SZ + Dresden
Merken

Krebsgefahr: Auf die Alarmzeichen gehört

Mandy Rösler hatte Bauchschmerzen und ging zum Arzt. Heute lebt die Dresdnerin fast komplett ohne Bauchspeicheldrüse.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Jetzt ist alles gut: Chefarzt Sören Torge Mees vom Friedrichstädter Krankenhaus hat Mandy Rösler behandelt. Bei der Dresdnerin wurde ein Tumor in der Bauchspeicheldrüse festgestellt.
Jetzt ist alles gut: Chefarzt Sören Torge Mees vom Friedrichstädter Krankenhaus hat Mandy Rösler behandelt. Bei der Dresdnerin wurde ein Tumor in der Bauchspeicheldrüse festgestellt. © Sven Ellger

Manche Entscheidungen verändern das Leben für immer. Mandy Rösler weiß: Das hier ist so eine Entscheidung. Im Sommer dieses Jahres finden Ärzte bei ihr eine Zyste in der Bauchspeicheldrüse, etwa halb so groß wie ein Tennisball. Ein Zufallsbefund, denn eigentlich sollte bei der Ultraschalluntersuchung die Niere unter die Lupe genommen werden. Sie muss sich entscheiden: Lasse ich mir die Bauchspeicheldrüse entfernen und riskiere eine lebenslange Zuckerkrankheit oder lebe ich weiter mit dem Organ und dem Gedanken, dass ich Krebs bekommen könnte?

„Der Arzt fragte mich beim Ultraschall: Wissen Sie eigentlich, dass Sie eine Zyste an der Bauchspeicheldrüse haben? Ich habe ihn nur entsetzt angeguckt“, erzählt die 36-jährige Dresdnerin. Das Problem: Die Mediziner können ihr nicht versichern, dass die Zyste gutartig ist. „Nach dem MRT hat man mir gesagt, dass es gutartig aussehe, aber doch die Möglichkeit bestehe, dass es umschlägt“, erinnert sich Mandy Rösler.

Bei Zysten handelt es sich um Hohlräume, die mit Flüssigkeiten gefüllt sind. Sie können sich beispielsweise in der Haut, der weiblichen Brust, in Eierstöcken, im Gehirn oder in Bauchorganen bilden. In der Bauchspeicheldrüse können sie das Ergebnis einer Entzündung sein. Oft sind sie harmlos. In manchen Fällen handelt es sich aber um Tumore, das heißt, sie wachsen. Und sie können bösartig werden.

Über diese Unsicherheit müssten Patienten und Ärzte sehr intensiv miteinander sprechen, sagt Professor Sören Torge Mees, Chefarzt der Bauchchirurgie am Städtischen Klinikum in Friedrichstadt. Warten und beobachten, ob die Zyste weiterwächst, oder sofort operieren – was ist besser? Ein Punkt spricht bei Mandy Rösler für eine OP. Die Zyste bereitet ihr Schmerzen. Sie ist so groß, dass sie auf den benachbarten Magen drückt. Die Nahrung kann nicht mehr ungehindert in den Dünndarm rutschen. Erst dachte die Dresdnerin, ihr Magen sei durch die Schmerztabletten gereizt, die sie jeden Tag wegen ihrer Schulter nehmen muss. „Zuletzt konnte ich kaum noch essen, weil mir ständig übel war. Sobald ich was zu essen sah, verging es mir.“

Ein Ultraschall kann Leben retten

Mandy Rösler wird operiert. Der größte Teil der Bauchspeicheldrüse wird ihr in einem minimalinvasiven Eingriff entfernt. Nach gut einer Woche kann sie das Krankenhaus wieder verlassen – rund zwei Monate ist das inzwischen her. Bis heute habe sich kein Diabetes entwickelt, sagt sie. Probleme habe sie lediglich mit fettigem Essen. Um das zu vertragen, nimmt sie Enzymkapseln ein. „Ohne Leber kann man nicht leben, ohne Bauchspeicheldrüse schon, weil man beide Hauptfunktionen – die Insulin-Produktion und Verdauungsenzyme-Produktion – über Tabletten oder Insulingaben ersetzen kann“, sagt Mees. Damit könne man alt werden.

Nicht nur Zysten, auch die festen Bauchspeicheldrüsen-Tumore, die durch ständige Alkohol- und Nikotinreize, aber auch abgehende Gallensteine und genetische Faktoren entstehen können, ließen sich operieren, wenn sie früh erkannt werden, sagt der Chefarzt.

Symptome tauchten aber oft zu spät auf, da das Organ so tief im Bauch eingebettet sei, dass Tumore lange unbemerkt wachsen könnten, häufig zum Rücken zu. „Viele Patienten kommen mit Rückenschmerzen oder Fettstühlen in die Klinik, dann sind die Tumore aber meist schon fortgeschritten.“ Gelbe Haut und gelbe Augen könnten auch Hinweise auf Bauchspeicheldrüsenkrebs sein. Zwischen zehn und zwanzig Prozent der Patienten seien letztlich Kandidaten für eine OP. Bei anderen könne man mit aggressiver Chemotherapie versuchen, den Tumor so weit zu schmelzen, dass er operabel wird. Ja, die Überlebensraten bei Bauchspeicheldrüsenkrebs seien besser als früher, aber im Vergleich zu anderen Krebsarten immer noch sehr ernüchternd, so Mees. „Wenn man Patienten mit Bauch- und Rückenschmerzen etwas raten kann, dann dass eine Ultraschall-Untersuchung beim Hausarzt oder beim Internisten durchaus Chancen hat, Tumore in der Bauchspeicheldrüse zu finden.“ Falls man nichts sehe, vielleicht auch weil die Patienten etwas beleibter sind, sollte man den nächsten Schritt gehen und ein CT oder MRT veranlassen, um den Verdacht aus der Welt zu schaffen.

Mandy Röslers Prognose sehe sehr gut aus, sagt Mees. Rezidive, also neue zystische Tumore, seien bei ihr unwahrscheinlich. Wer ein Rückfallrisiko habe, werde alle sechs Monate über MRT-Aufnahmen kontrolliert. „Hätte mein Arzt die Ultraschall-Untersuchung nicht gemacht, hätte man die Zyste wahrscheinlich immer noch nicht entdeckt“, sagt Mandy Rösler. Die junge Frau nimmt jetzt wieder ihre Umschulung zur Kauffrau im Gesundheitswesen in Angriff.

Zum Welt-Pankreaskrebstag an diesem Donnerstag strahlt das Städtische Klinikum mit Einbruch der Dunkelheit das Marcolini-Palais an der Friedrichstraße lila an. Das Universitätsklinikum Dresden lässt ab 18 Uhr den Kulturpalast lila erstrahlen.

Ein tückischer Krebs

Der Bauchspeicheldrüsenkrebs ist aktuell die vierthäufigste krebsbedingte Todesursache in Europa. Er weist unter allen Krebsarten die schlechteste Überlebensrate auf. In den meisten Fällen ist der Tumor bereits fortgeschritten, wenn er diagnostiziert wird. 

Im Raum Dresden wurde Bauchspeicheldrüsenkrebs 2017 insgesamt 392-mal diagnostiziert, mehr als doppelt so häufig wie noch 2008, wie aus dem Dresdner Krebsregister hervorgeht. Damit rangiert er auf Platz sechs der häufigsten Krebsarten in der Region. Davor liegen unter anderem bösartige Neubildungen der Haut (6.304-mal), der Brust (1.292) und der Prostata (1.159).

1 / 2