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Diese Sächsinnen erfinden die Suppenschüssel neu

Sächsische.de stellt Erfindungen aus Sachsen vor, die unser Leben verbessern. Heute: Kratzfeste, frostsichere, spülmaschinentaugliche und kompostierbare Verpackungen aus Dresden.

Von Stephan Schön
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Laura-Marie Schulte und Eva-Maria Kappelhoff sind in der Produktion unterwegs. Eine Firma in Heidenau fertigt ihre neue Mehrwegverpackung gerade für die ersten Dresdner Großkunden.
Laura-Marie Schulte und Eva-Maria Kappelhoff sind in der Produktion unterwegs. Eine Firma in Heidenau fertigt ihre neue Mehrwegverpackung gerade für die ersten Dresdner Großkunden. © Thomas Kretschel

Sieht aus wie Plastik, fühlt sich auch so an. Aber ist eben etwas ganz anderes. Es ist die Mehrwegverpackung einer neuen Art, so wie sie derzeit in Deutschland noch nirgends auf dem Markt ist. In Dresden entwickelt von Laura-Marie Schulte und Eva-Maria Kappelhoff.

Mealgood nennt sich ihr junges Unternehmen. Essen gut, alles gut. So hatten es die beiden in der Corona-Pandemie gerade nicht erlebt. Die Berge aus Einwegmüll daheim und im Büro häuften sich. Pizza, Pasta, Salate und Sushi, am Ende blieben immer Pappe oder Plastik übrig. Im Ausnahmefall mal ein Bambusschälchen.

„Das muss doch auch anders gehen“, sagt Laura-Marie Schulte. Und die Suche begann. Die Fahndung in Foren und im Netz nach einem Rohstoff, der aus einer nicht endlichen Ressource wie Erdöl besteht. Mehrwegverpackungen für Großküchen sollten daraus werden. Da gelten harten Normen, was die Robustheit betrifft. Das muss dann schon schadlos die zwei Minuten in Industriespülmaschine bei 100 Grad überstehen. Die Erhitzung in der Mikrowelle ebenso wie den Dauerfrost in der Gefriertruhe.

Das reicht noch nicht. Der Anspruch der beiden Firmengründerinnen war größer: Diese Schalen und Schüsseln sollten nach langer, häufiger Nutzung am Ende auch noch bioabbaubar sein, kompostierbar. Genau das sind die Mehrwegverpackungen von Mealgood nun.

Nachhaltigkeit von Grundstoff bis Lieferketten

Was wie Plastik aussieht, ist aber Holzmehl mit Naturharzen und Additiven, „alles aus nachwachsenden Rohstoffen“, sagt Laura-Marie Schulte. Niemand in der Szene spricht sie jedoch so beim Namen an. Sie nennt sich einfach nur Laura auf der eigenen Website. Und Eva-Maria Kappelhoff ist dort Eva.

Das erste große Problem bei den Mehrwegboxen war, sie müssen für die Gastronomie, also für Lebensmittel, geeignet sein. „Ein erster vorgesehener Rohstoff ist deshalb weggefallen. Einen anderen gibt es zwar schon für Kaffeebecher, aber den kann man nicht in die Mikrowelle stellen und erst recht nicht in die Spülmaschine.“

Bei einem Unternehmen in Baden-Württemberg werden die beiden fündig. Selbst die Harze und Farben sind 100 Prozent Bio, 99 Prozent nachwachsende Rohstoffe. Die Rezeptur aber bleibt ein Betriebsgeheimnis, auch wenn diese nicht selbst entwickelt wurde.

Die Schüsseln bestehen aus Holzmehl mit Naturharzen und Additiven. Sie sind biologisch abbaubar.
Die Schüsseln bestehen aus Holzmehl mit Naturharzen und Additiven. Sie sind biologisch abbaubar. ©  Thomas Kretschel

Als Holz-Span-Harz-Granulat wird der Rohstoff eingekauft, erklärt Laura. „Auch das Holz ist zertifiziert und nachhaltig“, eben nicht aus den Tropen oder so. Nachhaltigkeit von Grundstoff bis Lieferketten, darauf haben sie geachtet. Wer nun glaubt, die beiden Gründerinnen hätten Chemie, Materialwissenschaften oder Design studiert, um sich an so etwas zu wagen, weit daneben. Wirtschaftspsychologie und Staatswissenschaft waren das. Laura in Dresden, Eva in Lüneburg. Die Fachleute vom Material, über Design bis zur Fertigung holen sie sich per Vertrag dazu.

