SZ + Update Sachsen
Merken

Listenparteitag in Glauchau: Sachsens AfD will es diesmal richtig machen

Sachsens AfD läuft sich in Glauchau weiter für die Landtagswahl warm. Bis Sonntag wird die Landesliste gewählt. Folgenschwere Pannen wie beim letzten Mal will sie unbedingt vermeiden.

Von Gunnar Saft & Karin Schlottmann
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Delegierte der AfD bauen mobile Wahlkabinen auf dem Landesparteitag der AfD in Glauchau auf.
Delegierte der AfD bauen mobile Wahlkabinen auf dem Landesparteitag der AfD in Glauchau auf. © dpa

Glauchau. Die AfD im Freistaat hat offenbar erkannt, dass es sich lohnen kann, Recht und Gesetz einzuhalten. Wer in der Glauchauer Sachsenlandhalle verfolgt, wie die Partei seit Donnerstagabend das vorgegebene Prozedere zur Aufstellung einer eigenen Landesliste für die Landtagswahl im September abspult, kann die Angst vor einem erneuten Debakel spüren.

Bis Sonntag soll nun geschafft werden, woran man vor fünf Jahren bitter gescheitert war. Wegen Verfahrensfehlern wurden damals zunächst nur 18 AfD-Kandidaten, später per Gerichtsurteil immerhin insgesamt 30 Listenbewerber zugelassen.

Am Ende musste die sächsische AfD, die kürzlich vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde, 2019 dennoch auf einen ihr zustehenden Platz im Parlament verzichten. Das soll sich diesmal nicht wiederholen, weshalb im Hintergrund des Parteitages mit rund 300 Delegierten straff Regie geführt wird. Bis Sonnabendmittag wählte die Listenversammlung 60 Delegierte. Bei den meisten Wahlgängen gab es jeweils nur einen Kandidaten.

Nach intensiven Hinweisen des Versammlungsleiters, was man bei den Abstimmungen über die bis zu 75 eigenen Listenplätze möglichst nicht tun sollte, wird wie erwartet AfD-Landeschef Jörg Urban erneut zum Spitzenkandidaten gewählt. Ohne einen Gegenkandidaten und ohne eine einzige Frage an den Bewerber, obwohl das ausdrücklich erlaubt ist.

Und diszipliniert geht es weiter. Auch bei den folgenden Listenplätzen zwei bis fünf bleiben alle Bewerber ohne Konkurrenz und setzen sich durch. Jan Zwerg, Joachim Keiler, André Wendt und Sebastian Wippel – alles Kandidaten, die wie Urban bereits im Landtag sitzen.

Eine Kampfkandidatur gibt es erstmals um Platz zehn, bei der sich der Landeschef der Jungen Alternativen, Alexander Wiesner, deutlich durchsetzt – ebenfalls bereits Landtagsabgeordneter. Zurückstecken muss in dem Fall sein Ex-Kollege Roland Ulbrich, der jüngst einem Ausschluss aus der AfD-Landtagsfraktion durch seinen Austritt zuvorkam. Dem Juristen Ulbrich wird die Verwendung eines NS-Gesetzes bei einem früheren Schiedsspruch innerhalb der AfD vorgeworfen.

Am Freitag dann kein anderes Bild, dafür immer wieder stramme Reden der Bewerber. Es ist jetzt vor allem AfD-Generalsekretär Jan Zwerg, der für jeden neuen Listenplatz einen Personalvorschlag macht. Das ist auffällig, denn einen offiziellen Listenvorschlag des Vorstandes gibt es nicht. Vorgeblich, weil man bei dem Punkt demokratischer agieren will als andere Parteien. Allerdings sind es dann vermutlich eher interne Vorgespräche der AfD-Kreisverbände, die personelle Kontroversen auf dem Parteitag weitgehend verhindern.

Die erste Frau – erst auf Platz 20

Die Themenauswahl bei den kurzen Vorstellungsreden der Kandidaten ist überschaubar. Gefordert wird eine Schließung der Grenzen, niedrigere Unternehmenssteuern, ein Ende der Energiewende sowie Abschaffung der Russland-Sanktionen. Beifall gibt es immer wieder für Kritik an der „Genderpolitik“ und am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Gleich mehrere Redner wollen eine Kündigung der Rundfunk-Staatsverträge nach der Wahl. Dazu soll die Corona-Politik ein Schwerpunkt des Wahlkampfes werden.

Die AfD will in der nächsten Legislaturperiode einen Untersuchungsausschuss dazu beantragen. Die Bevölkerung sei mit der „Corona-Diktatur“ und „ominösen Spritzen“ drangsaliert und ihrer „Gesundheit beraubt worden“, so der Görlitzer Abgeordnete Roberto Kuhnert, der auf Platz 12 gewählt wird. Silke Schöps, Beraterin der AfD-Landtagsfraktion, kündigte während ihrer Bewerbungsrede an, dass der heftig umstrittene Begriff "Remigration" in das Wahlprogramm der Partei aufgenommen werde.

Je länger der Parteitag dauert, desto kürzer werden die Vorstellungsreden. Der mehrfach geäußerte Satz "Ich bin für Heimat" wird regelmäßig mit Applaus bedacht. In einer kurzen Pause können Delegierte einen Wandkalender mit dem Titel "Die schönsten Abschiebeflugzeuge" ersteigern.

Die erste Frau kandidiert erst auf Platz 20. Martina Jost, Landtagsabgeordnete aus dem Kreisverband Dresden, stellt sich mit den Worten vor: „Ich bin eine echte Frau und ich bin eine rechte Frau.“ Sie wird mit 92 Prozent der Stimmen gewählt.

Doch nicht nur thematisch folgen viele der Bewerber am Rednerpult Urban sowie AfD-Bundeschef Tino Chrupalla, die beide schon am Vortag das große Ziel vorgegeben hatten. Man müsse im Herbst nach der Landtagswahl in Sachsen die Machtfrage stellen und die neue Landesregierung anführen, so der alte und neue Spitzenkandidat. Das Beste für Sachsen sei, wenn die AfD dann den Ministerpräsidenten stellen würde. „Ich bin dazu bereit.“

Chrupalla verweist gar auf ein vermeintliches „Schicksalsjahr“ für die Partei und ruft im Saal lautstark den Hauptgegner im eingeläuteten Wahlkampf aus: CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer. Dem wirft er vor, ein „politischer Raubkopierer“ und „Heuchler“ zu sein. Dann lockt Chrupalla über die Mauern der Sachsenlandhalle hinaus: Sollte die AfD in Sachsen an die Macht kommen, wird man Nordstream reparieren ,und es wird wieder niedrige Energiepreise geben. „Das versprechen wir!“