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Riesa: Wo das Trinkwasser für Zehntausende Haushalte durch muss

An einem neuralgischen Punkt investiert der Versorger mehr als zwei Millionen Euro. Das ist bis nach Großenhain und Lommatzsch wichtig.

Von Christoph Scharf
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Die beiden Herren stehen am höchsten Punkt von Riesa - allerdings ein paar Meter unter der Erde: Heiko Bollmann, Chef der Wasserversorgung Riesa/Großenhain (li.), und Vorarbeiter Lutz Selig im Hochbehälter auf dem Heideberg.
Die beiden Herren stehen am höchsten Punkt von Riesa - allerdings ein paar Meter unter der Erde: Heiko Bollmann, Chef der Wasserversorgung Riesa/Großenhain (li.), und Vorarbeiter Lutz Selig im Hochbehälter auf dem Heideberg. © Lutz Weidler

Riesa. Von außen sieht die Baustelle nach einem merkwürdigen Einfamilienhaus aus - mit nackten Betonwänden, ohne Fenster und blauem Dach. Aber unterirdisch! Da geht es über Treppen etliche Meter in die Tiefe. Da taucht ein 30 Meter langer Technikraum auf, der so hoch ist wie zwei Wohnetagen. Betonbecken wirken mit ihren hohen Säulenreihen wie ein merkwürdiger Tempel. Hier am Riesaer Stadtrand befindet sich ein zentraler Punkt der Trinkwasserversorgung - 10.000 Kubikmeter Wasser passen in die zwei unterirdischen Becken am höchsten Punkt von Riesa. Vom Heideberg aus wird das Wasser weiter bis nach Großenhain und Lommatzsch gepumpt, wo es in kleineren Behältern auf die Regionen verteilt wird.

Zwar stammt der größte Teil des Trinkwassers aus dem Wasserwerk Fichtenberg, gleich hinter der brandenburgischen Landesgrenze. Von dort strömen pro Stunde zwischen 500 und 800 Kubikmeter in den Landkreis. Für die Verteilung ist der Hochbehälter in Riesa aber unverzichtbar - und als Puffer: Klemmt es im Wasserwerk oder an der Hauptleitung von dort, reichen die Vorräte auf dem Heideberg bei normalem Verbrauch für etwa einen Tag aus, sodass es keine Ausfälle gibt.

Sieht aus wie ein Eigenheim ohne Fenster: das neue Technikgebäude auf dem Heideberg. Unterirdisch ist es aber deutlich größer, als man von oben ahnt.
Sieht aus wie ein Eigenheim ohne Fenster: das neue Technikgebäude auf dem Heideberg. Unterirdisch ist es aber deutlich größer, als man von oben ahnt. © Lutz Weidler

Umso wichtiger war es jetzt, die rund 50 Jahre alten Anlagen zu erneuern. Seit Monaten lässt die Wasserversorgung Riesa/Großenhain dort ein neues Bediengebäude bauen. Von außen unsichtbar steckt dort nicht nur ein Gewirr aus dicken Leitungen mit Absperrhähnen drin, sondern auch Druckerhöhungsanlagen, Schaltschränke, eine ganze Reihe Pumpen. Damit die auch bei einem Stromausfall laufen, gehört noch eine dieselbetriebene Netzersatzanlage dazu. "In Lommatzsch haben wir die gerade wieder gebraucht, weil nach dem Sturm zwei Tage lang der Strom weg war", sagt Mitarbeiter Lutz Selig, der Objektverantwortliche.

Derzeit laufen auf dem Heideberg die letzten Arbeiten für die Inbetriebnahme: "Die durch die Corona-Pandemie verursachten Ausfälle in den weltweiten Lieferketten treffen auch uns", sagt Geschäftsführer Heiko Bollmann. Man habe das bei verschiedenen Gewerken bemerkt, vor allem bei der Elektrotechnik. So wollte man die elektronische Steuerungs-, Mess- und Regeltechnik eigentlich bereits im August einbauen, tatsächlich wurde ein Großteil der Technik noch immer nicht geliefert. "Das ist momentan deutschlandweit ein Thema." Dennoch halte man am Ziel fest, die neuen Anlagen noch dieses Jahr betriebsfähig zu bekommen.

