiten erledigt waren – begann ganz offiziell der Bau der neuen Pirnaer Südumfahrung, jene 3,8 Kilometer lange Trasse, die einmal vom Pirnaer Autobahnzubringer über zwei Täler und durch den Kohlberg bis hinauf zur B172 auf dem Sonnenstein führt. Die Strecke soll künftig die staugeplagte Innenstadt spürbar vom Durchgangsverkehr entlasten.

Reichlich fünf Jahre ist das nun her, und in etwa war das auch die Bauzeit, die die Deutsche Fernstraßenplanungs- und –bau GmbH (Deges), Bauherr der Südumfahrung, anfangs für das Vorhaben veranschlagt hatte. In der ersten Bürgerinformation, die die Deges im Juli 2017 verschickte, hieß es: Das Bauprojekt dauert voraussichtlich fünf Jahre, beginnt 2017 und soll 2022 beendet werden.

Doch bereits 2019 zeichnete sich ab, dass dieser Plan nicht aufgehen würde, die Arbeiten verlängerten sich nach dem damaligen Stand auf sechs Jahre, das finale Bauende verschob sich auf 2023. Noch bis Mitte 2021 hielt die Deges offiziell an dieser Zeitschiene fest. Es werde sportlich, so die Aussage der Deges im Juli vergangenen Jahres, aber die Gesamtfertigstellung sei 2023 noch möglich.

Inzwischen ist aber auch das Makulatur. Aufgrund verschiedener Umstände – die teils unvorhergesehen eintraten, teil aber auch hausgemacht sind – ist mittlerweile derart viel Verzug aufgelaufen, dass aus den einstmals geplanten fünf Jahren Bauzeit nun fast zehn werden. Erst kürzlich hat sich die Deges auf einen neuen Endtermin festgelegt: Demnach soll die Südumfahrung nun Ende 2026 komplett fertig sein, dies gelte als ziemlich sicher. Aber woran genau hakt es?

Beim Tunnelbau ein Jahr verloren

Das erste Sorgenkind, dass den Zeitplan durcheinanderbrachte, war der Kohlbergtunnel, insgesamt 300 Meter lang, 250 Meter davon entstehen unter Tage. Wegen eines geschützten Waldes auf dem Gipfel konnte der Tunnel nur in geschlossener Bauweise gebaut werden. Weil das Gestein im Berg mürbe und brüchig ist, blieb nur der sogenannte bergmännische Vortrieb. Dabei wird mit einem großen Meißel das Gestein aus zuvor festgelegten Segmenten gebrochen. Dabei schaffen die Mineure teils nur Abschläge von 80 Zentimeter pro Tag, es ist eine langsame Bauweise, 27 Monate waren daher für den Tunnelbau veranschlagt.


Im Februar 2020 sollte es losgehen, bis 2022 sollte der Tunnel komplett fertig sein. Doch Tunnelanstich war dann erst im September 2020. Zunächst ging es zügig voran, kurz darauf aber kam die erste Zwangspause. Anfang 2021 erwischte die Corona-Pandemie die Mineure, reichlich zwei Wochen ruhte der Tunnelbau. Wenig später durften die Mineure dann nur noch tagsüber arbeiten – auf einer Baustelle, die üblicherweise rund um die Uhr läuft. Der Grund: Die zu grellen Lampen, die das Tunnelportal ausleuchteten, lockten zuhauf Insekten an – und damit auch Fledermäuse, was nicht gewollt war. Zwölf Wochen mussten die Fachleute warten, ehe die passenden Lampen geliefert wurden.

Am 16. Juli 2021 wurde der Tunnelbau komplett gestoppt, drei Monate ging gar nichts. Die Baufirmen stritten mit der Deges ums Geld, es gab Gerüchte um unbezahlte Rechnungen, um Beträge in Millionenhöhe. Die Deges wies die Vorwürfe stets zurück, im Herbst wurde der Streit einstweilen beigelegt. Darüber hinaus wurde aufgrund des veränderten Gesteins – im Berginnern wurde es fester – die Vortriebstechnik neu konzipiert und umgestellt. So schafften die Mineure erst im April 2022 den ersten Durchbruch, im Mai dann den zweiten. Ende 2022 soll der Vortrieb dann abgeschlossen sein, dann ist der Tunnelquerschnitt fertig. Insgesamt fertig wird der Tunnel voraussichtlich 2024.

