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Mitten in der Corona-Krise: Großauftrag für Waggonbau

Güterwaggons für Österreich entstehen in Niesky. Der Waggonbau denkt eher an neue Jobs als Entlassungen. Zuversichtlich gibt sich auch der Stahlbau-Nachfolger.

Von Frank-Uwe Michel
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Matus Babik hat einen Großauftrag aus dem Tatravagonka-Stammwerk nach Niesky gelotst. Bis zu drei Waggons für den Containertransport sollen künftig jeden Tag das Werk verlassen.
Matus Babik hat einen Großauftrag aus dem Tatravagonka-Stammwerk nach Niesky gelotst. Bis zu drei Waggons für den Containertransport sollen künftig jeden Tag das Werk verlassen. © André Schulze

Ob Matus Babik die häusliche Quarantäne genutzt hat, um für den Waggonbau Aufträge an Land zu ziehen, ist nicht belegt. Wohl aber hing der Geschäftsführer Ende Februar und Anfang März zwei Wochen in seiner slowakischen Heimat fest.

Und verkündet jetzt, dass es so viel Arbeit am Tatravagonka-Standort in der Oberlausitz gibt, dass sie fast gar nicht zu bewältigen ist. Bis zu drei Waggons täglich sollen künftig das Werk im Nieskyer Norden verlassen. Besteller ist eine Firma aus Österreich, die sie für den Containertransport braucht und an Logistikunternehmen in ganz Europa - darunter in Spanien und Finnland - verleiht.

Wenn alles klar geht, kommen die beiden wichtigsten Stützpfeiler der Nieskyer Industrie gestärkt aus der Corona-Krise. Stahlbau-Nachfolger Stahl Technologie Niesky GmbH verzichtet bisher komplett auf Kurzarbeit. Der Waggonbau Niesky musste einige Mitarbeiter aus der Verwaltung und der Farbgebung kurzzeitig nach Hause schicken. Doch perspektivisch zeigt die Entwicklung in beiden Unternehmen nach oben.

Waggonbau bekommt bessere Auslastung

Ursprünglich sollte der Waggon-Großauftrag am Stammsitz von Tatravagonka in Poprad erledigt werden. Doch dann habe man sich dafür entschieden, in Niesky für eine bessere Auslastung zu sorgen. "In der Slowakei haben wir fünf Jahre für diesen Kunden gearbeitet. Nun wollen wir in Deutschland zeigen, dass solche Waggons auch hier profitabel herzustellen sind", so Babik. Ausschlaggebend für diesen Schritt war offenbar auch die Umsatzentwicklung der vergangenen Monate. Nach Angaben des Geschäftsführers spülten der Februar und März nur jeweils 1,4 Millionen in die Kassen des Nieskyer Unternehmens. Allein für die Gehälter der knapp 300 Mitarbeiter werden aber schon 1,6 Millionen Euro gebraucht. "Mit diesem Projekt werden wir auf rund vier Millionen Euro im Monat kommen", freut sich Babik über die guten Aussichten, die zumindest bis Jahresende 2020 anhalten sollen.

Arbeitsabläufe in Niesky werden optimiert

Ein weiterer Grund für die Übernahme des Großauftrages, bei dem im Mai 40, im Juni 60 und in den Monaten danach wieder 40 Güterwaggons gefertigt werden sollen, ist die Auslastung der Konzernmutter. "Poprad hat zuletzt an der Kapazitätsgrenze gearbeitet. In Niesky haben wir Platz. Und dazu die Entwicklung moderner Drehgestelle vor Ort", erklärt der slowakische Chef das Umdenken bei Tatravagonka. Allerdings sei die Produktion hier bei weitem kostenintensiver. "Eine Fertigungsstunde in Niesky ist dreimal so teuer wie in Poprad", stellt er klar. Deshalb gehe es in den nächsten Monaten darum, die Arbeitsabläufe an der Muskauer Straße weiter zu optimieren. Möglich sei die Automatisierung von Schweißarbeiten, auch günstigerer Material- und Maschinenbezug spielten eine Rolle. "Wir haben in Halle/Saale unser zweites deutsches Werk - das zeigt, dass auch hier im Schienenfahrzeugbau Geld zu verdienen ist", so Babik.

Umsatz soll auf 80 Millionen Euro wachsen

Die Corona-Krise spielt für den Nieskyer Waggonbau momentan keine große Rolle. Die Nachfrage sei vorhanden - was sich aber ändern könne, sollte die Wirtschaft in Europa dauerhaft am Boden liegen, erklärt der Geschäftsführer. Er hofft, in diesem Jahr noch auf 80 Millionen Euro Umsatz zu kommen. Im vergangenen Jahr lag der bei rund 60 Millionen. Perspektivisch peilt der Waggonbau 100 Millionen an. Bedingt durch den Großauftrag soll es demnächst Neueinstellungen geben - "für die Farbgebung und auch andere Bereiche", so Babik.

Geschäftsführer Philipp Hänel (links) und Produktionsleiter Frank Sommer sind zuversichtlich, dass neue Aufträge auch mehr Mitarbeiter in der Stahl Technologie Niesky bedeuten werden.
Geschäftsführer Philipp Hänel (links) und Produktionsleiter Frank Sommer sind zuversichtlich, dass neue Aufträge auch mehr Mitarbeiter in der Stahl Technologie Niesky bedeuten werden. © André Schulze

Neue Aufträge für Stahl Technologie Niesky

Ähnlich optimistisch geht Philipp Hänel die nächsten Wochen. Der Geschäftsführer der Stahl Technologie Niesky GmbH hält nach wie vor an den 30 Mitarbeitern fest, die zum Start der Firma am 16. März angestellt waren. Neueinstellungen sind jedoch auch hier nicht ausgeschlossen. Dann würde sich das Unternehmen an den noch in der Transfergesellschaft geparkten Ex-Beschäftigten des insolventen Stahlbaus "bedienen". "Voraussetzung ist, dass die Verhandlungen für neue Aufträge zu einem guten Ende geführt werden", betont Hänel, der zugleich Prokurist der DSD Industriemontagen Delitzsch ist, die zum Firmenimperium des Belgiers Claude Pirson gehört, der schon Eigentümer des Stahlbau-Geländes war.

Stahlkonstruktionen für den Kraftwerksbau

Gerade auf den Firmenverbund der DSD Steel Group setzt Hänel große Hoffnungen. "In unseren Gesprächen geht es um die Lieferung und Montage verschiedener Stahlkonstruktionen für den Kraftwerksbau und kleinere Brücken." Die Herstellung dieser Teile würde in Niesky erfolgen, die Montage durch das Delitzscher Unternehmen durchgeführt werden. "Ohne die Corona-Krise wären wir sicherlich etwas schneller gewachsen, aber auch so können wir zufrieden sein", erklärt der Geschäftsführer.

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