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Stadt Zwickau: "Grüne hängen"-Plakate müssen weg

Die rechtsextreme Partei "III. Weg" fordert auf Plakaten: "Hängt die Grünen". Die Justiz sieht keine Straftat. Jetzt verbietet die Stadt Zwickau die Plakate.

Von Franziska Klemenz
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In Bayern hat man schon früher angefangen, die Plakate der rechtsextremen Partei abzuhängen. Zwickau zieht nach.
In Bayern hat man schon früher angefangen, die Plakate der rechtsextremen Partei abzuhängen. Zwickau zieht nach. ©  Screenshot: Sächsische.de

Die Morddrohungen der Partei "Der III. Weg" müssen aus Zwickau verschwinden. Das will die Stadt per Beseitigungsverfügung noch heute anordnen, heißt es vom zuständigen Ordnungsamt . Die rechtsextremistische Splitterpartei fordert auf den Plakaten: "Hängt die Grünen!" und mit Blick auf die Bundestagswahl am 26. September: "Wählt deutsch".

Die Plakate hängen offenbar seit Sonntag in Zwickau, wo Sachsens grüne Justizministerin Katja Meier aufgewachsen ist. Auch in weiteren sächsischen Städten wie etwa Plauen oder Leipzig und in der bayerischen Landeshauptstadt München wurden die Plakate gesichtet. Von der Stadt Leipzig heißt es auf Anfrage, dass man prüfe, ob ein Vorgehen wie der Stadt Zwickau auch dort in Frage komme.

Im Gegensatz zur bayerischen Justiz erkennt die sächsische darin keine Straftat. Die Partei von Sachsens Justizministerin zeigt sich darüber bestürzt. Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag fordert: "Statt voreilig derartigen Plakaten keine strafrechtliche Relevanz zuzumessen, sollte man vielleicht mal bei den Kolleginnen und Kollegen in München anrufen, die das offenbar anders sehen." Die Grünen haben Strafanzeigen wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten und Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten erstattet.

Die von Neonazis 2013 in Heidelberg gegründete Partei "Der III. Weg" sitzt im rheinland-pfälzischen Weidenthal, einer Gemeinde im Landkreis Bad Dürkheim. Ihr gehören etwa 600 Mitglieder an, von denen ein erheblicher Teil nach Einschätzung des Verfassungsschutzes extrem gewaltbereit ist. Ihre Ideologie schätzt der Inlandsgeheimdienst ein als geprägt von "Nationalismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit". Die Partei unter Führung des Elektrikers Klaus Armstroff folgt Thesen des historischen Nationalismus. Armstroff ist eng vernetzt mit der NPD- und freien Kameradschaftsszene. Auf einem Bundesparteitag hat er dazu aufgerufen, "im Umfeld von Asylbewerberunterkünften Flugblätter zu verteilen und Aktionen durchzuführen."

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Das sagt Sachsens grüne Justizministerin zu den Plakaten

Von ihrer Justizministerin, der obersten Dienstherrin der sächsischen Justiz, heißt es dazu, dass die Plakate "von zynischer Menschenverachtung" zeugten und "Grenzen des politischen Meinungsdiskurses" überschreiten würden. "Ein solcher Hassaufruf darf in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung kein Mittel des Wahlkampfes sein." Für die Beurteilung der strafrechtlichen Relevanz aber seien die sächsischen Staatsanwaltschaften zuständig. Man habe einen "Bericht zur rechtlichen Bewertung" bei der Generalstaatsanwaltschaft angefordert.

Polizistinnen und Polizisten in München sind am Montag direkt eingeschritten und haben die Plakate abgehängt. Die bayerische Staatsanwaltschaft hatte eine Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten festgestellt. In Sachsen sieht die Justiz das auf Anfrage auch heute weiterhin anders. Die Staatsanwaltschaft Zwickau argumentiert, dass für jene Strafvorschrift, auf die man sich in Bayern bezieht, "ein ausdrückliches (...) Ankündigen oder In-Aussicht-Stellen einer Straftat" nötig sei, so Staatsanwältin Ines Leonhardt. "Das ist nach unserer Auffassung vorliegend nicht der Fall."

Kein Ermittlungsverfahren eingeleitet

Für eine Strafbarkeit wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten sei Voraussetzung, "dass die Äußerung erkennbar darauf abzielt, die Adressaten unmittelbar zur Begehung der gewollten rechtswidrigen Tat zu motivieren." Unter dem Mordaufruf steht kleingedruckt: "Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren Parteifarben in Stadt und Land bekannt." Staatsanwältin Leonhardt zieht daraus, dass "der Gesamttext wörtlich ergibt, dass mit den Grünen die grünen Plakate des Dritten Weges gemeint sind."

