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Die Bienen-Retter aus Leipzig

Forscher suchen Ursachen des Bienensterbens. Mikrochips auf den einzelnen Insekten sollen deren Flugverhalten verfolgen.

Von Stephan Schön
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Ein Mikrochip mit Sensoren soll das Verhalten der Bienen nachverfolgbar machen.
Ein Mikrochip mit Sensoren soll das Verhalten der Bienen nachverfolgbar machen. © Microsensys GmbH

Leipzig. Leipziger Wissenschaftler werden jetzt zu Imkern. Mit Bienenvölkern für die Forschung wollen sie das Verhalten der Insekten auf grundlegend neue Art untersuchen. 1.000 Bienen bekommen dafür einen Mikrochip angeheftet.

Die Forscher vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig (UFZ) analysieren sowohl die Vorgänge im Bienenstock als auch das Verhalten einzelner Insekten. Die Ursachen für das weltweite Wildbienensterben sollen so gefunden werden. Dabei geht es vor allem um bisher unerkannte Wirkungen von Pestiziden und Schadstoffen.

„Die bisherigen Methoden der Pestizid-Folgenabschätzung sind alt und bewährt. Oder anders ausgedrückt: Sie sind zu grob und überholt“, sagt Martin von Bergen, Professor und Leiter der Molekularbiologie am UFZ. „Die Wirkungen von Chemikalien würden sich genauer abschätzen lassen, wenn wir uns an der Physiologie der Biene orientieren.“ Die Forscher wollen das Verhalten und die Gesundheit der Insekten auf neue Art beobachten.

Gemeinsam mit dem Julius-Kühn-Institut für Kulturpflanzen am Teilstandort Braunschweig sollen die Auswirkungen der Pestizide auf die akustischen Signale der Bienen erfasst werden. Veränderte Bewegungen machen schließlich andere Geräusche. Kann man also Pestizide hörbar machen? Das Team von Martin von Bergen will genau das mit statistischen Werkzeugen der Bioinformatik.

Sens4Bee ist soeben als ein Forschungsprojekt mit sechs Partnern gestartet und wird mit 1,1 Millionen Euro vom Bundeslandwirtschaftsministerium finanziert. In drei Jahren will Martin von Bergen in den Daten erkennen, was das Wohlbefinden der Bienen, deren Gesundheit und Vermehrung stört. In zwei riesigen Zelten des Julius-Kühn-Instituts werden die Bienenstöcke aufgestellt. Einmal mit Bio-Acker unterm Dach und andererseits eben mit derzeit gängigen Pestiziden im Boden.

Acht Mikrofone im Bienenstock werden dann eine Art 3-D-Bild vom Innenleben im Bienenstock bieten und sollen Unterschiede finden. Die Forscher sitzen dann wie im Tonstudio am Mischpult und hören den Bienen beim Arbeiten zu. Anhand der Lautstärke und der einzelnen Frequenzen wissen die Biologen, wo sich zum Beispiel die Königin aufhält, ob sich gerade eine neue Königin entwickelt. Sie hören, was Drohnen und Arbeiterinnen gerade tun.

Das sind imkerlich relevante Informationen, die die Arbeit beeinflussen. Diese neuen Verfahren, die hier entwickelt werden, könnten einmal zu einer Ferndiagnose der Bienenstöcke führen und so von außen ein Bild vom Zustand der Bienenvölker geben. In drei Jahren, so hofft von Bergen, sollten imkerlich nutzbare Ergebnisse vorliegen.

Jeder Chip beobachtet eine Biene

Mehr noch. Die Erfurter Firma Microsensys, die das Projekt Sens4Bee koordiniert, entwickelt derzeit gemeinsam mit Fraunhofer-Forschern (IZM) Mikrochips, die den Bienen am Rücken angeheftet werden. Nur ein hundertstel Gramm leicht dürfen diese Sensor-Chips sein und müssen dabei auch noch Solarenergie erzeugen, damit der Chip die nötigen Daten individuell für jede Biene sammeln kann.

Uhrzeit, Temperatur, Luftfeuchte und vor allem die Flugbahn per GPS sollen so gespeichert werden. Auch eine chemische Analyse der Umgebung ist möglich. Das funktioniert wie eine künstliche Nase. Am Eingang zum Bienenstock bei der Rückkehr vom Pollensammeln werden die Daten jeder einzelnen Biene dann kontaktlos ausgelesen und zu den Leipziger Biologen geschickt. „Wie verändern bestimmte chemische Stoffe das Verhalten der Bienen, das werden wir im Detail sehen“, sagt Martin von Bergen.

Und was folgt auf die Bienen: Hummel, Holzbiene, Hirschkäfer – die Liste der Forscher wird immer länger. Bleibt die Frage, was macht die Forschung mit dem Honig der 15 Bienenvölker? Nicht selbst essen, zumindest nicht alles. Die Öffentlichkeitsarbeit vom Umweltforschungszentrum soll die Honiggläser bekommen für Schüler, Besucher und Gastforscher im Institut.