Fortschritt im Kohlbergtunnel: Das Mittelsegment wird "weggeknabbert", der endgültige Querschnitt kommt zum Vorschein.
Fortschritt im Kohlbergtunnel: Das Mittelsegment wird "weggeknabbert", der endgültige Querschnitt kommt zum Vorschein. © Deges

An der Brücke drei Jahre im Verzug

Weitaus dramatischer sieht es hingegen beim zweiten großen Sorgenkind aus – die Superbrücke, die einmal mit einer Länge von 916 Meter das Gottleubatal überspannt. Die Deges hatte im Vorfeld einen sehr schmalen, schlanken Entwurf gewählt, damit das Bauwerk im Tal nicht so wuchtig daherkommt. Dieser gestalterische Anspruch einer „schönen Brücke“ sei laut der Deges aber schwierig zu bauen. Die Fachleute bewegen sich damit auf Neuland, in einer solch schlanken Form ist noch nie eine Brücke gebaut worden.

Generell läuft das so: Fachleute komplettieren den Stahlunterbau der Brücke im Taktkeller auf dem Sonnenstein, von dort wird die Konstruktion abschnittsweise über die filigranen Pfeiler bis zur Kohlberg-Ostseite verschoben. Erst danach folgt der Straßenaufbau. Der erste Verschub war Anfang 2020 geplant, 2022 sollte die Brücke fertig sein. Doch schon der Bau des Taktkellers verzögerte sich, weil die Bauarbeiter auf Wasseradern stießen und die Grube erst gegen eindringendes Nass gesichert werden musste.

Der erste Probeverschub war nun für Januar 2021 angesetzt, doch wegen Corona konnten die tschechischen Spezialisten wochenlang nicht einreisen. So setzte sich die Brücke erst Anfang Mai in Bewegung. Den ersten richtigen Verschub verhinderten zunächst Vögel, die an einem Brückenpfeiler sowie auf einem Kran daneben brüteten. Erst im September 2021 rückte die Brücke erstmals ein langes Stück, dann war wieder lange Pause.

Sicherheit geht vor Schnelligkeit

Ende 2021 bereiteten die Längsstützen – die sogenannten Vouten, die an insgesamt fünf Pfeilern zusätzlich unter die Brücke betoniert werden – Probleme. Die Baufirma weigerte sich, sie in der gewünschten Ausführung zu bauen. Mehrere bautechnische Anpassungen waren nötig. Aufgrund der notwendigen sicherheitstechnischen Prüfung mussten Prüfingenieure und Statiker nochmals einbezogen werden, die alles ein weiteres Mal durchrechneten. Laut der Deges könne man hierbei kein Risiko eingehen, die Brücke müsse sicher gebaut werden. Inzwischen seien die technischen Knackpunkte gelöst.

Im Juni 2022 konnte die Brücke ein weiteres Mal verschoben werden, der nächste Verschub ist für Ende Oktober geplant. Komplett fertig soll die Brücke 2026 sein. Insgesamt sind die Fachleute mit der Brücke drei Jahre im Verzug, der sich laut Deges nicht mehr aufholen lässt. Aber letztendlich gehe Sicherheit vor Schnelligkeit.

Auch kostentechnisch liegt die Brücke längst nicht mehr im ursprünglichen Rahmen. Anfangs mit 97 Millionen Euro veranschlagt, liegen die Baukosten laut der Deges mittlerweile bei 170 Millionen Euro – sofern keine größeren Überraschungen mehr eintreten. Ursächlich dafür sind die Kostensteigerungen durch die technisch bedingten Verzögerungen sowie gestiegene Baupreise.