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Die Träume der Škoda -Dynastie

Škoda prägt die Stadt Mladá Boleslav. Und Familien wie die Mulacs, die hier seit Generationen beim Autobauer arbeiten. Teil 3 der Serie "Wie geht's, Brüder?".

Von Olaf Kittel
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Škoda auf
allen Ebenen: Im Museum von Mladá Boleslav sind die schönsten Modelle aufgereiht. Tereza Mulac und ihr Vater Karel arbeiten dort, ebenso wie Terezas Bruder und einst auch ihre Großeltern.
Škoda auf allen Ebenen: Im Museum von Mladá Boleslav sind die schönsten Modelle aufgereiht. Tereza Mulac und ihr Vater Karel arbeiten dort, ebenso wie Terezas Bruder und einst auch ihre Großeltern. © Matthias Schumann

Mitten im modernen Zentrum von Mladá Boleslav, wo man einkaufen geht und wo in anderen Städten dieser Welt das Rathaus steht oder das Theater, da hat Škoda sich und der Stadt ein gewaltiges Museum aus Beton und Glas gegönnt. Das erste Fahrrad der Firma von 1895 ist hier ausgestellt, das erste Motorrad und natürlich das erste Auto von 1906, ein „Voiturette“. All die anderen Modelle, die seither die Bänder der Škoda-Werke verließen, die „Popular“, „Octavia“, „MB 1000“ oder „Favorit“ sind auf Hochglanz poliert nebeneinander und in einem riesigen Hochregal auch übereinander zu bewundern. 

Familie Mulac kennt jeden Škoda aus dem Effeff, für sie gibt es hier nicht mehr viel zu Staunen. Aber das schneeweiße Cabrio Felicia von 1957 – auch als Roadster 450 bekannt – ist schon ein besonders kultiges Teil. Wir hätten ihn am liebsten gleich mitgenommen.

Man sagt über Leute, die sich besonders für ihre Firma engagieren, sie seien mit ihr verheiratet. Für Familie Mulac wäre das untertrieben, Ehen kann man scheiden. Sie ist seit drei Generationen mit Škoda so eng verbunden, enger geht gar nicht.

In der Nachkriegszeit hat die Oma hier im Chemielabor gearbeitet, der Opa war Werkzeugbauer. Vater Karel Mulac ist in der Unfallforschung tätig. Sein Sohn, der wie Papa und Opa den Namen Karel trägt, lernte in der firmeneigenen Berufsschule und arbeitet jetzt im Kundendienst. Tochter Tereza schließlich studierte an der Škoda-Hochschule Betriebswirtschaft. Sie liebt Zahlen und Statistiken und ist jetzt im Controlling eingesetzt.

So ist das hier. In Mladá Boleslav leben 40.000 Menschen, Škoda hat 20.000 Beschäftigte. Was sonst also? Škoda prägt die Familien und die Stadt. Nicht nur das Museum steht im neuen Zentrum, das ganze Werksgelände, etwa einen mal einen Kilometer groß und eine Stadt für sich, macht sich im Zentrum breit. Dazu die großen Verwaltungsgebäude. Und ringsherum Plattenbauten, fein saniert, da wohnt man als Škoda-Arbeiter.

Das sind die kultigsten Škoda-Modelle aller Zeiten

Der coole Roadster aus der Felicia-Familie von 1957. Tereza Mulac und ihr Vater würden gern damit losfahren.
Der coole Roadster aus der Felicia-Familie von 1957. Tereza Mulac und ihr Vater würden gern damit losfahren. © Matthias Schumann
Vorkriegsware, sehr sportlich.
Vorkriegsware, sehr sportlich. © Matthias Schumann
Schicke Nachkriegsware: der „Tudor“ von 1948.
Schicke Nachkriegsware: der „Tudor“ von 1948. © Matthias Schumann
Kennen wir noch: Škoda 110 R Coupe von 1980.
Kennen wir noch: Škoda 110 R Coupe von 1980. © Matthias Schumann
Der „Fun“ wurde Anfang der 90er-Jahre gebaut.
Der „Fun“ wurde Anfang der 90er-Jahre gebaut. © Matthias Schumann
Heute werden in der Škoda-Produktionshalle der Rapid, Fabia und Superb gebaut.
Heute werden in der Škoda-Produktionshalle der Rapid, Fabia und Superb gebaut. © Matthias Schumann

Für Vater Karel Mulac, heute 57, war deshalb 1982 nach dem Abitur völlig klar, dass er sich bei Škoda bewerben würde. Testfahrer wollte er werden. Damals war aber gerade keine Stelle frei, also nahm er erst mal ein Ingenieurstudium in Angriff. Danach wurde es wieder nichts mit dem Testfahrer, aber immerhin gab es eine Stelle am Fahrwerk-Prüfstand. „Dort habe ich mir dann immer mal eine Testfahrt angewiesen.“

Bei einer dieser Fahrten, er saß zum Glück auf dem Beifahrersitz, gab es einen schweren Unfall, der Fahrer kam ums Leben. Es war in der Zeit, als sein Sohn geboren wurde. Seither arbeitet er hochmotiviert in der Unfallforschung, seit zehn Jahren als Abteilungsleiter. Er und seine Kollegen fahren zu Unfällen im weiten Umfeld, an denen Škodas beteiligt sind und fragen sich, ob neue Systeme den Unfall hätten verhindern können. Ihre Ergebnisse landen direkt in der Entwicklungsabteilung.

