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Kommt die Solarproduktion nach Deutschland zurück?

Der Schweizer Konzern Meyer Burger erwägt eine große Fertigung. Offen ist, wo die Fabrik entsteht.

Von Nora Miethke
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Erlebt die Herstellung von Solarzellen in Deutschland ein Revival?
Erlebt die Herstellung von Solarzellen in Deutschland ein Revival? © imago images

Die Solarindustrie war einst ein Hoffnungsträger für den wirtschaftlichen Aufschwung in Ostdeutschland. Bis die chinesische Konkurrenz dank hoher Staatssubventionen und gut funktionierender Fertigungslinien aus Deutschland Solarmodule preiswerter anbieten konnte. Geliefert wurden die Produktionsanlagen unter anderem von der Roth & Rau AG aus Hohenstein-Ernstthal. 2011 verkauften die Gründer den sächsischen Solar-Maschinenbauer an die Schweizer Unternehmensgruppe Meyer Burger Technology AG. Und ausgerechnet Meyer Burger will die Produktion von Solarmodulen in Europa wiederbeleben.

Bislang haben die Schweizer die Maschinen für die Fertigung von Solarmodulen geliefert. Jetzt wollen sie diese selbst herstellen. Die Meyer Burger Technology AG prüft derzeit Optionen für den Bau einer Gigawatt-Fabrik für hocheffiziente Solarzellen und Solarmodule. Dies bestätigte der Verwaltungsrat den Aktionären auf der Hauptversammlung. Das Unternehmen konzentriere sich im Zuge der Überprüfung von Optionen für eine Neuausrichtung primär auf den Aufbau einer eigenen Zell- und Modulfertigung in Europa – insbesondere Deutschland. Gespräche über konkrete Finanzierungsoptionen laufen bereits. „Der Einstieg in eine eigene, großskalierte Fertigung soll Meyer Burger ermöglichen, künftig direkt von der Technologie- und Kostenführerschaft der proprietären, patentgeschützten Heterojunction/Smartwire-Technologie zu profitieren“, begründete das Unternehmen die Pläne. Mit der Eigenproduktion wolle Meyer Burger zudem einen signifikanten Beitrag zur Senkung der Treibhausgase sowie Effizienzsteigerung der erneuerbaren Energien leisten.

Installiert werden könnten die Solarmodule als erstes Projekt in einem schwimmenden Solarpark mit zehn Gigawatt Leistung im Tagebauloch Hambach im Rheinischen Revier. Diesen Vorschlag machte der neue Vorstandschef von Meyer Burger, Gunter Erfurt, Anfang Mai in einem Interview im Radio Rur und bekam dafür die Unterstützung aus der Wissenschaft. Der Direktor des Instituts für Energie- und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich, Uwe Rau, nannte die Idee ebenfalls im Radio Rur-Interview „perfekt und absolut realisierbar“. „Wenn wir statt der Kohlekraftwerke einen Solarpark im Tagebau installieren, wäre das ein doppelter Vorteil: Die Stromtrassen könnten bestehen bleiben. Wir müssten Strommasten und Leitungen, die von den heutigen Kohlekraftwerken wegführen, nicht abbauen und woanders wieder aufbauen“, so der Forscher.

Aber warum soll es jetzt mit einer international wettbewerbsfähigen Solarindustrie klappen? Die Antwort steckt in der Technologie, die in Deutschland mit Forschungsgeldern vom Bund entwickelt wurde. Hinter dem sperrigen Namen Heterojunction/SmartWire verbergen sich zwei Verfahren, die kombiniert werden. Bei Heterojunction werden die Vorteile kristalliner Silizium-Solarzellen mit denen von Dünnschichttechnologien kombiniert, sodass Solarzellen herauskommen, die nach eigenen Angaben Rekordwerte bei der Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie erzielen. Smartwire heißt das Verfahren, wie aus den Solarzellen ein Solarmodul wird. Es kommt mit einem deutlich geringeren Energieverbrauch und weniger Prozessschritten aus als bisher übliche Produktionsverfahren. Beide Verfahren zusammen schaffen, dass auf weniger Fläche mehr Strom erzeugt wird und das zu niedrigeren Produktionskosten „Das rechnet sich für Anlagen jeder Größe, vom Hausdach bis zum Mega-Solarpark“, betont eine Sprecherin von Meyer Burger. Von so niedrigen Produktionskosten, wie sie mit der neuen Technologie möglich sind, seien die Hersteller in China weit entfernt, heißt es. Und diesen Vorsprung will Meyer Burger nun selbst nutzen.

Wie hoch die Investitionskosten für den Aufbau einer solchen Fertigung sind, kann das Unternehmen mit 900 Beschäftigten, davon 400 in Hohenstein-Ernstthal, nicht beziffern. Noch stehe nicht fest, ob und wo die neue Fabrik tatsächlich gebaut wird. Im Interview mit Radio Rur hatte sich Erfurt zuversichtlich gezeigt, dass es ein erkennbares Interesse seitens der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gebe, ein solches Projekt zu realisieren.

Und wie sieht es mit dem Interesse in Sachsen aus? Denn immerhin gibt es im Freistaat Fachkräfte wie die ehemaligen Beschäftigten von Solarworld in Freiberg, die Erfahrungen mit der Produktion von Solarmodulen haben. Und Tagebauflächen für Solarparks stünden auch zur Verfügung. „Die Technologie ist spannend. Wenn es ein solides, nachhaltiges Geschäftskonzept gibt, sind wir natürlich bereit, es mit dem uns zur Verfügung stehenden Förderinstrumentarium zu unterstützen“, sagt Staatskanzleichef Oliver Schenk.

Doch der Staat kann nicht sämtliche Risiken tragen. Die Banken haben sich bei der Finanzierung der deutschen Solarfirmen massiv die Finger verbrannt und sind jetzt sehr zurückhaltend. Sie ins Boot zu holen, ist die Herausforderung, die Gunter Erfurt bewältigen muss.