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Tausend Menschen gehen in Pirna gegen Rechtsextremismus auf die Straße

Die Demo ist größer als erwartet und verläuft friedlich. Am Rande muss die Polizei gegen einen Sieg-Heil-Rufer einschreiten.

Von Jörg Stock
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Bunt statt braun: Etwa eintausend Menschen demonstrierten Sonntagnachmittag in Pirna gegen Rechtsextreme, insbesondere gegen die AfD.
Bunt statt braun: Etwa eintausend Menschen demonstrierten Sonntagnachmittag in Pirna gegen Rechtsextreme, insbesondere gegen die AfD. © Daniel Förster

Es ist ein Familienausflug: Vater, Mutter, die beiden Söhne, dazu Oma, Opa, Schwester und Cousine. Es ist kein Ausflug, wie man ihn an einem Sonntag wie diesem normalerweise unternehmen würde. Doch die Zeiten sind nicht normal, findet die Familie. Deshalb hat sie ein Schild gebastelt. "Hass ist keine Meinung", steht darauf, neben dem durchkreuzten Kürzel der AfD.

Gabi Teich und Holger Meschke aus Kleinhennersdorf in der Sächsischen Schweiz stehen am Sonntagnachmittag bei weitem nicht allein mit ihren Angehörigen auf dem Vorplatz des Pirnaer Friedensparks. Bis die Demonstration gegen Rechts und gegen die AfD beginnt, werden sich nach Schätzungen der Polizei an die tausend Menschen versammelt haben.

Was bringt sie auf die Beine? Holger Meschke sagt, dass er die Nase voll hat vom unwidersprochenen Agieren der AfD. Bisher sei der Eindruck entstanden, dass das, was die Partei treibe, obwohl sie als rechtsextremistisch eingestuft sei, gar keinen interessiere. "Das kotzt mich an." Viele in der Region seien eben nicht rechts. Das müsse man zeigen. "Deshalb sind wir hier."

Vom Pirnaer Friedenspark setzt sich der Demonstrationszug Richtung Marktplatz in Marsch.
Vom Pirnaer Friedenspark setzt sich der Demonstrationszug Richtung Marktplatz in Marsch. © Daniel Förster

Gabi Teich, die das Schild hält, erwartet von der Demo, dass Politiker der demokratischen Parteien hier erscheinen, den Menschen Mut zusprechen, sagen, dass es gut ist, dass sie demonstrieren. Daran fehle es im Land. So sieht das auch Holger. Es gebe genug Leute, die die AfD nicht haben wollten. "Aber vielleicht haben die einfach nicht den Mut oder sind zu faul, sich hierhin zu stellen."

Getragen wird die Pirnaer Demo, die Teil der landesweiten Anti-AfD-Proteste ist, von der Gruppe "SOE gegen Rechts". Der Zusammenschluss junger Leute war vorigen Sommer anlässlich einer Veranstaltung der AfD in Pirnas Herderhalle entstanden und organisiert seither Zusammenkünfte gegen rassistische Hetze und für Toleranz.

Die Menge, die sich eingefunden hat, ist größer, als die Organisatoren erwartet haben. "Für Pirna ist das super", sagt die junge Frau vom Bündnis, die sich Hanna nennt, und aus einer Tüte bunte Trillerpfeifen verteilt. Ohropax gibt es gleich mit dazu. An der Bushaltestelle gegenüber hat sich eine Gruppe Springerstiefel in Tarnhosen gesammelt. An die Adresse der "Faschoköppe" sagt Hanna ins Mikro, dass man sich weiter stark machen werde gegen Rechte. "Wir denken, Pirna braucht das!"

Linken-Abgeordneter appelliert an die Wähler

Wie sehr gerade Pirna und die Region das brauchen, daran erinnert Steffen Richter vom Pirnaer Kultur- und Bildungszentrum Akubiz in seiner Rede. Der Verein erforscht und dokumentiert insbesondere Orte der NS-Gewaltherrschaft im Landkreis, etwa das frühe KZ auf der Burg Hohnstein. "Wehret den Anfängen ist schon längst vorbei", stellte Richter fest. "Es geht um die Verteidigung unserer pluralistischen und weltoffenen Gesellschaft!"

Der Bundestagsabgeordnete André Hahn von den Linken bedauert, dass erst jetzt, da "das Kind in den Brunnen gefallen" sei, so viele Menschen Flagge gegen die AfD zeigten. Er bezieht sich dabei auch auf die Wahl des AfD-Kandidaten ins Pirnaer Oberbürgermeisteramt. Inständig appelliert er an alle, bei den kommenden Wahlgängen demokratischen Kandidaten die Stimme zu geben. "Wir haben eine Verantwortung - nehmen wir sie an!"

Nach den Reden am Friedenspark zog die Menge durch die Altstadt, mit Pfeifkonzert und Nazis-raus-Sprechchören, in Richtung Marktplatz, wo die Demo gegen 17 Uhr endete. Entlang der Strecke kam es laut Polizei zu einem Sieg-Heil-Ruf aus einer Wohnung heraus. Die Beamten hätten die betreffende Person festgestellt. Ermittlungen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen seien eingeleitet worden.