Sachsen
Merken

Tourismus in Sachsen: Wo geht die Reise hin?

Personalmangel, Klimawandel, Corona: Die Herausforderungen für den Tourismus sind riesig. Sachsen will nun klären, wie und wohin er sich entwickeln soll.

Von Andrea Schawe
 4 Min.
Teilen
Folgen
Urlaub mit dem Wohnmobil liegt seit der Corona-Pandemie im Trend. Sachsen hat hier enormen Nachholbedarf.
Urlaub mit dem Wohnmobil liegt seit der Corona-Pandemie im Trend. Sachsen hat hier enormen Nachholbedarf. © dpa

Dresden. Auch wenn Corona nicht mehr dazu führt, dass der Tourismus in Sachsen stillsteht, hat die Pandemie in der Branche Spuren hinterlassen. Etliche Fachkräfte sind in andere Branchen abgewandert, die Gäste buchen nur noch sehr kurzfristig, Urlaub mit dem Camper wird immer beliebter: Sachsen will mit einem Masterplan Tourismus auf die veränderten Bedingungen für die Branche reagieren.

"Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden uns auch künftig weiter beschäftigen", sagte Tourismusministerin Barbara Klepsch (CDU) am Montag. Geeignetes Personal zu finden und langfristig zu halten, sei schwierig; das Reiseverhalten habe sich verändert und auch der Klimawandel habe weitreichende Folgen für den Tourismus. "All diese Entwicklungen verlangen nach neuen Ansätzen."

  • Den Überblick über alle Nachrichten aus Sachsens Wirtschaft gibt es zweimal wöchentlich mit unserem Newsletter "Wirtschaft in Sachsen" - hier kostenlos anmelden.

Das Ministerium will nun mit Branchenvertretern über Handlungsoptionen und Lösungsansätze beraten. "Wo geht die Reise hin?", fragte Klepsch. Zu den Themen Marketing, Finanzierung, Ganzjahrestourismus, Fachkräfte, Nachhaltigkeit, Mobilität und Digitalisierung finden bis Ende Juni sieben "Zukunftswerkstätten" in ganz Sachsen statt. Außerdem wurde ein Beirat mit 49 Mitgliedern aus Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Kirchen, Handel und Verwaltung gegründet. Er soll den Prozess fachlich begleiten. Bis Ende des Jahres soll der Masterplan Tourismus Sachsen dem Kabinett vorgelegt werden.

Schon im Koalitionsvertrag haben CDU, Grüne und SPD festgelegt, dass der Tourismus in Sachsen weiterentwickelt werden soll. Der Masterplan soll zukünftig die bisherige Tourismusstrategie 2025 ablösen. Diese wurde 2019 vom damals für Tourismus zuständigen Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) vorgestellt. Wichtigste Punkte des Papiers waren: Fachkräftebindung, mehr Kooperation mit den Kommunen, Ausbau der touristischen Infrastruktur, Werbung im Ausland und höhere Investitionen. Entstanden ist unter anderem eine professionelle Planung für Wanderwege und Mountainbiking.

Corona-Pandemie hat Tourismus verändert

Die Pandemie hat allerdings an vielen Stellen dazwischen gefunkt. Nach den starken Einschränkungen und den Schließungen bis zum Jahresbeginn 2022 erhole sich die Branche zwar momentan von den Folgen, man sei aber noch weit von den Zahlen aus dem Rekordjahr 2019 mit einem Umsatz von acht Milliarden Euro entfernt, so Klepsch. Der Freistaat hat den Neustart der Branche in den vergangenen zwei Jahren mit mehr als 9,3 Millionen Euro unterstützt.

Zwar kommen auch wieder mehr Besucher aus dem Ausland nach Sachsen – vor allem aus Polen, den Niederlanden, Österreich, Schweiz und Tschechien. Noch fehlen aber ein Viertel der ausländischen Touristen im Vergleich zu 2019, besonders die aus Russland und China.

"Die Erfahrungen aus der Krise müssen in den Plan einfließen", sagte der CDU-Abgeordnete Jörg Markert, der auch Präsident des Landestourismusverbandes ist. Ziel sei es, den Tourismus in Sachsen resilienter, wettbewerbs- und zukunftsfähiger zu machen. Sachsen habe etwa bei Camping- und Caravaning-Plätzen einen enormen Nachholbedarf. Nur etwa drei Prozent der bundesweiten Stellplätze befinden sich in Sachsen.

Es gehe um nun Planungssicherheit und Stabilität. Neben dem Fachkräftemangel habe man in den Betrieben das Problem ungeklärter Nachfolge. Sachsens Tourismusbranche ist vor allem in der Hand mittelständischer Unternehmen. Fast 90 Prozent der Betriebe im Gastgewerbe sind inhabergeführt. Viele haben Schwierigkeiten, einen Nachfolger zu finden.

Aktive Mitarbeit aus der Praxis

"Der Tourismus hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert", sagte Veronika Hiebl, die Chefin der Tourismus Marketinggesellschaft Sachsen. Das Thema Nachhaltigkeit sei in den Fokus gerückt. Dabei gehe es um mehr als nur Energie und Wasser sparen oder Müll vermeiden. "Wir reden über regionale Produkte, faire Bezahlung, Besucherlenkung, Ganzjahrestourismus bis hin zum Lebensraummanagement", so Hiebl.

Ein weiteres Schlüsselthema sei Digitalisierung: "Alle, die heute nicht gut digital aufgestellt sind, werden vom Gast einfach nicht mehr gefunden", meint Hiebl. Durch den breit angelegten Beteiligungsprozess steige die Akzeptanz in der Branche.

Auch Jens Ellinger begrüßte, dass die Akteure aus der Praxis an der Entwicklung des Tourismus aktiv mitarbeiten können. Das sei "eine völlig neue Qualität" und zeige "das sehr große Vertrauen in die Unternehmen und regionalen Tourismusstrukturen", sagte der Vizepräsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Sachsen und Geschäftsführer des Elldus Resorts in Oberwiesenthal.

Er verwies darauf, dass die Entwicklung aller Urlaubsregionen hin zum Ganzjahrestourismus ein Prozess in den nächsten zehn bis 20 Jahren ist. „Man kann nicht jeden Wintersportler durch einen Mountainbiker ersetzen“, sagte Ellinger. Noch gebe es Schnee und Wintersport im Erzgebirge. Es gehe darum, die Unterkünfte im Winter noch wirtschaftlich zu betreiben und die anderen Jahreszeiten besser auszunutzen.