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Milliarden-Deal geplatzt: Jetzt haben Fußballfans endgültig gewonnen

Schon lange treiben die Fans die Fußball-Verbände vor sich her, mit Tennisbällen ist ihnen jetzt der größte Wurf gelungen. Auch für Dynamo Dresden ist das eine gute Nachricht.

Von Tino Meyer
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Der Protest war laut, lang und irgendwie auch lässig. Mit Tennisbällen hat es die aktive Fanszene geschafft, den milliardenschweren Einstieg eines Investors in die Bundesliga zu verhindern.
Der Protest war laut, lang und irgendwie auch lässig. Mit Tennisbällen hat es die aktive Fanszene geschafft, den milliardenschweren Einstieg eines Investors in die Bundesliga zu verhindern. ©   dpa/Robert Michael; SZ-Montage

Dresden. Tennisbälle, Flummis sowie Schokotaler, sogar ferngesteuerte Autos und Flugzeuge – die Kreativität der Fans in deutschen Fußballstadien, um den milliardenschweren Einstieg eines Investors in die Bundesliga zu verhindern, schien grenzenlos zu sein. Vor allem war es eine Form von Protest, den es so noch nie gegeben hatte und der nun zur Nachricht schlechthin in dieser Woche führte: Der deutsche Ligaverband DFL hat die Verhandlungen mit dem, wie es im Managerdeutsch heißt, externen Kapitalgeber komplett abgebrochen.

Das richtungsweisende wie emotional diskutierte Geschäft ist endgültig vom Tisch, mindestens bis auf Weiteres, vermutlich auf Jahre hinaus.

Heißt im Umkehrschluss: Die Fans haben diesen nächsten in der Öffentlichkeit geführten Machtkampf mit den Verbänden gewonnen. Mit dem Thema Pyrotechnik treibt die aktive Fanszene in Deutschland die Funktionäre ja nun schon rund zehn Jahre vor sich her.

Nachdem der DFB einen viel beachteten, zunächst auch konstruktiven Dialog mit Fanorganisationen kommentarlos beendet hatte und gemeinsame Überlegungen zum legalisierten Abbrennen bengalischen Feuer scheitern ließ, brennt es in den Kurven deutscher Stadion regelmäßig lichterloh.

Tausende Tennisbälle als erfolgreiches Mittel

Mag der Verband noch so hohe Geldstrafen verhängen, das Zündeln geht unvermindert weiter. Und die Vereine schauen taten-, aber auch machtlos zu. Ob es anderen Stadionbesuchern gefällt oder nicht, spielt ebenfalls keine Rolle. Sie werden sozusagen in Sippenhaft genommen, genauso wie bei den Protestaktionen gegen den Investor in den vergangenen Wochen.

Dass nun ausgerechnet Tausende Tennisbälle ein erfolgreiches Mittel sind, wird vielleicht auch die Fans überrascht haben. Andere, weniger disruptive Protestformen, wie einer ihrer führenden Vertreter daraufhin erklärt hat, seien zuvor eben nicht ernst genommen worden. Was schnurstracks zur naheliegenden Frage führt, ob der Protest jetzt weitergeht. Die Turbokommerzialisierung des Profifußballs ist mit dem geplatzten Investor-Deal schließlich nicht vorbei. Und dass Fußballdeutschland anders tickt als beispielsweise England, zeigt sich seit Jahren beim Fernsehen.

Tennisbälle auf dem Spielfeld
Tennisbälle auf dem Spielfeld © dpa

Mag es noch so viele Pay-TV-Angebote und Streamingdienste geben, massenwirksam durchgesetzt haben die sich bislang nicht. Die ARD-Sportschau hat alles überlebt – oder der Fan sich zunehmend abgewendet.

Nun wollte die DFL für eine prozentuale Beteiligung an den TV-Erlösen von einem Finanzinvestor eine Milliarde Euro kassieren, um damit eine internationale Vermarktungs- und Digitalisierungsstrategie voranzutreiben. Einzig verbliebener Bewerber ist das Unternehmen CVC gewesen, mit dem die Liga-Führung bis zuletzt Gespräche geführt hat. De facto vereinsübergreifend lehnten das die aktiven Fanszenen von Anfang an kategorisch ab. Sie beklagten dabei vor allem auch die schlechte bis fehlende Kommunikation des Verbandes. Der Protest ging so weit, dass es zuletzt nur noch eine Frage der Zeit war, dass ein Spiel hätte abgebrochen werden müssen.

Britische Premier League kassiert das Zehnfache durch Vermarktung

Eine andere Frage ist allerdings, was die Ablehnung des Investoren-Modells für die wirtschaftliche und daraus resultierend die sportliche Leistungsfähigkeit der Bundesliga und ihrer Klubs im internationalen Vergleich bedeutet. Geld schießt bekanntlich doch Tore, wenngleich das kein Automatismus ist.

Die Verhandlungsposition der DFL für die bevorstehende Neuvergabe der Bundesliga-Medienrechte ist nun erheblich geschwächt. Der Abstand zur britischen Premier League, die schon jetzt das Zehnfache durch Vermarktung kassiert und nicht zuletzt aus finanziellen Gründen die erste Adresse für Topspieler ist, wird damit ganz sicher nicht kleiner. Übrigens auch nicht die Sorgen der Klubs.

Laut einer DFL-Erhebung haben 20 der 36 deutschen Erst- und Zweitligisten das Jahr 2022 mit einem Verlust abgeschlossen, sechs von ihnen haben zudem Schulden. Ein Trend, der sich in Zukunft fortsetzen und verschärfen könnte.

Die Folge, das betont Professor Henning Zülch von der renommierten Wirtschaftshochschule HHL in Leipzig, sind ein Bedeutungsverlust der Bundesliga und auch der Nationalmannschaft. Doch der Experte nennt in einem detailreichen wie klaren Beitrag im Manager Magazin auch konkrete Spielregeln für einen Weg aus dem Finanz-Dilemma.

So müsste zunächst einmal definiert werden, was unter Investor überhaupt zu verstehen ist, welche Interessen dieser verfolgt und welche Mitbestimmungsmöglichkeiten er erhalten soll. Womöglich gibt es ja sogar Investoren, die zur deutschen Fußballkultur passen. Vor allem muss auf Augenhöhe miteinander kommuniziert werden.

Für die aktiven Fanszenen ist das im Moment bestenfalls zweitrangig, sie feiert den geplatzten Deal – und damit den eigenen deutschen Weg im internationalen Geschäft. Für Vereine wie Dynamo Dresden und deren Mitglieder, die sich vehement gegen externe Einflüsse und deren Geld wehren, dürfte das eine gute Nachricht sein. Auch, weil beispielsweise der Nachwuchsarbeit auf diesem Weg wieder eine größere, vielleicht sogar eine entscheidende Bedeutung zukommt. Denn wer kein Geld für teure Profis hat, setzt zwangsläufig auf eigene Talente.