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Ein Plauener erfindet die Jacke neu

Sächsische.de stellt Erfindungen aus Sachsen vor, die unser Leben verbessern. Heute: Neualp will den Bergsport mit Bekleidung besser machen, mit Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen.

Von Stephan Schön
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Sascha Eichelkraut hat ein Unternehmen gegründet, das es so eigentlich gar nicht geben sollte. Doch es lief viel zu gut, um einfach aufzuhören. Outdoor-Bekleidung, die auf die wichtigen Funktionen setzt und weitgehend aus Bio-Materialien hergestellt wird.
Sascha Eichelkraut hat ein Unternehmen gegründet, das es so eigentlich gar nicht geben sollte. Doch es lief viel zu gut, um einfach aufzuhören. Outdoor-Bekleidung, die auf die wichtigen Funktionen setzt und weitgehend aus Bio-Materialien hergestellt wird. © Neualp

Was für ein Haus. Hinter der schweren Tür öffnet sich ein mondäner Flur. Marmor an den Wänden, gediegen Holz und der Treppenaufgang einer Villa gleich. Im ersten Stock dann andere Bilder. Jacken gelb, orange und blau, Fleece in Erdfarben, Mützen und Shirts. Neualp, das Plauener Start-up, hat hier seinen Sitz, und Sascha Eichelkraut will von hier aus die Bergsportbekleidung besser machen. Eine neue Hybrid-Jacke ist die eigentliche Innovation.

Bergsteigen, klettern, Gletscher, „alles was mit dem Draußensein zu tun hat“, sagt Sascha Eichelkraut und zeigt von seiner noch kleinen Kollektion ein neues Produkt nach dem anderen.

Sportjacken gibt es ja eigentlich überall, und mehr als genug. Nicht für den Firmengründer. Er will keine Jacken mehr anziehen, die nerven, die nicht passen oder einfach nicht funktionell genug sind. Er will sie besser machen. Aber besser machen, das heißt für ihn auch nachhaltiger. Die Materialien für die Hybrid-Jacke wachsen draußen in der Natur. Und die Jacken sollen genau die Dinge erfüllen, die man braucht. Die Taschen sitzen dort, wo der Klettergurt sie nicht zuschnürt oder der Rücksackriemen sie verdeckt. Die Jacke soll Wärme spenden am Bauch, wo sie gebraucht wird, und Feuchtigkeit vom Rücken wegleiten.

Die dünne Außenschicht der Neualp-Jacken ist aus recyceltem Nylon. Produziert werden die Jacken in Polen.
Die dünne Außenschicht der Neualp-Jacken ist aus recyceltem Nylon. Produziert werden die Jacken in Polen. © Neualp

Sascha Eichelkraut kam die Idee für Neualp in den Bergen, wo sonst. „Was möchte ich selbst für eine Jacke haben? Leicht, wärmend, nicht zu warm, wasserabweisend mindestens, pflegeleicht.“ So ziemlich alles. „Umso mehr ich mich mit dem Thema Textilien beschäftigt hatte, desto bewusster wurde mir, welch wirklich schlechte Umweltbilanz die Textilien haben.“

Entwickelt in Plauen, gefertigt in Polen

Ein Denkprozess der in einem so noch nicht vorhandenem Produkt endete. Nein, wohl erst beginnt. Seit Frühjahr ist sein innovatives Produkt auf dem Markt. Entwickelt in Plauen, gefertigt in Polen. Und ab wann in Kambodscha oder Vietnam? „Das wird nie passieren! Das passt nicht zu uns.“ Innovationen sollen den Unterschied machen, sagt Eichelkraut.

Die dünne Außenschicht ist aus recyceltem Nylon, frei von belasteten PFC. Alles drinnen, die wärmende Isolation, wächst indes in der Natur. Die Daunen sind recycelt, gereinigt sortiert. Vom Standard her gleichwertig wie neue Daunen, aber auch nicht billiger als diese. Diese Daunen kommen von einem Werk in Ungarn, das mit Thermalwasser arbeitet und Fotovoltaik für den Betrieb benutzt. Fleece-Schichten aus Italien ergänzen die Jacke. Diese Schichten haben Wolle von Schafen in der Schweiz, Norwegen und Bayern. Damit es ein stabiles, langlebiges Fleece ergibt, braucht das Textil noch ein Polymer, Kunststoff also. Die Zutaten dafür wachsen auf dem Feld: Mais. Die gesamte Isolation ist bioabbaubar „Das könnte man einbuddeln, und weg ist es. Perspektivisch wollen wir diese Sachen auch wieder zurücknehmen, zerlegen und wiederverwenden, was möglich ist.“

