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Kaum gefahren - schon gestohlen

Kerstin Schlüter muss jetzt in Görlitz mit Bus statt Rad zur Arbeit fahren. Damit ist sie nicht allein, die Zahl der E-Bike-Diebstähle steigt in der Oberlausitz.

Von Susanne Sodan
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Daniel Reichstein zeigt ein Fahrradschloss, das mit Alarmsignal ausgestattet ist
Daniel Reichstein zeigt ein Fahrradschloss, das mit Alarmsignal ausgestattet ist © Nikolai Schmidt

Eine seltene Nachricht: Zwei gestohlene E-Bikes haben ihren Weg zurück zu ihren Besitzern gefunden. Nachdem die Räder am Donnerstag aus einem Mehrfamilienhaus in der Görlitzer Innenstadt verschwunden waren, entdeckten Mitarbeiter des städtischen Bauhofes sie am Freitag auf einem Spielplatz. Kerstin Schlüter dagegen hat ihr E-Bike nicht mehr wiedergesehen. Am. 20. Juni ist ihres gestohlen worden.

E-Bike extra aus Ulm nach Görlitz geholt

Vor Kurzem erst ist sie von Ulm nach Görlitz gezogen. "Das E-Bike hatte ich extra noch hergeholt, um es hier zu nutzen", erzählt sie. Kurz nach ihrem Umzug war das Rad noch in Ulm bei Verwandten gelagert. "Aber ich habe es wirklich vermisst", erzählt sie. "Es war ein Geschenk, und ich bin echt gerne damit gefahren", zum Beispiel zur Arbeit. "Ich habe keinen Führerschein. Für mich war das Bike ein bisschen wie für andere vielleicht das Auto." Deshalb war Kerstin Schlüter extra noch einmal nach Baden-Württemberg gefahren, um es per Bahn nach Görlitz zu holen. 

Hier wohnt Kerstin Schlüter an der Schillerstraße. Ihr Cube-Bike hatte sie im Hinterhof an der Regenrinne gesichert. Mit drei Schlössern. "Ich glaube, die alleine haben 160 Euro gekostet." Nur wenige Tage, nachdem sie das Rad nach Görlitz geholt hatte, war es fort. "Nicht mal ein Schräubchen lag auf dem Boden." Nur den Akku hat Kerstin Schlüter noch, den hatte sie immer mit in die Wohnung genommen. "Ich bin dann an dem Tag mit dem Bus zur Arbeit gefahren." So hält sie es bis heute. 

32 Diebstähle in neun Wochen gemeldet

Akku und Display, sofern nicht fest erbaut, immer mitnehmen, rät auch die Polizei. Denn ohne nutzt das Rad, gerade bei hochwertigen Bikes, weniger. Zudem, erklärt Polizeisprecherin Katharina Korch, sind die Akkus mit Individualnummer gekennzeichnet, die im Fall des Diebstahls bei der Fahndung helfen kann. 

Auffällig häufig ist in den Polizeimeldungen dieser Tage von E-Bike-Diebstählen zu lesen. Die Polizei bestätigt, dass in jüngster Zeit die Zahl nach oben gegangen ist. Voriges Jahr zwischen dem 13. Juni und dem 19. August sind im Bereich der Polizeidirektion Görlitz 24 E-Bike-Diebstähle gemeldet worden. Insgesamt waren es 456 Fahrräder, dazu kommen 26 Diebstahlversuche, bei denen die Täter aber scheiterten.  Innerhalb des gleichen Zeitraums dieses Jahr kam es zwar zu deutlich weniger Fahrraddiebstählen insgesamt, 352 - aber es waren mehr E-Bikes dabei: 32.  

"Die örtlichen Schwerpunkte konzentrieren sich auf die größeren Städte und Gemeinden in der Polizeidirektion Görlitz", sagt Katharina Korch. Ganz vorn in der Liste: Görlitz und Hoyerswerda, gefolgt von Zittau, Bautzen, Ebersbach-Neugersdorf und Weißwasser. "Es wurden sowohl gesichert abgestellte als auch ungesicherte Fahrräder entwendet."

Fahrrad gegen Drogen

Immer wieder vermeldete die Polizei in letzter Zeit auch, dass Räder von Fahrradgepäckträgern entwendet wurden. "Obwohl die Fahrräder dort in der Regel gesichert sind, haben die Täter leichtes Spiel, die Sicherung zu manipulieren", erklärt Katharina Korch. Deshalb haben Beamte der Soko Argus in den vergangenen Wochen öfter Hotels und Pensionen in Görlitz aufgesucht. "Ziel war es, die Betreiber mit der Problematik vertraut zu machen, damit sie ihren Gästen Hinweise zur Sicherung der mitgeführten Bikes geben", oder sichere Angebote zur Unterbringung der Räder machen, etwa im Keller oder Abstellraum. 

Bei den ermittelten Tätern hatte es die Polizei oft mit Drogenabhängigen zu tun. "Häufig erhärtet sich der Verdacht, dass das Diebesgut verkauft und der Erlös in Drogen umgesetzt wird", erklärt Katharina Korch. Oder das Rad direkt gegen Drogen getauscht wird. Regelmäßig gehe es aber auch darum, mithilfe gestohlener und verkaufter Räder den Lebensunterhalt zu bestreiten. "Von gezielten Diebstählen mit Auftrag dürfte in weniger Fällen auszugehen sein", so Katharina Korch. 

Neuester (lauter) Schrei: Alarmschlösser

Sicherung ist auch bei Little John Bikes in Görlitz ein immer größeres Thema. Früher, erzählt Geschäftsführer Daniel Reichstein, plante man etwa zehn Prozent des Fahrradwertes für die Sicherung ein. "Das hat sich verändert", sagt er. Wer 2.000 Euro und mehr für ein E-Bike bezahlt, dem sei in der Regel auch bewusst, dass er eine entsprechende Sicherung braucht. "Es gibt zum Beispiel Alarmschlösser mit einer integrierten Alarmanlage", erklärt Reichstein eine Möglichkeit. "Die sind sehr wuchtig, das schreckt erst mal ab." Aber für den Besitzer seien sie noch ganz gut zu handhaben. Eine Schwierigkeit bei dem ganzen Thema: "Richtig dreiste Diebe nehmen das ganze Rad mit. Gegen die ist schwer was zu machen." 

Daniel Reichstein vermutet, dass die zum Vorjahr gestiegene Diebstahlszahl auch mit der steigenden Beliebtheit und Nutzung von E-Bikes zu tun hat. Dass mehr Gelegenheit letztlich auch mehr Diebe macht. Aber zu leicht brauche man es denen nicht zu machen. 

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