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Die Hüterin der Kleingartengesetze

Im Dresdner Verein von Simone Paul sieht man keine großen Pools und kein Unkraut auf den Wegen. Den jüngsten Sparten-Wettbewerb hält sie für eine Farce.

Von Henry Berndt
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Simone Paul legt Wert auf die Einhaltung der Kleingartenregeln. Nur so könne die Gemeinschaft langfristig erhalten bleiben.
Simone Paul legt Wert auf die Einhaltung der Kleingartenregeln. Nur so könne die Gemeinschaft langfristig erhalten bleiben. © René Meinig

Dresden. Ein riesiger Pool auf grüner Wiese - im Kleingartenverein "Freudenberg" in Dresden-Strehlen würde es so etwas nicht geben. Zumindest nicht lange. Äußerst kritisch verfolgten Vereinschefin Simone Paul und ihre Mitstreiter aus dem Vorstand in den vergangenen Wochen die Diskussion über die Größe von Planschbecken und mögliche Ausnahmen für gestresste Heimat-Urlauber in der Corona-Saison. 

Einige Dresdner Kleingärtner hätten die Debatte nur zu gern zum Anlass genommen, auch gleich andere Kleingartengesetze auf den Prüfstand zu stellen. 

Simone Paul hat dafür nur Kopfschütteln übrig. "Die Gesetze sind nun mal da und müssen eingehalten werden", sagt sie und zitiert gern aus der Sächsischen Rahmenkleingartenordnung, die erst im vergangenen November beschlossen wurde. 

Unter Punkt 3.7 heißt es in dem Dokument, transportable Badebecken dürften ein Fassungsvermögen von maximal drei Kubikmetern und eine maximale Füllhöhe von 50 Zentimetern nicht überschreiten. 

"Nun frage ich mich: Was ist denn daran misszuverstehen", sagt die 61-Jährige, die den Vorsitz vor zwei Jahren übernahm. Niemand in ihrem Verein habe etwas gegen ein kleines aufblasbares Becken, aber wer schwimmen wolle, der könne dafür doch ins Freibad gehen.

Gerade Wege, keine Fahnenmasten: In der Anlage "Freudenberg" in Strehlen ist die Kleingartenwelt noch in Ordnung.
Gerade Wege, keine Fahnenmasten: In der Anlage "Freudenberg" in Strehlen ist die Kleingartenwelt noch in Ordnung. © René Meinig

Zwischen naturnahem Gärtnern und Unkraut-Dschungel liegt manchmal nur eine unterschiedliche Perspektive. In der Anlage "Freudenberg" sind die meisten Wege gerade, Tomaten, Zwiebeln und Brokkoli wachsen in Reihe und die kleinen Rasenflächen sind gemäht. Fahnenmasten sind verboten. "Nicht alles, was im Baumarkt angeboten wird, gehört in den Kleingarten", betont Fachberater Gunter Jork.

Wenn jeder auf seiner Parzelle mache, was er wolle, dann sei auf Dauer die Gemeinschaft als Ganzes in Gefahr. Dann würden die Besitzer der Grundstücke, ob Stadt oder Privatleute, nämlich irgendwann mal genauer hinschauen und womöglich Konsequenzen ziehen, die kein Gärtner wolle.

Im "Freudenberg", der kommendes Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert, ist die traditionelle Kleingartenwelt noch in Ordnung. "Vielleicht liegt das auch an unserem vergleichsweise hohen Altersschnitt von 58 Jahren", sagt Sabine Paul. "Bei den Älteren gibt es noch mehr Disziplin als bei den jungen Leuten."

Warteliste für Garten-Bewerber

Trotzdem wolle man sich natürlich für die jungen Familien öffnen. Am gerade frisch renovierten Vereinsheim gibt es einen kleinen Spielplatz und ein Insektenhotel, das seinesgleichen sucht. Die Oster- und Winterfeuer und das Erntedankfest im Herbst ziehen jedes Jahr viele Besucher aus den umliegenden Vierteln an.

Wer eine Parzelle im Verein übernehmen wolle, muss derzeit mit einem Platz auf der Warteliste vorliebnehmen. Entsprechend genau schaut der Vorstand bei der Vergabe hin: Will dieser Bewerber sich kleingärtnerisch betätigen - oder will er sich vor allem im Liegestuhl entspannen und ab und zu mal Party machen?

Die Priorität muss schon passen. "Es gibt Dinge, die sind nicht interpretierbar", sagt Schatzmeister Mario Seifert und nennt als Beispiel die Regelung zum Anbau von Obst und Gemüse. Mindestens ein Drittel der Parzellenfläche müsse dafür reserviert sein. "Und dabei sollten das gefühlte Drittel und das tatsächlich Drittel möglichst nahe beieinander liegen."

Das imposante Insektenhotel lockt nehmen Bienen auch naturbegeisterte Passanten an.
Das imposante Insektenhotel lockt nehmen Bienen auch naturbegeisterte Passanten an. © René Meinig

Den Mitgliedern sei daher ans Herz gelegt worden, doch wirklich mal mit einem Zollstock ihre Beete auszumessen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel Anbaufläche sie bewirtschaften. Inzwischen würden die knapp 100 Gärtner in der Anlage ihre Rechte und Pflichten kennen - und sich in großer Mehrheit daran halten. Zur Sicherheit sei zuletzt allen die neue Rahmenkleingartenordnung zugestellt worden.

Am liebsten hätte der Vorstand auch die Gartenfreunde aus der Anlage "Am Waldrand" an das Regelwerk erinnert. Die Sparte nahe der Grenze zu Radebeul gewann jüngst den Wettbewerb "Schönste Kleingartenanlage Dresdens“. Für Simone Paul war das allerdings "eine totale Fehlentscheidung" und "absolut unverständlich".

"Tabak-Anbau kann doch kein Vorbild sein"

Ein Verein, der stolz auf das Unkraut auf seinen Wegen sei, der den Anbau von Getreide und Tabak unterstütze und seinen Mitgliedern völlig freie Hand bei ihrer Gartengestaltung lasse, könne doch nicht als Vorbild für andere Kleingärtner dienen.

Fachberater Gunter Jork präsentiert auf seinem Handy ein Foto, das er beim Rundgang durch die Anlage "Am Waldrand" aufgenommen habe. Es zeigt hohe Koniferen, zwischen denen ein weißer Toilettensitz steht. "Soll das wirklich preiswürdig sein", fragt Jork. 

Und diese Wege voller Unkraut. "Es gibt doch Anliegerpflichten", sagt Simone Paul. Laut Kleingartenordnung habe jeder Pächter die an seine Parzelle grenzenden Wege bis zur Wegmitte zu pflegen. Wenn in der Anlage "Freudenberg" auf einmal Unkraut durch den grau-blauen Schotter sprießen würde, "da würden sich die Leute doch wundern", sagt sie. "Das sind sie von uns nicht gewohnt."

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