Bis dahin aber braucht es Zeit. Vor allem, weil die Sachen lange halten sollen. „Das ist ja kein Wegwerfartikel“, sagt Eichelkraut. „Diese Jacken sollte man schon je nach Gebrauch locker zehn Jahre nutzen können.“ Ein Anspruch, den die Textilindustrie in den meisten Fällen ganz und gar nicht hat. Auch den wohl nicht: Mehr Funktionalität, weniger Mode. Pink und Glitzer finden sich im kleinen Showroom des Start-ups nicht. Werden sie auch nicht.

Sascha Eichelkraut ist weder Textilingenieur noch Chemiker. Er war bei der Bundeswehr, zunächst bei den Gebirgsjägern in Schneeberg, später in Kanada und der Türkei. Dem folgte dann das Politikstudium mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre. Unternehmensberater ist er und gibt auch Lehrveranstaltungen. Die Aufgaben wachsen nun bei Neualp. Nicht mehr lange wird er daher als Unternehmensberater arbeiten. Es fehlt die Zeit dafür.

Eine Firma wollte er eigentlich so zumindest nie gründen. Für sich als Unternehmensberater als Prototyp-Projekt für seine Kunden hatte er seit 2017 Neualp entwickelt. Um ganz praktisch seinen Kunden mal zu zeigen, wie eine Firmengründung gehen könnte.

Firmensitz soll in Plauen bleiben

Es ging alles zu gut mit einem überraschenden Feedback. Nun ist Neualp eine eigenständige GmbH. Mit Karina Grassy ist eine zweite Unternehmerin aus Plauen mit 50 Prozent in die gemeinsame GmbH eingestiegen. Seitdem läuft bei Neualp alles noch schneller von Ideen zu Produkten. Prototypen von speziellen Jacken fürs Mountainbiking gibt es schon. Berghosen sollen folgen. Und der Traum: „Der eigene perfekte Rucksack“, gesteht Sascha Eichelkraut.

Vielleicht hat er ja doch ein Textil-Gen in sich. Schneider- und Konfektionsberufe finden sich jedenfalls in der Verwandtschaft. Der Großvater hatte sogar eine eigene Weberei.

Neualp, das heißt Plauen, nur rückwärts gesprochen. Und genau hier soll der Firmensitz bleiben. Vorerst noch im großen Altbau mit dem mondänen Treppenhaus. Das Gebäude entstand 1906 und beherbergte damals die wohlhabende Vogtländischen Tüllfabrik. Und nun, ein neues Textilunternehmen versucht von hier aus durchzustarten.

So schätzt Professor Michael Schefczyk Neualp ein

Professor Michael Schefczyk leitet den Gründerlehrstuhl an der TU Dresden. Für Sächsische.de schätzt er das Potenzial von Neualp ein.
Professor Michael Schefczyk leitet den Gründerlehrstuhl an der TU Dresden. Für Sächsische.de schätzt er das Potenzial von Neualp ein. © Neualp

Das Gründerteam – Quereinsteiger, die aus der Nutzersicht schauen – hat klare Vorstellungen von den Eigenschaften der Produkte und von den Werten des Unternehmens. Wo man in einem (Mittel-)Gebirgsstandort anknüpfen kann, zeigt man schon im Namen, der humorvoll rückwärts gewendet wirkt, aber tatsächlich zum Ziel zeigt. Indem man auf industrielle Massenproduktion in einschlägigen Ländern verzichtet, dürfte man wahrscheinlich kaum in die Position kommen, North Face, Mammut oder Fjällräven zu verdrängen. Das Gründerteam ficht das nicht an und das ist auch gut so, Erfolg und Zufriedenheit sind nicht nur eine Folge unbegrenzter Wachstumsperspektiven.

Fazit: Ein schönes Produkt und ein Gründerteam, das hinter seinem Produkt steht.

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Das Projekt

Die Erfindershow mit den hier vorgestellten Start-ups und ihren Produkten findet am 15. Oktober von 10 bis 18 im Elbepark Dresden statt.

„Genial Sächsisch“ wird unterstützt von den drei sächsischen Gründerinitiativen in Dresden, Chemnitz und Leipzig.