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Sachsens Regierung ringt bis zur letzten Minute um Cannabis-Gesetz

Während CDU und Grüne für Nachbesserungen in Berlin sind, lehnt Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) diese überraschend ab.

Von Karin Schlottmann
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Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping fordert mit Blick auf die Cannabis-Legalisierung mehr Schutz für Kinder und Jugendliche.
Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping fordert mit Blick auf die Cannabis-Legalisierung mehr Schutz für Kinder und Jugendliche. © dpa/Jan Woitas

Dresden/Berlin. In der sächsischen Landesregierung hat das geplante Gesetz über die Legalisierung von Cannabis zu einem tiefen Zerwürfnis geführt. Die Ankündigung von Innenminister Armin Schuster (CDU), den umstrittenen Entwurf der Ampel-Koalition im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat nachzubessern, lässt sich deshalb womöglich nicht umsetzen.

Wenn sich die drei Koalitionspartner CDU, Grüne und SPD nicht einig sind, muss Sachsen am Freitag den umstrittenen Gesetzentwurf in der Länderkammer passieren lassen. Die Gespräche dazu sollen bis kurz vor der Abstimmung fortgesetzt werden.

Diese Entwicklung ist umso überraschender, weil sowohl Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) als auch Justizministerin Katja Meier (Grüne) in einigen Punkten Bedenken geltend gemacht hatten. Das Justizressort befürchtet eine Überlastung von Staatsanwaltschaften und Gerichten, weil das Gesetz eine Amnestie für bereits verurteilte Straftäter beinhaltet.

Mehr Schutz für Jugendliche

Köpping fordert insbesondere mehr Schutz für Kinder und Jugendliche. Anfang März nannte sie laut MDR Cannabis eine gefährliche Droge. Die Freigabe sollte nicht mehr 2024 erfolgen. Am Dienstag betonte sie, dass künftig die Verschreibung von Cannabis-Produkten aus medizinischen Gründen erleichtert werde.

Das geplante Gesetz sei grundsätzlich richtig. Nachverhandlungen in Berlin, so kritisierte sie nun, würden zu einer vollständigen Blockade führen. Ihre Bedenken gegen einzelne Aspekte des Entwurfs könnten in Protokollerklärungen niedergelegt werden.

Bei einer Evaluierung des Gesetzes voraussichtlich in 18 Monaten müsste dann geprüft werden, ob der Kinder- und Jugendschutz sowie die Prävention ausreichend sei. Ihrer Ansicht nach müsse sich Sachsen daher im Bundesrat enthalten und damit das Gesetz passieren lassen. Rechtlich verbindliche Wirkung haben Protokollerklärungen allerdings nicht.

Einen Joint zu rauchen, ist in Deutschland illegal - noch.
Einen Joint zu rauchen, ist in Deutschland illegal - noch. ©  Symbolfoto: dpa/Fabian Sommer

Köppings Kehrtwende geht offenbar auf eine Intervention von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zurück, der die Legalisierung in der Ampel-Koalition in Berlin verantwortet. Er hatte vor zwei Tagen davor gewarnt, den Vermittlungsausschuss anzurufen, weil dies eine „Totalblockade“ zur Folge habe. Das Gesetz werde dann scheitern.

Seine Aufforderung richtete sich offenbar vor allem an die SPD-Minister in den Bundesländern, die dem Gesetz entweder in Teilen oder sogar vollständig kritisch gegenüber stehen. Befeuert wurde der Konflikt durch eine Äußerung von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Er sprach sich am Wochenende für eine Überweisung des Gesetzes in den Vermittlungsausschuss aus und knüpfte daran seine Hoffnung, dass das Gesetz dort nie wieder herauskommen möge.

Amnestie nachverhandeln?

Die sächsischen Grünen erklärten die Cannabis-Legalisierung zu einem Kernprojekt der Ampel in Berlin. „Wir stehen dafür, dass es kommt“, sagte Umweltminister Wolfram Günther. Offene Fragen wie die Amnestie für verurteilte Dealer und Konsumenten könnten in Berlin nachverhandelt werden. Einer „Totalblockade“ würden die Grünen am Freitag aber nicht zustimmen.

Innenminister Schuster appellierte an die Koalitionspartner, abzuwägen, ob ihre Partei oder eine gute Lösung im Vordergrund stehe. Er kritisierte Lauterbachs Gesetzentwurf als handwerklich schlecht gemacht. Die zum 1. April geplante Legalisierung stelle Polizei, Behörden, Schulen und Kinderärzte vor große Herausforderungen.

Wenige Tage vor dem geplanten Inkrafttreten wisse niemand, welche Grenzwerte für Autofahrer gelten. „Ist ein Mensch mit 75 Cannabistütchen ein Konsument oder ein Dealer? Wir wissen es nicht“, sagte Schuster.

Wer das Geld für die vom Bund angekündigten Präventionskampagnen bereit stelle, sei bis heute ungeklärt. Wenn die Länder mit den Folgen umgehen müssten, könne man ihnen das Recht zu Nachbesserungen nicht abschlagen. „Ich würde gern mit Seiner Majestät verhandeln“, sagte Schuster an die Adresse von Bundesminister Lauterbach.