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Humanität ist auch eine Kategorie

Was Grünen-Fraktionschefin Franziska Schubert zum Fall der abgeschobenen georgischen Familie meint, der in Sachsen zum Streitfall geworden ist.

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Zwei der sieben Kinder von der nach Georgien abgeschobenen Familie Imerlishvili teilen sich ein Matratzenlager.
Zwei der sieben Kinder von der nach Georgien abgeschobenen Familie Imerlishvili teilen sich ein Matratzenlager. © privat

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist im Koalitionsvertrag auch Grundlage beim Thema Asyl: „Die Wahrung der Menschenwürde ist Maßstab für die humane und rechtsstaatliche Gestaltung des bestehenden Asyl- und Aufenthaltsrechts sowie des Vollzugs von Ausreisepflichten.“

Die brachiale Abschiebung einer georgischen Familie aus Pirna mit sieben Kindern folgte diesem Maßstab nicht; Sie verletzte die Würde der Menschen. Solche Erfahrungen prägen sich tief ein – insbesondere bei Kindern. Aber es prägt auch die Menschen, die sich für das Bleiben engagieren. Die, die für das Bleiben ihrer Nachbarn, Freunde, Kollegen, Mitschüler kämpfen, machen die bittere Erfahrung: Es ist zu oft umsonst. Das Vertrauen in Verwaltung, die doch den Menschen dienen soll, wird dadurch beschädigt. Wer für Mitmenschlichkeit und Würde einsteht, macht die Erfahrung, es hier in Sachsen schwer zu haben. Kann das gewollt sein?

Nicht alles, was rechtmäßig scheinen mag, ist gleichzeitig human – genau das trifft auf die sächsische Abschiebepraxis zu. Es gibt Unterschiede, wie kommunale Ausländerbehörden agieren; darunter richtige Hardliner. Menschlichkeit braucht aber Luft zum Atmen – auch in Amtsstuben. Was fehlt, ist ein Handlungsleitfaden dafür, das Humanität eine Entscheidungskategorie ist und Unterschiede zu machen sind.

Das Bleiberecht braucht eine Reform. Wer einen Job hat, soll eine echte Bleibeperspektive bekommen und sich als Teil der Gesellschaft entwickeln können. Familien, deren Kinder hier geboren werden, aufwachsen und integriert sind, sollen bleiben dürfen; die rechtlichen Möglichkeiten haben wir schon. Ich erwarte, dass das in Sachsen entsprechend angewendet wird. Auch da ist der Koalitionsvertrag klar: „Wir setzen uns dafür ein, dass gut integrierte Asylbewerberinnen und -bewerber, Geflüchtete und Geduldete entsprechend der bundesrechtlichen Reglungen die Chance auf einen Spurwechsel und ein Bleiberecht in Deutschland erhalten, wenn sie den Lebensunterhalt für sich selbst und ihre Familie verdienen und ausreichend Deutsch sprechen können.“

Sachsens Grünen-Fraktionschefin Franziska Schubert.
Sachsens Grünen-Fraktionschefin Franziska Schubert. © privat

Vertragstreue ist ein Wert. Ein politischer Wert. Er wird in Sachsen verletzt. Geschrieben steht: „Wir werden gewährleisten, dass Abschiebungen durch Behörden des Freistaates Sachsen für die Betroffenen so human wie möglich und unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls gestaltet werden. Auf Familientrennung und Abholung aus Bildungseinrichtungen oder vom Arbeitsplatz soll möglichst verzichtet werden. Bei der Rückführung von vollziehbar Ausreisepflichtigen soll die Priorität bei jenen liegen, welche die öffentliche Sicherheit gefährden.“

Realität ist: Es wird am Arbeitsplatz und aus Bildungseinrichtungen abgeholt, es wird nachts abgeschoben, und es trifft gut integrierte Menschen. Was dabei von Grund auf falsch ist, ist die Umkehr, die versucht wird: Betroffene und ihre Unterstützer werden für die Situation selbst verantwortlich gemacht. Kinder können keine „Integrationsleistungen“ erbringen, „Mitwirkungspflichten nachkommen“, kein Familienvater nimmt „billigend“ eine Abschiebung in Kauf, keine Anwältin meldet sich „zu spät“.

Wir können in der Koalition Kompromisse finden; bei diesem Thema scheint es nicht möglich. Diese unmenschliche Abschiebepraxis ist nicht mehr – und war es nie – zu rechtfertigen.