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Armin Schuster im Interview: „Die Ukrainer müssen im Fokus stehen“

Im Interview mit Sächsische.de fordert Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) strengere Regeln beim Asylzugang und eine neue Strategie zur Unterbringung von Flüchtlingen.

Von Karin Schlottmann
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Sachsens Innenminister Armin Schuster fordert mehr Druck auf jene Länder, die Flüchtlinge „durchwinken“.
Sachsens Innenminister Armin Schuster fordert mehr Druck auf jene Länder, die Flüchtlinge „durchwinken“. © dpa

Herr Schuster, Sie sind seit April vorigen Jahres Innenminister in Sachsen. Wo wohnen Sie?

Ich wohne zentral in der Dresdner Innenstadt. Meine Frau verbringt ebenfalls sehr viel Zeit hier. Sie kümmert sich aber auch noch um ihre Mutter, die in Baden-Württemberg lebt.

Sie waren elf Jahre Bundestagsabgeordneter für die CDU. Bewerben Sie sich im nächsten Jahr um ein Landtagsmandat in Sachsen?

Diese Frage wurde mir bisher noch nicht gestellt. In den vergangenen neun Monaten hatte ich auch keine Gelegenheit, mir über dieses Thema Gedanken zu machen. Als Neu-Sachse wäre es meiner Meinung wenig glaubwürdig, nach dieser kurzen Zeit einen Wahlkreis vertreten zu wollen.

Nach dem Krisentreffen zum Thema Asyl hat der Ministerpräsident ein neues Konzept aus Ihrem Ressort angekündigt. Wie sieht dies aus?

Zunächst einmal geht es darum, gemeinsam, also Innenministerium, Finanzministerium, Landesdirektion Sachsen, Sächsisches Immobilien- und Baumanagement, die Erweiterung der Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen zu prüfen.

Wie wollen Sie das erreichen?

Die Landesdirektion hat einige Immobilien, die sie entsprechend einsetzen kann. Es gibt unter Leitung des Innenministeriums einen Arbeitsstab, der ständig nach passenden Objekten Ausschau hält. Die Bürgermeister und Landräte haben uns deutlich signalisiert, dass Ende März das Ende der Fahnenstange bei den kommunalen Unterbringungsmöglichkeiten erreicht sein wird, wenn die Asylbewerberzahlen so hoch bleiben wie jetzt.

Und was bedeutet das?

Dann bleibt in den Kommunen nur noch die Errichtung von Notunterkünften – hier müssten wir auf Zelte und Container, und, ich hoffe nicht, auch auf Turnhallen zurückgreifen. Das könnte drohen, obwohl es aus meiner Sicht weder für die Kommunen noch für die Flüchtlinge wirklich zumutbar ist. Wir haben zugesagt, dass die Flüchtlinge künftig so lange wie rechtlich möglich in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes bleiben, damit sich die Lage für die Kommunen etwas entspannt. Das ist aber nur eine kurzfristige Lösung, da Flüchtlinge nach Abschluss ihres Asylverfahrens einen Anspruch auf eine Wohnung haben. Wir prüfen derzeit einen Strategiewechsel bei der Unterbringung.

Anti-Asyl-Demo in Kriebethal. In vielen Orten Sachsens wird gegen die Unterbringung von Geflüchteten demonstriert.
Anti-Asyl-Demo in Kriebethal. In vielen Orten Sachsens wird gegen die Unterbringung von Geflüchteten demonstriert. © Dietmar Thomas

Wie sieht der Strategiewechsel aus?

Als nach 2015 die Flüchtlingszahlen abgeebbt waren, gingen die Kapazitäten stark zurück. In Phasen, in denen viele Flüchtlinge kommen, bauen wir Kapazitäten wieder auf. Auf Dauer ist dieses Hoch- und Runterfahren wenig sinnvoll. Besser wäre es, wenn uns permanent ein Fundament zur Verfügung stehen würde, auf das wir bei entsprechenden Spitzen sofort und unkompliziert zurückgreifen könnten.

Das würde bedeuten, Kapazitäten vorzuhalten, die nicht gebraucht werden. Was sagt der Finanzminister dazu?

Mit dem Finanzminister werden wir das weitere Vorgehen natürlich eng abstimmen. Aber der Bedarf für eine nachhaltige mittelfristige Anpassung der Kapazitäten liegt ja auf der Hand. Jetzt geht es um Modellrechnungen, was im Einzelfall rentabler ist.

