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Weshalb OB Hilberts Partys im Rathaus Dresden zum Politikum werden

Ein Mal im Jahr feiert OB Dirk Hilbert mit allen jungen Dresdnern. Es gibt allerdings anhaltende Kritik an der Vergabe der Party-Organisation. Wirklich ein Fall von "Filz"?

Von Andreas Weller & Dirk Hein
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Die rauschenden Partys im Rathaus werden heiß diskutiert.
Die rauschenden Partys im Rathaus werden heiß diskutiert. © Sven Ellger

Dresden. 2018 hat Oberbürgermeister Dirk Hilbert die "Nachtschicht_18" eingeführt - eine Party für diejenigen in Dresden, die in den 365 Tagen davor 18 geworden sind. Der OB sagt, er verstehe das als "Erstkontakt" mit der Verwaltung, der angenehm verlaufen sollte.

Das ist eigentlich nicht spektakulär. Und doch gibt es Kritik an den Kosten und der Vergabe. Da ist von "Filz" die Rede, weil OB Hilberts Wahlkampfmanager die Veranstaltungsagentur betreibt, die die meisten Aufträge davon erhalten hat und der Umgang der Verwaltung damit fragwürdig ist. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:

Um wie viel Geld geht es?

Mittlerweile beläuft sich die Summe auf insgesamt 637.321 Euro für die Partys in den Jahren 2018, 2019 - dann sind sie wegen Corona-Schutzvorgaben ausgefallen - 2022 und in diesem Jahr. Die rund 190.000 Euro für die Party in diesem Jahr bezeichnet OB Hilbert als "gut angelegtes Geld". "Es sollte uns es auch ein Mal im Jahr wert sein, den Erstkontakt mit jungen Dresdnern herzustellen", sagt er.

Weshalb gibt es Kritik?

In diesem Jahr wurde kritisiert, dass die Feier stattfand, obwohl Hilbert eine Haushaltssperre verhängt hat. Dazu kam, dass offenbar Gäste der OB-Party vor dem Rathaus den Hitlergruß skandierten und deshalb der Staatsschutz ermittelt.

Doch nun sind weitere Kritikpunkte in den Fokus gerückt. So wird moniert, dass die Organisation der ersten drei Partys nicht ausgeschrieben, sondern "freihändig" vom OB vergeben wurde. Bei einer freihändigen Vergabe schreibt das Rathaus Interessenten an, veröffentlicht die Ausschreibung aber nicht für alle sichtbar zum Beispiel im Internet.

Die Agentur, die die Aufträge erhielt, gehört einem engen Vertrauten von Dirk Hilbert: Frank Schröder war sein Manager im OB-Wahlkampf, führt im Auftrag der Stadt unter anderem seit vielen Jahren das Stadtfest mit seiner Agentur durch und auch den Weihnachtsmarkt an der Prager Straße.

Oberbürgermeister Dirk Hilbert präsentierte sich bei der Party gerne mit Gästen.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert präsentierte sich bei der Party gerne mit Gästen. © Sven Ellger

Die drei Partys umfassen ein Auftragsvolumen von gut 415.780 Euro. Diese Details ergaben Anfragen von Linke-Fraktionschef André Schollbach, der das deftig kommentiert: "Da wuchert der Filz in Reinkultur. Hilberts Günstlinge und Hofschranzen werden großzügig mit lukrativen Aufträgen bedacht. Später zeigen sich die Empfänger der aus der Stadtkasse reichlich ausgeschütteten Dukaten bei passender Gelegenheit erkenntlich." In diesem Jahr wurde die Party allerdings erstmals ausgeschrieben und eine andere Agentur erhielt den Zuschlag.

Wie soll das aufgeklärt werden?

Die Linke hat einen Antrag zur "Überprüfung der Partyveranstaltungen des Oberbürgermeisters durch das Rechnungsprüfungsamt" gestellt. Die Fraktion beantragt, dass der Stadtrat das Rechnungsprüfungsamt mit der Prüfung bei der Vergabe von Aufträgen, der Vorbereitung und der Durchführung der Partyveranstaltungen des Oberbürgermeisters beauftragt. "Es ist geboten, das Rechnungsprüfungsamt einzuschalten und das Handeln des Oberbürgermeisters unter die Lupe zu nehmen", sagt dazu Linke-Chef André Schollbach.

Die Grünen stehen generell hinter dem Party-Konzept der Stadt. "Die Idee, junge Menschen einzuladen, das Rathaus als tragenden Ort politischer Entscheidungen kennenzulernen, finden wir lobenswert", so die Fraktionsvorsitzenden. Wenn aber der Eindruck entstehe, "dass bei der Vergabe und Bezahlung der Veranstaltung nicht alles korrekt gelaufen sein könnte, darf der Stadtrat das nicht so stehen lassen. Als Kontrollorgan der Verwaltung und des Oberbürgermeisters müssen wir tätig werden." Die Fraktion hat einen inhaltsgleichen Antrag eingebracht.