Ein Blick in einen der beiden jeweils 5.000 Kubikmeter fassenden Trinkwasser-Hochbehälter.
Ein Blick in einen der beiden jeweils 5.000 Kubikmeter fassenden Trinkwasser-Hochbehälter. © Lutz Weidler

Die Baukosten sollen dabei im geplantem Rahmen von etwas mehr als zwei Millionen Euro bleiben. Die Bauverträge waren ja noch in den vergangenen Jahren geschlossen worden. "Die aktuellen Kostensteigerungen merken wir bei den Projekten, die wir derzeit ausschreiben", sagt der Chef der Wasserversorgung Riesa/Großenhain.

Aktuell gibt es etwa noch eine größere Baustelle in Riesa am Merzdorfer Park: Dort laufen wichtige Trinkwasserleitungen zusammen. Dieses sogenannte Schieberkreuz muss komplett erneuert werden. Dort gab es allerdings Verzögerungen, nachdem durch die reichlichen Regenfälle der Grundwasserspiegel angestiegen war. So wird die Baustelle dort erst im Frühjahr fertig. Weil sie technologisch mit der Baustelle auf dem Heideberg zusammenhängt, kann man nicht an beiden gleichzeitig arbeiten, sagt der 49-Jährige. "Die Versorgungssicherheit geht vor."

Zunächst soll also die Technik am Hochbehälter auf dem Heideberg fertig werden. Das soll im Wesentlichen noch dieses Jahr klappen. Für nächstes Jahr bleibt die Neubegrünung der Außenanlagen - und der Abbruch des alten Technikgebäudes. Die neue Technik im bestehenden Gebäude einzubauen, wäre im laufenden Betrieb nicht möglich gewesen, sagt Lutz Selig. Also baute man direkt nebenan das neue Haus mit dem markanten blauen Dach. Sein Vorgänger wird bis auf Bodenhöhe abgebrochen, die unterirdischen Räume bleiben - ohne die Technik darin - erhalten: Sie dienen künftig als Versickerungsanlage, sollten die Hochbehälter jemals wegen eines technischen Defekts überlaufen.

Der Bau bisher verlief weitgehend planmäßig, wenn es auch die eine oder andere Überraschung im Boden gab. "Zwar hatten wir noch die Planungsunterlagen aus den 70ern bei uns im Haus", sagt der Objektverantwortliche. "Aber offenbar ist damals nicht jede Leitung exakt so verlegt worden, wie es eigentlich geplant war." Da galt es dann, sehr sorgfältig vorzugehen: nicht nur, weil für den Neubau eine neun Meter tiefe Grube ausgehoben musste, sondern auch, weil an der unverzichtbaren Anlage die ganze Zeit unter laufendem Betrieb gebaut werden musste.

Und Trinkwasser wird nach wie vor in der Region reichlich abgenommen. Zwar sinken die Einwohnerzahlen im Raum Riesa/Großenhain, dafür war zuletzt der Pro-Kopf-Verbrauch gestiegen. Womöglich, weil die Leute wegen Corona mehr zu Hause blieben, statt in den Urlaub zu fahren. Dann waren da noch die trockenen und heißen Jahre, in denen nicht nur mehr gegossen, sondern auch häufiger geduscht wird. Und auch die gestiegene Nachfrage nach Gartenpools dürfte sich niederschlagen. "Beim Jahresverbrauch 2021 rechnen wir allerdings mit einem Rückgang um gut anderthalb Prozent im Vergleich zum Vorjahr", sagt der Trinkwasser-Chef.

Spannend wird es für das Unternehmen nun Anfang 2022: Dann soll die neue Anlage ins Wassernetz eingebunden werden. Dann strömt das Wasser aus der 60 Zentimeter dicken Hauptleitung nicht mehr durch die alte Pumpenanlage in die beiden großen Kammern, sondern durch die neue Technikzentrale. Für diese Einbindung bleibt nur wenige Stunden Zeit: so lange, wie das Wasser in den Hochbehältern für die angeschlossenen Firmen und Haushalte reicht. Und in Lommatzsch ist mit dem Gemüse-Verarbeiter Frosta AG ein wirklich großer Wasserkunde am Netz, an den bei der Planung des richtigen Zeitpunkts unbedingt gedacht werden muss.

Wenn alles klappt, merken die Wasser-Abnehmer gar nichts von der komplizierten Einbinde-Aktion. "Die neue Technik sollte dann für die nächsten Jahrzehnte halten", sagt Heiko Bollmann.

Die Technik für die Trinkwasserversorgung wird derzeit installiert - wegen Lieferschwierigkeiten durch Corona ist aber noch nicht alles da.
Die Technik für die Trinkwasserversorgung wird derzeit installiert - wegen Lieferschwierigkeiten durch Corona ist aber noch nicht alles da. © Lutz Weidler