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Spurensuche nach Kindermord in Dresden

Die Beziehung war in die Brüche gegangen, die Firma lief schlecht. Nun soll Laurent F. seinen Sohn und seine Tochter getötet haben. Wie konnte es so weit kommen?

Von Alexander Schneider & Christoph Springer & Melanie Schröder
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Die Polizei suchte auch auf der Terrasse der Wohnung auf einem Garagendach nach Spuren.
Die Polizei suchte auch auf der Terrasse der Wohnung auf einem Garagendach nach Spuren. © xcitepress

Laurent F. hat seine Familie ausgelöscht. Am Donnerstagabend hat er seine zwei und fünf Jahre alten Kinder umgebracht. Davon gehen Polizei und Staatsanwaltschaft nach ihren bisherigen Ermittlungen aus. Anwohner hörten Schreie und alarmierten gegen 19 Uhr die Polizei. Die Beamten nahmen den gebürtigen Franzosen in der Nähe des Tatorts fest. Er war selbst verletzt. Seine Frau kam ins Krankenhaus. Noch in der Nacht hat die Mordkommission Ermittlungen aufgenommen. Auch am Freitag waren die Spezialisten noch vor Ort. Sie hatten das Grundstück an der Ecke Stetzscher Straße/Turnerweg in der Neustadt abgesperrt und sicherten akribisch alle Spuren, die mit dem Verbrechen in Zusammenhang stehen könnten.

Laurent F. stammt aus Frankreich. Er zog Nachbarn zufolge vor etwa zehn Jahren in die Stetzscher Straße 3 und wohnte dort in einem Extragebäude neben dem vierstöckigen Mietshaus. An der Briefkastenanlage steht sein Name, darüber der seiner Firma. Laurent F. war Bauunternehmer, ein Spezialgebiet seiner Firma unter anderem Sanierungsarbeiten. Zunächst lebte er allein, später mit einer jungen Afrikanerin zusammen. Sie stammte aus dem Senegal und sprach wie ihr Lebensgefährte Französisch. Marieta S. und der Verdächtige heirateten im August 2015, die heute 26-Jährige ist die Mutter seiner zwei Kinder. Sie zog zu ihrem Mann in die Neustadt, mehrere Jahre lebte das Paar zusammen in dem zweistöckigen Flachbau an der Stetzscher Straße.

Nachbarn beschreiben den 55-Jährigen als freundlich und kommunikativ. „Ich kannte den Mann“, sagte Wolfgang Madai, der nebenan auf der Turnerstraße wohnt. „Wir haben uns immer zugewunken.“ Das Leben habe sich viel auf der Terrasse abgespielt, die Laurent F. im ersten Stock des Nebenhauses auf einem Garagendach eingerichtet hatte, erzählte ein anderer Nachbar. Der 55-Jährige habe immer freundlich gegrüßt, in den letzten Jahren sei der Kontakt aber weniger geworden.

Der Verdächtige lebte in einem Nebengebäude dieses vierstöckigen Mietshauses an der Ecke Stetzscher Straße/Turnerweg.
Der Verdächtige lebte in einem Nebengebäude dieses vierstöckigen Mietshauses an der Ecke Stetzscher Straße/Turnerweg. © xcitepress

Die Firma des gebürtigen Franzosen lief schlecht, Laurent F. hatte Mietschulden. Ursprünglich war er der Besitzer des Hauses gewesen, in dem er wohnte, später hat er es verkauft und wohnte dort zur Miete. „Er hat mal erzählt, dass es wirtschaftlich schwierig sei“, sagte Wolfgang Madai. Die Beziehung zu seiner Frau ging in die Brüche, die gebürtige Senegalesin zog aus und wohnte mit ihren Kindern fortan in der Friedrichstadt. Doch sie war immer wieder zu Besuch auf der Stetzscher Straße, auch mit den Kindern. So, wie am Donnerstag, an dem es offenbar zum Streit zwischen den Eheleuten gekommen ist. Wolfgang Madai beschreibt den 55-Jährigen als sehr emotionalen Menschen, der schnell laut wird. „Auf der Terrasse hat man ihn auch mal schreien gehört, aber das gehörte wohl zu seiner impulsiven, vielleicht auch cholerischen Art.“

Die Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt. Auch nachdem der Haftbefehl wegen des Verdachts des Mordes in zwei Fällen gegen L. ausgesprochen worden war, teilte Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt keine weiteren Details zu der Tat mit, weder zum Motiv, noch zur Tatwaffe. Die Rede ist lediglich von „gewaltsamen Tod von zwei Kindern“. Auf Nachfrage sagte Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt, der Behördensprecher: „Das Motiv ist noch nicht sicher.“

Beobachter berichteten von einer blutverschmierten Wand. Die Kriminalpolizei war mehr als zwölf Stunden damit beschäftigt, Spuren zu sichern. Auch in den Mülltonnen vor dem Haus suchten die Ermittler nach verwertbaren Hinweisen.

Schon wieder hat ein Vater in Dresden seine Kinder getötet. Erst im Juli 2018 soll ein 56-jähriger Krankenpflegehelfer seine drei und sechs Jahre alten Töchter in Gorbitz ermordet haben. Der Prozess gegen Eduardo A., der Anfang der 80er-Jahre als Vertragsarbeiter aus Mosambik nach Sachsen kam, läuft seit Ende März am Landgericht Dresden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass A. seine Kinder aus Rache an der von ihm getrennt lebenden Mutter getötet hat. Aus dem gleichen Motiv hat auch ein 36-jähriger Dresdner im Januar 2018 seine dreijährige Tochter ermordet. Er wurde noch 2018 verurteilt. Er muss eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verbüßen. Es ist das übliche Strafmaß für Mord.

Am Abend rückte der Rettungsdienst an. Für die Kinder kam jede Hilfe zu spät, die Frau des Verdächtigen wurde in ein Krankenhaus gebraucht.
Am Abend rückte der Rettungsdienst an. Für die Kinder kam jede Hilfe zu spät, die Frau des Verdächtigen wurde in ein Krankenhaus gebraucht. © xcitepress