Sie argumentiert, dass es „unter Berücksichtigung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (...) im Rahmen der politischen Willensbildung zulässig [sei], gegensätzliche Auffassungen ausdrücklich drastisch und auch bösartig sowie geschmacklos zu formulieren.“

Die Staatsanwaltschaft Zwickau hat am Dienstag beschlossen, dass sie kein Ermittlungsverfahren einleitet. Damit ist der Fall für die Justiz vorerst abgeschlossen.

Sachsens Grüne teilen eine gänzlich andere Auffassung. Sie erkennen auf den Plakaten sehr wohl eine unmissverständliche Bedrohung, fühlen sich davon angesprochen und kritisieren die Staatsanwaltschaft scharf. Innenexperte Valentin Lippmann bezeichnet das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als abwegig. "Ich halte dieses Vorgehen für vollkommen unverständlich", kritisiert er.

"Gerade im sich zuspitzenden Wahlkampf ist das ein skandalöses Vorgehen. Hier wird zum Mord an demokratischen Politikerinnen und Politikern aufgerufen – und der Rechtsstaat flüchtet sich ins Nichtstun und fadenscheinige Ausflüchte." Wen die Plakate meinen, sei klar. "Nicht umsonst werden die Plakate unter denen von Kandidatinnen und Kandidaten der Grünen platziert." Gerade für Menschen, die mit dem "III. Weg" sympathisieren, dürfe klar sein, welche Absicht hinter den Plakaten stehe. Auch auf Bundesebene empören sich prominente Grüne über das Vorgehen der sächsischen Justiz, Renate Künast etwa bezeichnet es als ungeheuerlich.

Auch Mitglieder anderer Parteien solidarisierten sich mit den Grünen und kritisierten den Mordaufruf der Neonazi-Partei scharf. Sachsens CDU-Generalsekretär Alexander Dierks bezeichnete die Plakate auf Twitter als widerlich. "Solche Mordaufrufe" zeigten, "wie hemmungslos Nazis ihr Gedankengut in die Öffentlichkeit tragen." Ermutigt würden sie durch andere rechte Hetzer. Sein Amtskollege Henning Homann, Generalsekretär der sächsischen SPD, schrieb, dass "alle Demokrat:innen auch in Wahlkampfzeiten zusammen" stünden.

Sachsens Landeswahlleiter möchte sich auf Nachfrage nicht zu dem Fall äußern. "Die Bewertung von Äußerungen im Wahlkampf, gleich in welcher Form", gehöre nicht in seine Zuständigkeit.

Das internationale Auschwitz-Komitee, das sich 1952 gegründet hat, damit die menschenverachtende Massenvernichtung von Jüdinnen und Juden durch das Hitler-Regime nicht vergessen wird, fand dagegen deutliche Worte. Auf der Website heißt es: "Für Überlebende des Holocaust ist seit langem mehr als deutlich, daß die Partei 'Der III. Weg' in der direkten Nachfolge der NSDAP steht und es sich bei ihr um eine nazistische Gruppierung handelt, die immer wieder bereit ist ihren Antisemitismus, ihren Rassenhaß und die von ihr betriebene Abschaffung der Demokratie gewaltsam zu propagieren."

Das Komitee kritisiert außerdem eine "schlafmützige Haltung der örtlichen Polizeibehörden und der Staatsanwaltschaft", die einmal mehr zeige, "wie schwer man sich in Deutschland mit ausgesprochenen Hardcore-Nazis tut." Die Partei hätte nach Ansicht des Komitees längst verboten werden müssen. "Es ist skandalös, dass sich in Deutschland wieder lupenreine Nationalsozialisten in Politik und Gesellschaft tummeln, als gehörten sie zum demokratischen Spektrum hinzu."

Verfügung der Stadt Zwickau: Plakate müssen weg

Durch die Verfügung der Stadt Zwickau bleibt der vom Verfassungsschutz beobachteten Neonazi-Partei nun keine andere Wahl. Sie muss ihre Plakate abhängen. Angeordnet werde der Sofortvollzug mit einer Frist von maximal drei Tagen ab der Zustellung des entsprechenden Bescheides, heißt es von den Behörden. "Andernfalls würde die Stadt Zwickau die Aushänge im Wege einer Ersatzvornahme abnehmen lassen." Die Anordnung begründet man mit einem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung und gegen den Anstand und die Würde des Menschen.

Sebastian Lasch, Bürgermeister für Finanzen und Ordnung der Stadt Zwickau sagt dazu: „Wer solche Machwerke aufhängt, soll sie auch selbst wieder abnehmen. Notfalls werden wir die Plakate jedoch entfernen lassen!“