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Was Corona für Beerdigungen bedeutet

Die Corona-Epidemie hat die Friedhöfe erreicht. Dabei hat die Landesregierung die Bestatter vergessen. Die bekommen nicht einmal Desinfektionsmittel.

Von Ulrich Wolf
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Die Corona-Krise macht auch vor dem Tod nicht halt. Sachsens Bestatter haben Schwierigkeiten, an Desinfektionsmittel zu kommen.
Die Corona-Krise macht auch vor dem Tod nicht halt. Sachsens Bestatter haben Schwierigkeiten, an Desinfektionsmittel zu kommen. © Fotostand

Den Anruf bekommt Benjamin Wolf am Dienstagvormittag. Der Inhaber des Bestattungshauses Mutscher in Ottendorf-Okrilla hat den Friedhofmeister von Pulsnitz am Telefon. Bei ihm sei die Angehörige eines Verstorbenen gewesen und habe die geplante Trauerfeier abgesagt, erzählt der Mann von der Friedhofsverwaltung. Im Übrigen gelte fortan in Pulsnitz die Regel, Beerdigungsgesellschaften dürften nicht größter als 20 Personen sein, und jeder Trauernde müsse genügend Abstand voneinander halten.

„Was wir jetzt gerade erleben, ist, dass jeder Friedhof seine eigene Regeln aufstellt“, sagt Bestatter Wolf. Der Heidefriedhof in Dresden erlaube nur noch Beisetzungen im „engsten Familienkreis“, definiere aber nicht, was „engste“ bedeutet. Auf dem Weixdorfer Friedhof seien nicht mehr als zehn Personen erlaubt. Und in den ländlichen Regionen, auf den Dörfern, gebe es oft gar keinen hauptamtlichen Friedhofsverwalter mehr. Da entscheide dann der Pfarrer oder der Bürgermeister.

Urnenbeisetzungen verschieben

In den Anweisungen der katholischen Diözese Dresden-Meißen heißt es, „Beerdigungen können derzeit nur nach den öffentlichen Vorgaben im engsten Kreis der Familie im Freien stattfinden“. Das Requiem, also das Sterbeamt, die heilige Messe für Verstorbene, sei „zu einem späteren Zeitpunkt nachzufeiern“. Die evangelisch-lutherische Landeskirche Sachsen, die im Freistaat mit Abstand die meisten Friedhöfe verwaltet, betont, dass Trauerfeiern bei Urnenbeisetzungen, „soweit möglich“, verschoben werden sollten. Das sächsische Bestattungsgesetz erlaubt hier sechs Monate.

Das Sarglager im Krematorium Baumschulenweg in Berlin: Eine sofortige Einäscherung sei in diesen Zeiten besser als eine Aufbahrung im offenen Sarg, meint Benjamin Wolf, der Inhaber des Bestattungshauses Mutscher in Ottendorf-Okrilla.
Das Sarglager im Krematorium Baumschulenweg in Berlin: Eine sofortige Einäscherung sei in diesen Zeiten besser als eine Aufbahrung im offenen Sarg, meint Benjamin Wolf, der Inhaber des Bestattungshauses Mutscher in Ottendorf-Okrilla. © dpa

Ansonsten, so heißt es bei den Protestanten, seien aber auch Beerdigungen von den Regelungen der zuständigen Behörden betroffen. Beerdigungen mit mehr als 100 Personen sind demnach verboten. „Aus unserer Sicht können derzeit aber Beisetzungen unter Beteiligung der nächsten Angehörigen in kleinem Rahmen stattfinden.“ Die Verantwortlichen vor Ort müssten dafür sorgen, „dass reihenweise versetzt mindestens eine Sitzbreite Abstand zwischen den Sitzplätzen hergestellt wird“. Die Trauerfeiern selbst sollten „nach Möglichkeit im Freien abgehalten werden“. Hintergrund: Vor allem im ländlichen Raum sind die Trauerhallen, falls vorhanden, mitunter sehr klein, die Trauernden stünden dicht gedrängt. Grundsätzlich werde empfohlen, Listen auszulegen, in die sich die Trauergäste eintragen können.