Auf Nachfrage von Sächsische.de teilte Stadtsprecherin Barbara Knifka mit, dass eine Prüfung der 18er-Partys durch das Rechnungsprüfungsamt bisher nicht erfolgt ist. Das Amt prüfe in Form von Stichproben. Den Anträgen im Rat stehe man offen gegenüber. "Es ist bekannt, dass Anträge vorliegen, nach welchen der Stadtrat das Rechnungsprüfungsamt beauftragen soll, die bisher durchgeführten "Nachtschicht_18"-Veranstaltungen umfassend zu prüfen. Eine entsprechende Prüfung wird erfolgen, jedoch wird das Rechnungsprüfungsamt dem konkreten Stadtratsauftrag und dessen Prüfungsumfang nicht vorgreifen."

Wie reagiert das Rathaus derzeit auf die Vorwürfe?

In Teilen gereizt und unsouverän. Die Pressesprecherin der Stadt, Barbara Knifka, hat eine Erklärung veröffentlichen lassen, unter der Überschrift „Geheimsache Wahrheit“, in der sie sich über die Herangehensweise zweier sächsischer Medien und darüber beklagt, wie viele Medien- und Stadtratsanfragen gestellt würden und wie viel Arbeitszeit dies koste. "Tierisch genervt" sei die Pressestelle, die gerne wieder Themen aufbereiten würde, die wirklich wichtig seien. Schon mehr als 20 Arbeitsstunden habe man in mittlerweile 14 Medienanfragen und 21 Stadtratsanfragen im Presseamt zu nur einem Thema verbraucht, und das sei "eigentlich durch".

Im Rathaus sieht man sich zu Unrecht angegriffen. "Mit ein bisschen Verschwörung, Geheimnis und Schmutz lassen sich gute Klickzahlen generieren", heißt es etwa in dem Schreiben. Personen würden durch die Berichterstattung "in Misskredit gebracht, Vermutungen geäußert, Altes nochmal aufgewärmt und klare Fakten einfach ignoriert. Man nimmt, was man kriegen kann und träumt davon investigativ zu arbeiten."

Zum "Filz"-Vorwurf selbst führt Knifka aus: "Die Vergabe für die Veranstaltung im Jahr 2022 erfolgte im Jahr 2019 und damit drei Jahre vor der Dresdner Oberbürgermeisterwahl. Die zu diesem Zeitpunkt angeschriebenen Agenturen im Teilnehmerwettbewerb waren regionale und im Veranstaltungsbereich etablierte Unternehmen."

Dir Grünen sind insgesamt sachlich: "Es ist wichtig, dass wir eine sachliche und transparente Diskussion führen, ohne die Medienarbeit unabhängiger Presse herabzuwürdigen. In Zeiten, in denen das Vertrauen in die Medien und öffentlichen Institutionen auf die Probe gestellt wird, ist es umso wichtiger, dass wir als Stadt mit gutem Beispiel vorangehen."

Was sagt der kritisierte Party-Veranstalter?

Frank Schröder geht ganz transparent mit den Aufträgen um. Als 2018 die erste Party geplant wurde, seien fünf Dresdner Agenturen ins Rathaus eingeladen gewesen, um vor Ort die Anforderungen und Möglichkeiten zu besprechen. "Das Rathaus ist ein Verwaltungsgebäude, keine Veranstaltungs-Location", so Schröder. "Das größte Problem ist die Sicherheit, also die Entfluchtung, wenn etwas passiert." Deshalb hätten die anderen Agenturen schnell abgewunken.

Das bestätigt auch die Stadt, es sei nur ein Angebot abgegeben worden. "Wir sind auf Sicherheitskonzepte spezialisiert", so Schröder. Er habe es als Gelegenheit gesehen, sich eine spezielle Referenz zu schaffen, für "schwierige Gebäude". Also habe er zugesagt. Von den Gesamtkosten für die Party von rund 143.000 Euro entfielen etwa 120.000 Euro an seine Agentur.

"Die Anforderungen waren vom Hochbauamt vorgegeben", so Schröder. Er musste ein Ingenieurbüro beauftragen und ein Brandschutzgutachten einholen, um das Sicherheitskonzept zu erstellen. "Bereiche, in denen zu der Zeit, in der gefeiert wurde, sich niemand aufgehalten hat, mussten genauso abgesichert werden wie die Räume für die Party." Während in dem Teil des Rathauses, der über die Goldene Pforte erreicht wird, gefeiert wurde, habe auch in jeder Etage des Verwaltungstraktes und an sämtlichen Treppen dort Sicherheitspersonal eingesetzt werden müssen. Schröder sagt, er habe mehr als 60 Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen engagieren müssen, dazu kommen rund ein Dutzend Techniker, das Bar-Personal und die Mitarbeitenden der Agentur Schröder - es seien insgesamt mehr als 100 Leute im Einsatz gewesen.

"Meine Mitarbeiter und ich haben unter dem Strich für weniger als den Mindestlohn gearbeitet, da ist kein Geld übrig geblieben", so Schröder.