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Aida und Co.: Wie Corona Kreuzfahrten verändert

Die Kreuzfahrt-Branche bereitet den Neustart vor. Experten erwarten kürzere Reisen mit weniger Passagieren und Häfen. Deutschland könnte ein Ziel sein.

Von Bernd Klempnow
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Noch sind die Balkone von „Mein Schiff 3“ leer. Zu sehen sein wird künftig von hier aus vor allem eines: Meer.
Noch sind die Balkone von „Mein Schiff 3“ leer. Zu sehen sein wird künftig von hier aus vor allem eines: Meer. © Sina Schuldt/dpa

Noch liegen die rund 400 Schiffe der weltweiten Kreuzfahrtflotte mit ihren Notbesatzungen in Häfen fest oder treiben in Buchten am Anker auf Reede. Doch schon in ein paar Wochen soll es wieder losgehen. Allerdings dürfte die erfolgsverwöhnte Branche nicht an die Vor-Corona-Zahlen anknüpfen.

Vielmehr geht es darum, die Verluste zu minimieren. Den Branchenführer, die Carnival Corporation, zu der auch die deutsche Aida-Flotte gehört, kostet der Stillstand laut Schätzungen der amerikanischen Kreuzfahrtplattform „Cruise Industry News“ monatlich eine Milliarde Dollar. „Das Coronavirus macht keinen Urlaub, deshalb können wir den Menschen gerade keine Hoffnung machen, dass zu einem bestimmten Datum wieder Kreuzfahrten möglich sind“, sagt Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

Vieles wird anders

Insider rechnen gar damit, dass sich die Branche erst in etwa anderthalb bis zwei Jahren erholt hat. Und klar ist auch: Vieles, was die mehr als 2,5 Millionen deutschen Passagiere im Vorjahr schätzten, dürfte anders sein, um Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten.

Angesichts der aktuellen Einreisebestimmungen und Flugverbindungen scheint ein Start vor allem ab deutschen Häfen mit überwiegend Seetagen möglich. Die beiden größten deutschen Anbieter, Aida in Rostock und TUI Cruises in Hamburg, halten sich allerdings noch bedeckt. „Wir bereiten uns mit unseren Schiffen, unserer Crew und den Kollegen in der Landorganisation darauf vor, wieder zu starten“, sagt auf SZ-Anfrage eine Aida-Sprecherin. „Dazu werden derzeit detaillierte Pläne erarbeitet, die wir gern zu einem späteren Zeitpunkt vorstellen werden.“ Um den Gästen Planungssicherheit zu geben, werde die vorübergehende Unterbrechung der Reisesaison bis Ende Juli 2020 verlängert. TUI Cruises startet nicht vor Mitte Juli.

Die "Costa Smeralda" bietet über 6.000 Passagieren Platz. Sie dürfte erst später zum Einsatz kommen. Auf kleineren Schiffen lassen sich die Abstandsregelungen besser einhalten.
Die "Costa Smeralda" bietet über 6.000 Passagieren Platz. Sie dürfte erst später zum Einsatz kommen. Auf kleineren Schiffen lassen sich die Abstandsregelungen besser einhalten. © Andrea Warnecke/dpa (Archivbild)

Experten gehen von folgenden Szenarien aus: Zunächst kommen die kleineren Schiffe zum Einsatz. Hier lassen sich die Abstandsregelungen besser einhalten. Auch das Ein- und Ausschiffen von mehreren Hundert Passagieren lässt sich leichter abfertigen als das von mehreren Tausend wie auf den neuen Schiffen der „Mein Schiff“-Flotte mit 2.900 Passagieren und gut 5.000 Passagieren auf der Aida-Nova. Zudem ist der wohl unvermeidbare Bedienmodus am Tisch anstatt der beliebten Büfetts einfacher zu handhaben. Ob es Bühnenshows vor Hunderten Gästen gibt, ist fraglich. In Treppenhäusern und Gängen wird Einbahnverkehr eingerichtet werden.

Rein rechnerisch entfallen zwar auf jeden Passagier genug Quadratmeter, um Vorgaben ähnlich der für Händler einzuhalten. „Trotzdem werden wir, ähnlich wie Hotels an Land, nicht mit voller Auslastung starten“, so eine TUI-Sprecherin. Oberste Priorität habe die Gesundheit von Gästen und Besatzung. Geprüft würden zusätzliche infektionspräventive Maßnahmen.

Wobei die Hygienevorschriften an Bord schon immer streng waren. Desinfektionsmittelspender gab es vor allen öffentlichen Bereichen. Unzählige Mitarbeiter reinigten ganztags Klinken, Geländer, Tische und andere Oberflächen. Und die Crews verfügen wegen immer wieder auftretender Norovirus-Erkrankungen an Bord über Erfahrungen im Umgang mit Infektionshäufungen. Dennoch arbeitet der Reedereiverband Clia Deutschland unter anderem mit der WHO an weitergehenden Vorschriften.

Bald wieder Flusskreuzfahrten

Bis diese vorliegen, rüstet jeder selbst auf mit Schutzkleidung, Test-Kits und Fieberthermometern. Eigentlich wollte die Branche die durchschnittliche Reisedauer erhöhen. Doch weniger Anlaufhäfen dürften jetzt mehr Kurzreisen bedeuten und im Zweifel reine Seereisen auf dem offenen Meer. Und es dürften wieder – wie früher – deutsche Ziele wie Helgoland, Borkum oder Sylt in den Fokus rücken. Denn Deutschland gilt als sicher. Man kann zum Hafen in Hamburg oder Warnemünde mit der Bahn reisen, muss nicht fliegen.

Von diesem deutschen Zauber hoffen auch die Anbieter von Flusskreuzfahrten zu profitieren, die auf Rhein, Main und Donau fahren. Ihr Vorteil: Mit nur um die 200 Gästen lassen sich die Hygiene- und Abstandsregeln relativ leicht umsetzen. Die A-Rosa Flussschiff GmbH teilte mit: „Wir planen die Reisen nach Aufhebung der Reisewarnung für 31 europäische Staaten, die für den 15. Juni 2020 vorgesehen ist, wieder aufzunehmen.“

Bereits jetzt steht ein Verlierer der Krise fest. Und das sind die Werften. Die Auftragsbücher sind rechnerisch auf vier Jahre im Voraus gefüllt. Noch wurde kein Auftrag storniert, aber Unternehmen wie die Meyer Werft Papenburg bereiten sich darauf vor, dass die Reedereien die Übernahmen hinauszögern, soweit es die Verträge zulassen. Denn sie haben bereits jetzt zu tun, ihre Flotten auszulasten. An ihrem Standort im finnischen Turku hat die Meyer Werft den Abbau von 450 Stellen beschlossen und den Plan fallen gelassen, jährlich zwei Schiffe, statt eines abzuliefern. An den Standorten in Deutschland, Papenburg und Rostock, gibt es ähnliche Überlegungen. Mit den Zulieferern in der komplexen Wertschöpfungskette steht der deutsche Schiffsbau für rund 200.000 Arbeitsplätze.

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