Dresden. Es ist schon ein kurioses Bild. Als Collins Kimboi Kipsang nach zwei Stunden, zehn Minuten und 42 Sekunden als Erster des Dresden-Marathons ins Ziel stürmt, trudeln nebenan noch viele Halbmarathonis ein. Sie haben für die Hälfte der Strecke, also 21,1 Kilometer, in etwa diese Zeit benötigt.
Die Hobbyläufer liegen sich in den Armen, jubeln, machen Selfies. Manche zittern, einige stützen sich am Zaun ab, um bloß nicht umzufallen. Und der Sieger aus Kenia? Zeigt fast keine Emotionen. Kipsang bekreuzigt sich und geht dann weiter, als wären die 42,195 Kilometer gerade eine lockere Morgenrunde gewesen. Und das bei seinem ersten Marathon.
Um 42 Sekunden verpasst der 26-Jährige den Streckenrekord aus dem Jahr 2019, natürlich auch von einem Kenianer gehalten. „Es ist ihre Mentalität, sie zeigen nicht viele Emotionen“, klärt Athletenmanager Michael Krause auf.
Frauen-Siegerin mit der zweitschnellsten Zeit in Dresden
Selbst später bei der Siegerehrung, als Kipsang weiß, dass es für den Sieg mit der superschnellen Zeit insgesamt 5.500 Euro an Preisgeld gibt, tut er sich mit einem Lächeln schwer. Doch der Manager, der von den Prämien seiner Läufer 15 Prozent bekommt, ist zufrieden: „Ich wusste, dass er in diesem Bereich laufen kann. Die zweite Hälfte des Marathons war schneller“, sagt der 35-Jährige.
Bei Kilometer 35 hatte sich Kipsang von seinem Landsmann Shedrack Kiptoo Kimaiyo abgesetzt und mit zwei Minuten Vorsprung gewonnen. Für den kenianischen Dreifach-Sieg sorgt Bernard Chirchir. Bester Europäer wird der Wahl-Dresdner Peter Frohnwieser (2:32:57) als Vierter, der eine Minute hinter der schnellsten Frau ins Ziel kommt.
Die Kenianerin Lilian Jobitok, Mutter einer zweijährigen Tochter, läuft ein einsames Rennen über die 42,195 Kilometer – und die zweitschnellste Zeit in der 23-jährigen Geschichte des Dresden-Marathons. „Lilian ist die erste Hälfte mit 1:12 Stunden drei Minuten schneller als geplant angegangen, da kann dann am Ende natürlich alles passieren“, sagt Krause.
Der Start in Dresden hat sich für den Manager und seine Athleten letztlich mal wieder gelohnt. „Die Strecke ist flach mit vielen Geraden, also sehr schnell. Für mich gehört er zu den Top-5-Marathons in Deutschland“, meint Krause. 2025 soll der Zieleinlauf nach Informationen von Sächsische.de zum ersten Mal im umgebauten Heinz-Steyer-Stadion stattfinden. Dafür ist eine kleine Streckenänderung in Planung. Am schnellen Stadtkurs dürfte sich trotzdem nicht viel ändern. Damit bleibt auch der Anreiz für neue Rekorde.
Den Sieger hatte der Manager zusammen mit seinem kenianischen Co-Trainer erst im Juli in der Nähe der Großstadt Eldoret im Läuferwunderland gesichtet. Zwischen 60 und 70 Kenianer folgten dem Aufruf, rannten dort einen 30-Kilometer-Test. Ein Quartett schaffte es in den Kimawit Athletics Club. Wer in Krauses Team ist, bekommt erstmals einen strukturierten Trainingsplan, einen Trainer vor Ort – und die Chance, sich bei einem europäischen Rennen wie in Dresden zu beweisen.
Dass Kenia in den vergangenen Jahren zu den drei Nationen mit den meisten Doping-Sündern gehört und im Laufsport ein Imageproblem hat, ist Krause bewusst. „Es wird immer schwarze Schafe geben, vor allem, wenn man damit Geld verdienen kann“, erklärt er. Wegen der Doping-Problematik wird Krause im November erstmals 80 Tage am Stück in Kenia vor Ort sein. Seine Athleten gehören zur zweiten Reihe in Kenia, selbst wenn sie in Dresden vornweg laufen.
Dynamos Geschäftsführer kämpft sich ins Ziel
Viel mehr als von den Profis lebt der Stadtmarathon von den Tausenden Hobbyläufern - und von ihren kleinen, großen Geschichten. Von Johann Spieker, dem ältesten Finisher, der mit 83 Jahren noch unter fünf Stunden den Marathon am Maritim-Hotel beendet. Oder von Tabea Köbsch, die erst den Krebs besiegte und nun erstmals 42 Kilometer rennt – mit Erfolg.
Oder auch die Marathon-Geschichte von Dynamos Geschäftsführer David Fischer, der seit 1. August den Bereich Kommunikation leitet und läuft, um den Kopf frei zu bekommen. Für ihn wird es diesmal ein ganz großer Kampf – und ähnlich zäh wie für die Dynamo-Fußballer tags zuvor beim 1:0-Sieg gegen Münster.
Nach 4:03 Stunden kommt Fischer ins Ziel, nachdem er furios begonnen hatte. Nach einem Viertel des Rennens lief der gebürtige Pirnaer knapp vor dem 3:15-Stunden-Tempomacher. Die Finisher-Medaille hat sich Fischer am Ende also ebenso hart verdient wie die Kicker die drei Punkte in ihrem Heimspiel.
Kämpfen, durchhalten und nicht aufgeben, darauf kommt es oft im Leben an - und ganz besonders beim Marathon.