Seit Herbst kommen täglich zwischen 80 und 90 Asylbewerber in Sachsen an. Die Zahl der Ukrainer ist deutlich niedriger. Wie lauten die Prognosen für das Frühjahr?

Wir erhalten dazu keine belastbaren Informationen vom Bund. An den Asyl-Zugangszahlen wird sich meiner Meinung nach nichts ändern, wenn die Bundesregierung nicht entschlossener handelt. Das betrifft das Management an den Außengrenzen und die diplomatischen Anstrengungen gegenüber den Schengen-Mitgliedsstaaten. Die Tschechen kontrollieren seit einiger Zeit ihre Grenzen zur Slowakei stärker als früher. Darauf haben die Schleuser sofort reagiert.

Welche Forderung haben Sie an die Bundesregierung?

Ich vermisse regelmäßige Gipfeltreffen auf EU-Ebene zu diesem Thema. Wo bleibt der Druck auf Länder, die Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien und Irak einfach Richtung Deutschland durchwinken? Die Bedeutung des Türkei-Abkommens hat auf EU-Seite stark nachgelassen. Ich spüre insgesamt kaum politische Initiativen, den Asylzugang zu drosseln. Irgendwann bleibt mir als letztes Mittel nur noch, Grenzkontrollen zu fordern. Und die richten sich nicht in erster Linie gegen Flüchtlinge, sondern sind ein ernstes Signal an Brüssel und unsere Schengen-Partner.

Wie hier vor einigen Wochen an der A4 bei Bautzen werden bei Kontrollen immer wieder illegale Flüchtlinge von der Polizei aufgegriffen.
Wie hier vor einigen Wochen an der A4 bei Bautzen werden bei Kontrollen immer wieder illegale Flüchtlinge von der Polizei aufgegriffen. © Bundespolizeiinspektion Ebersbach (Archiv)

Warum zögern Sie?

Als überzeugter Europäer bin ich gegen Schlagbäume an den Grenzen. Aber ich möchte, dass es aufhört, dass die Schleuser freie Fahrt haben von Griechenland über mehrere Balkan-Routen bis nach Deutschland. Wenn die Bundesregierung nicht bald Erfolge vorzeigen kann, bleibt mir nichts anderes übrig als Grenzkontrollen, wie es sie in Bayern schon gibt. Für die Schengen-Staaten, aber auch für die Koalition in Berlin wären sie ein politischer Offenbarungseid. Und hier geht es mir nicht um Parteipolitik. Unsere Ampel steht, was die Auslastung angeht, auf Dunkelgelb.

Wie bringe ich rein logistisch die Kinder in den Schulen und Kitas unter, wie schaffe ich Integration , und wie steht es um den sozialen Frieden? Und lassen Sie mich hier eines klarstellen: Gerade in dieser sich aufheizenden Stimmung kommt es auf uns Politikerinnen und Politiker an. Ich bin ihnen dankbar für ihre klare Haltung: Menschlichkeit und Pflichterfüllung gegenüber den zu uns Kommenden, so wie es Sachsen seit Langem bravourös praktiziert. Wenn extreme Randgruppen meinen, ihre ablehnende Haltung an Flüchtlingen oder Mandatsträgern auslassen zu wollen, werden wir dem sehr entschieden entgegentreten.

Die Bundesregierung möchte die Einbürgerung erleichtern. Findet dies Ihre Zustimmung?

Nein. Deutschland verliert die Balance zwischen Humanität und Ordnung. Ich erlebe keine Bremsen beim Zugang von nicht-ukrainischen Flüchtlingen. Stattdessen kommen das Chancen-Aufenthaltsrecht, freiwillige Aufnahme-Programme für Afghanistan und jetzt die erleichterten Regeln für die Einbürgerung. Von der angekündigten Rückführungs-Offensive hört man dagegen gar nichts mehr.

In einer Phase, in der wir logistisch an unsere Grenzen kommen, haben für mich jene Menschen Vorfahrt, die eine Autotagesfahrt von hier entfernt schwerste Kriegswirren erleben. Wir müssen für die Menschen aus der Ukraine da sein und das darf ich als Deutscher und Europäer auch sagen. Die Ukrainerinnen und Ukrainer müssen jetzt im Fokus stehen. Deshalb ist es Aufgabe der Bundesregierung, den nichtukrainischen Zugang deutlich zu bremsen.