Familien machen den Härtetest

Und eigentlich hatten sie gute Jobs nach dem Studium, in der Personalabteilung und bei der Arbeiterwohlfahrt. Doch dann kam der Punkt, an dem die beiden wohl einfach zu viel Zeit hatten, zu viel Freizeit in Corona-Zeiten. Und zugleich dieses tägliche Müllproblem. Schon immer ökologisch unterwegs, im BUND aktiv kam ihnen da so eine Idee.

Erst schleichend, am Ende war die gesamte Freizeit damit weg, auch die Wochenenden. Die Idee kam beiden im Januar 2021. Ob bei Pasta oder Gemüse, das ist nicht dokumentiert. Aber der Spruch von Eva schon: „Wenn's kein anderer macht. Okay Laura, lets' go, wir machen's.“ Und dann ging es echt schnell. Die Firma wurde schon im Juni 2021 als GbR gegründet. Inzwischen fertigt die Heidenauer 1st Mould im Auftrag von Mealgood Schalen und Deckel für die ersten drei großen Caterer.

Die ersten 50 Stück zuvor waren für den eigenen Bedarf produziert. Für einige wichtige Standardtests an der Uni Hannover. Und vor allem für die eigenen Familien. „Da mussten alle drin herumrühren, kräftig schneiden oder auch mal Rote Bete für drei Tage darin einlegen oder Tomatensoße“, sagt Eva. Das war der eigentliche Härtetest, ob Mealgood hält. Es hält auch das aus.

Offizielle Zertifikate sollen das nun auch für die Kunden bestätigen. Denen wird eine Nutzung von mindestens 150-mal garantiert. Bei Suppen gehen auch mehr als 200 Durchgänge, freilich inklusive Industriespüler, sagt Eva. Und am Ende? Da kommt alles wieder zu ihnen zurück. Eine Firma schreddert das dann im Auftrag von Mealgood. Mit speziellen Mikroben und bei einer bestimmten Temperatur wird alles kompostiert.

Alles halb nur so teuer, wie eine Bambusschale zur Einmalnutzung

Teuer sei dies, aber auch das ist im Verkaufspreis von etwa zehn Euro schon mit drin. Eva macht schließlich nicht nur die ökologische Rechnung auf, sondern auch die ökonomische. Maximal zehn Cent seien das für jede Nutzung. Und auch da wären die Energie und das Spülmittel schon dabei. Alles ist nur halb so teuer, wie eine bioabbaubare Bambusschale zur Einmalnutzung.

Im Handel gibt's diese Mealgood wohl erst einmal nicht. „Damit fangen wir später und nur langsam an. Alles Schritt für Schritt.“ Von der Website muss bis dahin auch ein kostenloses Paketlabel zu bekommen sein. Damit die Schale nach 200-mal Nudeln mit Tomatensoße dann am Ende auch wirklich zum artgerechten Kompost kommt.

So schätzt Professor Michael Schefczyk Mealgood ein

Professor Michael Schefczyk leitet den Gründerlehrstuhl an der TU Dresden. Für Sächsische.de schätzt er das Potenzial von Mealgood ein.
Professor Michael Schefczyk leitet den Gründerlehrstuhl an der TU Dresden. Für Sächsische.de schätzt er das Potenzial von Mealgood ein. © Thomas Kretschel

Das Team aus zwei Quereinsteigerinnen hat im Lockdown gesehen, wie viel Verpackungsmüll entsteht, wenn Kantinen geschlossen sind und stattdessen Lieferdienste genutzt werden. Hinzu kommt, dass Abschnitt 7 des Verpackungsgesetzes ab 2023 den meisten Gastronomen vorschreibt, bei nicht vor Ort verzehrten Speisen Mehrwegbehälter anzubieten. Damit ist klar, dass der Bedarf für die Produkte von Mealgood bald steigen wird. Klar ist aber auch, dass die Konkurrenz nicht schläft – vielleicht wird ein Anbieter zum Flixbus der Mehrwegschüssel. Ob man sich in dem Markt ohne hohen und zügigen Kapitaleinsatz behaupten kann, erscheint mir fragwürdig.

Fazit: Große Chancen und harter Wettbewerb lassen sich oft nicht voneinander trennen.

Hier noch einmal alle Erfindungen im Überblick:

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Das Projekt

Die Erfindershow mit den hier vorgestellten Start-ups und ihren Produkten findet am 15. Oktober von 10 bis 18 Uhr im Elbepark Dresden statt. Um 17 Uhr wird der großen Bühne Gewinner aus der Favoriten-Umfrage bekanntgegeben.

„Genial Sächsisch“ wird unterstützt von den drei sächsischen Gründerinitiativen in Dresden-Exists, Saxeed in Chemnitz und Smile in Leipzig.