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CDU ringt in Debatte über "Brandmauer" zur AfD um Schadensbegrenzung

Nach der Zustimmung der CDU im Dresdner Stadtrat zu einem AfD-Antrag ist unklar, ob und welche Konsequenzen es aus dem erneuten Vorfall gibt.

Von Annette Binninger & Thilo Alexe
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Die Zustimmung der CDU zum AfD-Anftrag im Dresdner Stadtrat sorgt bundesweit für Schlagzeilen.
Die Zustimmung der CDU zum AfD-Anftrag im Dresdner Stadtrat sorgt bundesweit für Schlagzeilen. © Ole Spata/dpa

Dresden. Eine gewisse Ratlosigkeit, gemischt mit Verlegenheit, wie das passieren konnte, wirkt auch Anfang der Woche in Sachsens Landeshauptstadt noch nach. Anfragen bei den CDU-Verantwortlichen bleiben am Montag weithin unbeantwortet. Offiziell will man sich offenbar lieber nicht äußern zu dem, was da am Donnerstagabend im Dresdner Stadtrat passiert ist.

Als eine plötzliche Abstimmungs-Dynamik die laut CDU-Unvereinbarkeitsbeschluss eigentlich bestehende „Brandmauer“ zur AfD mit einem Mal völlig hinwegfegte. Die Stadträte brachten mit knapper Mehrheit einen AfD-Antrag zur Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber auf den Weg.

Ein äußerst unglücklicher Zeitpunkt für den Eklat und den Ärger mit CDU-Bundeschef Friedrich Merz, der immer wieder auf die klare Abgrenzung zur AfD besteht. Ausgerechnet am Montagabend sollte er mit dem hiesigen CDU-Landesvorstand zur Beratung in Borna zusammenkommen. Dem Vernehmen nach soll er nach dem Vorfall in Dresden diesmal zunächst auf Konsequenzen gedrängt haben. Es steht auch seine persönliche Glaubwürdigkeit in der Frage des Umgangs mit der AfD auf dem Spiel.

Auch auf lokaler Ebene ringt die CDU derweil noch mit Schadensbewältigung. „In der Sache war es richtig“, sagt Dresdens CDU-Kreischef und Bundestagsabgeordnete Markus Reichel. Die CDU sei für eine schnelle Einführung der Bezahlkarte. „Aber in jedem Falle war es falsch, mit der AfD für ihren Antrag zu stimmen“, sagt Reichel. „Abgestimmt mit der Landesebene“ sei man sich „einig in der Bewertung“ der Angelegenheit, versichert Reichel. Der Kreisvorstand der Dresdner CDU wolle an diesem Dienstag noch mal in seiner Sitzung darüber sprechen, wie diese „völlig unnötige Situation“ entstanden sei.

Dabei schweigt die CDU auf Landesebene mal wieder auffällig laut zum Eklat. Doch mit Schweigen dürfte das für die Union so leidige Thema der Abgrenzung zur AfD wohl kaum verschwinden. Zumal die Union auf Bundesebene jedes Mal – öffentlich angezählt von Grünen, SPD und Linkspartei wegen fehlender Abgrenzung zur AfD – dann sofort wieder reflexartig öffentlich und laut betont, dass es keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD gebe und geben dürfe. Inzwischen ist diese Reaktion ein festes Ritual.

Das hatte am Freitag zunächst umgehend CDU-Chef Friedrich Merz getan und den Vorgang in Dresden als Fehler bezeichnet. Am Montag bekräftigte dies noch einmal der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei. In einem Interview mit dem Deutschlandradio fügte er hinzu: „Wir werden sicherstellen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert.“

Das Wie ließ er offen. Frei sagte, es sei für die Partei klar, „dass wir eine klare Beschlusslage haben, dass wir auf keiner politischen Ebene in keinem politischen und parlamentarischen Verfahren mit der AfD zusammenarbeiten“.

Frei wollte der Debatte aber auch in Teilen die Schärfe nehmen. Denn bei den Parteifreunden ist inzwischen auch angekommen, wie schädlich jede „Brandmauer“-Debatte für die CDU in Ostdeutschland ist. Man wolle „vernünftig und nachvollziehbar mit den Dingen umgehen“, versicherte Frei und „gemeinsam mit den Freunden in Sachsen und Dresden“ den Vorgang analysieren.

Kretschmer: "Ich werde mich nicht neu erfinden, nur weil der Zeitgeist sicht ändert"

Der „Vorgang“ in Sachsen wäre ja vielleicht auch schneller versandet, wenn es sich nicht ausgerechnet in der Landeshauptstadt zugetragen hätte – quasi unter den Augen von Ministerpräsident Michael Kretschmer. Die Zeiten seien zu ernst „für laute Parolen, die Probleme aufzeigen, aber keine Lösungen bieten“, hatte der ausgerechnet am Wochenende erst in seinem neu vorgestellten Wahlkampf-Video versichert.

Als Ministerpräsident rede er täglich mit den Menschen im Land darüber, was das Richtige für Sachsen sei. „Das ist mein Job, und den nehme ich verdammt ernst“, versichert Kretschmer weiter. „Ich werde mich nicht neu erfinden, nur weil der Zeitgeist sicht ändert.“ Er habe zu vielen Fragen eine klare Haltung, die werde er durchsetzen.

Da hatte kurz zuvor ein bundesweit bekannter CDU-Landrat, der Bautzener Udo Witschas, gerade bekräftigt, dass er das mit der Brandmauer eben ganz anders sehe. Anders als Kretschmer, aber eben auch anders als Merz. Witschas betrachtet es als Landrat als seine Aufgabe, mit dem Kreistag zusammenzuarbeiten. Und der bestehe eben aus Fraktionen und diese aus den gewählten Vertretern.

„Da ist der Bau einer Brandmauer vom Landrat nicht vorgesehen.“ Soweit Witschas’ juristische Betrachtung. Doch der Landrat, der wenig hält von den großen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, hat in der Vergangenheit bereits mehrfach seinen eher pragmatischen Umgang mit AfD-Vertretern und deren inhaltlichen Positionen deutlich gemacht.

Ohne dass es sicht- und/oder hörbare Konsequenzen vonseiten der sächsischen CDU-Spitze gegeben hätte. Und auch diesmal scheint man sich an der Parteispitze eher zurückhalten zu wollen, um nicht den Unmut des Wählers zu riskieren.