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Liegauer Winzer über die diesjährige Lese: "Extrem außergewöhnlich"

Der Liegauer Winzer Andreas Kretschko ist begeistert: Die diesjährige Ernte hat alle Erwartungen übertroffen. Welchen Einfluss der Klimawandel auf seine Arbeit hat und was die kanadische Wildnis mit seinem Weingut zu tun hat.

Von Verena Belzer
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Winzer Andreas Kretschko freut sich über die diesjährige Ernte, bei dem ihm unter anderem Praktikantin Lena Groß geholfen hat.
Winzer Andreas Kretschko freut sich über die diesjährige Ernte, bei dem ihm unter anderem Praktikantin Lena Groß geholfen hat. © Marion Doering

Liegau-Augustusbad/Radebeul. Als Andreas Kretschko vor vielen Jahren den Beruf des Winzers wählte, da wusste er nicht, dass ihm das quasi in die Wiege gelegt worden war. "Ich wollte schon immer einen Job, bei dem man viel draußen ist", erzählt der Absolvent des Radeberger Humboldt-Gymnasiums. "Förster wurden damals keine eingestellt, und so bin ich zum Weinbau gekommen."

Ein paar Jahre später starb sein Großvater - und dessen Verwandtschaft aus der Südslowakei reiste zum Begräbnis an. Die Familie war im Krieg vertrieben worden. "Da habe ich zum ersten Mal erfahren, dass alle meine Vorfahren bis ins 17. Jahrhundert Winzer waren", erzählt Kretschko. "Das hat mich total geschockt. Das war emotional und Gänsehaut pur." Weinbau habe viel mit Wissen, aber auch mit Intuition zu tun. "Aber es kommt auch auf ein sehr gutes Geruchsvermögen an."

Und wenn er nun seine drei Kinder beobachte, dann sei klar erkennbar: "Einer meiner Söhne hat diesen Geruchssinn auch geerbt."

Vom Weinbauleiter auf Schloss Wackerbarth in die Selbstständigkeit

Während seines Studiums war der Liegauer für Praktika im Rheingau, in der Pfalz, in Baden, aber auch in Kalifornien und Kanada. "Ich wollte immer von den Besten lernen", erzählt er. Als Werkstudent arbeitete er beim Radebeuler Weingut Schloss Wackerbarth. Später wurde er für sieben Jahre dessen Weinbauleiter. "Schloss Wackerbarth hatte damals das zehntgrößte Weingut Deutschlands, das war schon enorm."

Doch irgendwann wollte er wieder zurück zu den Reben. Raus in die Natur. Bei Wind und Wetter. "Ich war damals mehr Manager als Weinbauer", sagt er. Andreas Kretschko machte sich selbstständig, gründete sein eigenes Weingut im Keller seines Hauses in Liegau. 2012 war das.

Außergewöhnlich gute Ernte

Seither ging es für Kretschko immer weiter bergauf. Seiner Heimat Liegau-Augustusbad ist er seitdem immer treu geblieben. "Ich brauche das", sagt er. "Hier kann ich Kraft schöpfen, der Abstand zum Elbtal tut gut."

Aus den anfangs 1.000 Quadratmetern Weinberg wurden bis heute 3,5 Hektar. Seine Flächen sind verteilt - in Radebeul, Meißen, Zadel und Pesterwitz. "Ich kann mich wieder auf meine Reben konzentrieren und sie ganz individuell betreuen." Man hört Andreas Kretschko an, dass es genau das ist, warum er Winzer geworden ist.

Von der diesjährigen Ernte spricht er in den allerhöchsten Tönen. "Sensationell", sagt er. "So ein Jahr habe ich noch nie erlebt." Das Wetter sei genau so gewesen, wie es die Trauben am liebsten haben. "Keine Spätfröste im Frühling, eine super Blüte im Juni, weil es trocken und warm war. Dann zum richtigen Zeitpunkt Regen, der die Nährstoffe im Boden richtig schön gelöst hat. Und dann von Mitte August bis Anfang Oktober Sonne." Diese Konstellation sei extrem außergewöhnlich.

Die Folge: "Eine überdurchschnittlich gute Ernte mit vollreifen Trauben."

Spät- und Grauburgundertrauben.aus dem Weingut des Liegauer Winzers Andreas Kretschko.
Spät- und Grauburgundertrauben.aus dem Weingut des Liegauer Winzers Andreas Kretschko. © Marion Doering

Andreas Kretschko spürt die Folgen des Klimawandels

Als es bereits im Juni trocken wurde, da habe er schon das Schlimmste befürchtet. Denn in den zurückliegenden Jahren habe er ganz deutlich die Folgen des Klimawandels gespürt. "Die Durchschnittstemperaturen sind gestiegen und der Niederschlag wurde weniger", berichtet Kretschko. "Ich mache das jetzt seit fast 25 Jahren, die Tendenz ist eindeutig."

Jedes Jahr sei aufs Neue eine Herausforderung, "und am Ende hat die Natur das letzte Wort". Doch der Mensch kann gewisse Maßnahmen treffen. Im Falle von ihm sei das beispielsweise: Risikomanagement betreiben. "Dadurch, dass meine Flächen verteilt und in unterschiedlichen Lagen sind, reduziere ich das Risiko." Seine zwölf Rebsorten werden zu unterschiedlichen Zeiten reif - "so komme ich überhaupt mit der Arbeit hinterher".

Andreas Kretschko ist nahezu ein Ein-Mann-Betrieb. Eine Mitarbeiterin hat er, die ihm auf einer halben Stelle mit dem Weinbau hilft. Um alles andere - Vertrieb und Marketing etwa - kümmert er sich selbst.

Ein Monat Auszeit in der kanadischen Wildnis

Wie also weiter mit seinem Weingut? Weiter wachsen oder immer so weiter wie bisher? Weder noch. "Ich war in diesem Jahr einen Monat lang in der kanadischen Wildnis", erzählt der Winzer. "Ich musste mit Abstand darüber nachdenken, wie es weitergeht."

Ein noch größeres Weingut strebe er aktuell nicht an, sagt er. Aber er wolle durchaus das ein oder andere künftig anders machen. Experimentieren. Kreativ werden. "Die Ernte in diesem Jahr war so gut, da kann ich mit einem Teil etwas Neues probieren. Andere Fässer, andere Enzyme, andere Hefen." Er wolle die Qualität seiner Weine weiterentwickeln, "und nicht fachlich auf der Stelle treten".

Im kommenden Jahr will er außerdem Ausbildungsbetrieb werden - dann kann der Liegauer all sein Wissen rund um die kostbaren Reben an die nächste Generation weitergeben.

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