Was hat sich verändert bei Škoda, seit Sie 1986 eingestellt wurden, Herr Mulac? Nach dieser Frage ist er nicht zu bremsen: Also, früher wurde immer nur ein Modell gebaut, heute sind es acht in zig Varianten. Dann wartete man damals in der CSSR ein halbes Jahr auf ein neues Auto. Farbe und Sonderausstattung konnte man sich nicht aussuchen, man musste das gute Stück nehmen, wie es kam. „Aber das ging ja noch. Bei euch in der DDR wartete man 15 Jahre auf einen Škoda.“ Stimmt. Seinen ersten S 100, noch mit Heckmotor und 140 Stundenkilometer maximaler Geschwindigkeit, hat Karel Mulac jedenfalls geliebt. „Auch wenn ich für eine Stunde fahren zwei Stunden nachbessern musste.“

An sein erstes Gehalt kann er sich gut erinnern: 1.550 Kronen, also etwa 500 DDR-Mark. Sein Einkommen als Abteilungsleiter heute will er zwar chefmäßig nicht verraten. Aber das Durchschnittsgehalt bei Škoda ist bekannt. Es liegt bei 2.000 Euro, plus meist üppiger Bonuszahlungen für alle. Das ist für VW-Verhältnisse, Škoda gehört ja dazu, recht wenig, für tschechische Verhältnisse aber weit überdurchschnittlich.

Vater und Tochter bestätigen, dass im Werk über die Gehaltsunterschiede schon mal diskutiert werde, sie aber kein großes Thema seien. Immerhin, meint Tereza Mulac, kann man hier ja auch preiswerter leben als in Wolfsburg oder Zwickau. Die Familie kennt sich damit aus, sie hat alte Freunde in Plauen. Ein bisschen neidisch auf die Deutschen sind sie nur, weil sie sich öfter Auslandsurlaub leisten können.

Allerdings ist jeder Škoda-Werker gut beraten, meint Tereza, sich ein Häuschen zu bauen oder außerhalb von Mladá Boleslav eine Wohnung zu beschaffen. Oder wie sie in einer WG zu leben. Hier in der Stadt haben die Mieten Prager Verhältnisse erreicht und unterscheiden sich von den deutschen nicht mehr wesentlich. Für eine Zweiraumwohnung von 50 Quadratmetern in der sanierten Platte muss man umgerechnet etwa 450 Euro hinlegen.

Gesichert wie ein Hochsicherheitstrakt

Ihrem Vater ist inzwischen noch ein wichtiger Unterschied zu früheren Zeiten eingefallen: „Damals haben wir morgens den Tag beraten und in Ruhe einen Kaffee getrunken. Geht jetzt nicht mehr. Die Beratung gibt es auf die Schnelle, wenn der halbe Tag schon rum ist.“ Außerdem hat VW schon kurz nach dem Škoda-Kauf verfügt, dass alle Arbeitsschritte im Werk bis ins Detail vorher festgelegt und protokolliert werden müssen. Ein gewaltiger Aufwand.

Es ist nicht ganz leicht, sich vom VW-Takt bei Škoda zu überzeugen. Die Presseverantwortlichen wollten uns zunächst unter Verweis auf neue Modelle wochenlang nicht in die Endfertigung lassen. Vor Ort klappt es dann doch.

Zunächst ist die Škoda-Stadt in der Stadt gesichert wie ein Hochsicherheitstrakt. Wachschutz in Uniform vor Schlagbäumen verlangen Ausweise und Genehmigungen. Die Montagehalle selbst ist gigantisch groß. Eine einzige Produktionslinie windet sich durch die Halle, hier werden täglich 1.140 Autos produziert, zurzeit der „Fabia“, der „Rapid“ und der nagelneue „Scala“, den Motorjournalisten für den neuen Golf-Konkurrenten halten.

Der Koordinator der Taktstraße, František Helikar, zeigt, wie hier sekundengenau Motorblöcke eingesetzt und Sitze eingebaut werden, Türen einschweben. Nicht jedem Mitarbeiter ist nach Lächeln für die Kamera zumute. 1.700 Monteure arbeiten in drei Schichten von Sonntag Abend bis Sonnabend früh. Darunter auch viele Osteuropäer wie Gabriela Leturescu aus Rumänien, die am Band in die fertigen Pkw das erste Benzin einfüllt. Sie verdient hier deutlich mehr als daheim und nimmt dafür die Fremde und die langen Fahrten in die Heimat in Kauf.

Škoda hat in diesem Sommer nicht nur ein neues Modell aufgelegt, sondern auch den Einstieg in die Elektromobilität begonnen. Karel Mulac findet das „super“, auch wenn er Bedenken hat, dass das jetzt alles zu schnell geht. Gerade in Tschechien ist die Ladeinfrastruktur noch fast gar nicht vorhanden. Trotzdem wird jetzt schon mal der kleine „Citigo“ mit Elektroantrieb gebaut. Den großen „Superb“ gibt es demnächst erstmal als Hybrid.

Kunden erwarten das. Und wenn noch nicht in Tschechien, dann vielleicht in Deutschland, lange Zeit das Land, in dem die meisten Škodas verkauft wurden. Auf jeden Fall aber in China, inzwischen auch für den tschechischen Autobauer die klare Nummer eins.

Auch Familie Mulac stellt sich planmäßig auf die Zukunft ein. Vater Karel hat ausgerechnet, dass er noch acht Jahre bis zur Rente hat. Bis dahin will er noch ein Einfamilienhaus für sich und seine Frau bauen, er schafft das weitgehend selbst. Obwohl er schon eines hat. In dem neuen, kleineren Haus will er die Rente genießen, das größere stellt der gute Papa seinen Kindern zur Verfügung. Die Mieten sind ja, wie gesagt, ziemlich hoch.

Der Zeitplan könnte aufgehen. Tereza, heute 30, träumt von einer eigenen Familie und Kindern. Vielleicht, könnte ja möglich sein, wächst dann hier die vierte Škoda-Generation der Familie Mulac heran.

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