Der Ottendorfer Bestatter Wolf findet das teils „ziemlich absurd“. Solche Listen seien freiwillig und würden nicht kontrolliert. „Wer sollte sich auf den Dörfern darum kümmern?“, fragt er. Dort sei die Verwaltung nicht so präsent oder gar nicht vorhanden. Und würde es rein nach der Liste für potenziell besonders gefährdete Convid-Betroffene gehen, „müssten wir wegen des Alters der Trauergäste die meisten Beerdigungen absagen“.

Alle Entwicklungen in der Corona-Krise in unserem News-Blog.

Was dem Bestattungshaus-Chef, der ebenfalls „Notbetrieb“ fährt und bis auf sein Stammhaus alle Filialen geschlossen hat, noch mehr zu schaffen macht, ist die Tatsache, dass die Landesregierung ihn und seine Kollegen bei den „Sektoren der kritischen Infrastruktur“ offensichtlich vergessen hat. Während etwa die Mitarbeiter von Apotheken, Arztpraxen, Labore, Krankenhäuser und Pflegedienste die Kindernotbetreuung in Anspruch nehmen können, ist das bei den Bestattern derzeit nicht möglich. „Nicht nur das“, sagt Bestatter Wolf, „wir, die alltäglich mit dem Tod zu tun haben, bekommen deshalb auch keine Desinfektionsmittel. Derzeit nicht einmal im Großhandel.“

Dass seine Branche vergessen wurde, das regt auch Tobias Wenzel auf. Der Marienberger ist Obermeister der Landesinnung der sächsischen Bestatter. „Wir leben nur noch von den Reserven, was Desinfektionsmittel angeht“, sagt er. Selbst, wenn es davon genügend gäbe, dürften wir nicht beliefert werden, weil wir nicht auf der Sektorenliste der kritischen Infrastruktur in der Allgemeinverfügung der Landesregierung stehen. Auch Schutzanzüge bekämen die rund 120 Innungsmitglieder derzeit nicht. „Das ist eine Schweinerei“, schimpft Wenzel.

Mundschutz für die Toten?

Dennoch versuchen die Bestatter, wie der Ottendorfer Berufskollege Wolf es ausdrückt, weiterhin den Spagat zu schaffen „zwischen würdevoller und hygienisch professioneller Arbeit“. Es solle Kollegen geben, die Angehörigen von Verstorbenen in Schutzanzügen begegneten. „Das machen wir nicht“, sagt der Ottendorfer. Dabei könne Corona bis zu neun Stunden nach dem Tod noch übertragen werden, etwa durch entweichende Atemluft vom Leichnam. „Wir prüfen deshalb, ob wir jeden Verstorbenen mit einem Mundschutz versehen.“ Tote würden nicht automatisch auf Corona-Viren geprüft, „aber wir schauen uns schon irgendwie stärker als sonst den Totenschein an“. Und natürlich sei eine sofortige Einäscherung in diesen Zeiten besser als eine Aufbahrung im offenen Sarg.

Was der Bundesverband Deutscher Bestatter empfiehlt:

Trauergesellschaften sollten nicht mehr als 25 Personen umfassen.

Verzichten Sie auf körperliche Gesten der Kondolenz und Anteilnahme wie Umarmungen, Küsse, Händeschütteln.

Die Sitzplätze für Trauergäste sollten möglichst weit auseinander liegen.

Trauergäste aus dem Ausland oder anderen Bundesländern sollten gebeten werden, nicht zur Trauerfeier anzureisen.

Führen Sie eine Teilnehmer- oder Kondolenzliste der Trauerfeier, damit bei einer späteren Erkrankung eines Teilnehmers der Infektionsweg nachverfolgt werden kann.

Weisen Sie schon in den Traueranzeigen oder Todesbekanntmachungen darauf hin, dass Sie eine Gedenkfeier erst nach der Corona-Krise planen.

Auch Übertragungen der Trauerfeier über das Internet sind laut Bestatterverband eine Alternative. Eine Aufzeichnung der Trauerfeier kann später bei einem Gedenken gemeinsam angesehen werden. (epd)

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