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Der Fußball macht mobil gegen Rechtsextremismus

Immer mehr Bundesliga-Trainer beziehen deutlich Stellung gegen Ausländerfeindlichkeit und die AfD, unterstützen Demonstrationen. Auch Dynamo Dresden äußert sich dazu.

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Christian Streich hat sich von allen Bundesliga-Trainern am deutlichsten gegen Rechtsextremismus und die AfD positioniert, er ging selber zu einer Demo.
Christian Streich hat sich von allen Bundesliga-Trainern am deutlichsten gegen Rechtsextremismus und die AfD positioniert, er ging selber zu einer Demo. © dpa/Tom Weller

Oke Göttlich hatte Wichtigeres auf dem Herzen als Fußball. „Hamburg steht auf“ lautete das Motto der Demo gegen Rechtsextremismus, zu der auch der Präsident des FC St. Pauli aufgerufen hatte. Dass am selben Tag die 2. Bundesliga spielte – Nebensache. Auch viele Fans des Hamburger SV schlossen sich an. Und das Bild der vergangenen Wochen verfestigt sich immer mehr: Von Freiburg bis Bremen, von Köln bis Dresden wollen auch im Fußball viele nicht länger schweigen.

„Wer jetzt nicht aufsteht, der hat nichts verstanden. Wer jetzt nichts tut, hat in der Schule und in Geschichte nichts verstanden“, sagte der gewohnt meinungsstarke Freiburg-Coach Christian Streich – und ist diesmal nicht allein. Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald etwa forderte ein „lautes, entschiedenes Signal gegen jegliche Form von Ausgrenzung, Intoleranz und Diskriminierung“.

In vielen deutschen Großstädten – so auch in Leipzig und Dresden – wurde vorige Woche mit zum Teil zehntausenden Teilnehmern demonstriert, am 3. Februar ist eine Großdemo vor dem Bundestag in Berlin geplant. Hintergrund der aktuellen Diskussionen um Demokratie und Rechtsextremismus ist ein vom Medienhaus Correctiv publik gemachtes Treffen von Rechtsradikalen mit Politikern von AfD und CDU in einer Potsdamer Villa. Die AfD liegt vor den Landtagswahlen im September in Brandenburg, Thüringen und Sachsen derzeit in Umfragen vorn.

Auch Marco Rose, Trainer von RB Leipzig, bezog klar Stellung: "Wenn man bei Dummheit zu lange wegguckt, dann kann es gefährlich werden", sagte er.
Auch Marco Rose, Trainer von RB Leipzig, bezog klar Stellung: "Wenn man bei Dummheit zu lange wegguckt, dann kann es gefährlich werden", sagte er. © dpa/Jan Woitas

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) solidarisierte sich ebenfalls mit den Demonstrierenden. „Fantasien über Remigration im Sinne einer Zwangsausweisung deutscher Staatsbürgerinnen und Staatsbürger alarmieren uns“, sagte Celia Sasic, DFB-Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität. Die deutsche Gesellschaft und damit auch der Fußball seien von Migration im positiven Sinne geprägt.

Am deutlichsten aber wurde Streich, der sich schon in der Vergangenheit immer wieder deutlich gegen Parteien wie die AfD positioniert hatte und nun selbst an einer Demonstration teilnahm. „Es soll mir keiner rumjammern, wenn er hinterher von einer rechtsnationalen Partei autokratisch regiert wird“, sagte der 58-Jährige. „Ich lebe seit 58 Jahren als freier Mensch in einer Demokratie. Dafür bin ich unendlich dankbar. Was da für ein Vokabular verwendet wird, ist unglaublich.“ Bayern-Coach Thomas Tuchel erklärte, dass der Verein „zu 1.000 Prozent gegen jede Art von Extremismus“ aufstehe. „Und da kann es dann auch keine Stimme zu viel geben“, so Tuchel.

„Es hat einen erheblichen Wert, weil rechtsradikale Kreise auch vom Bundesliga-Fußball angezogen werden“, erläutert Sportphilosoph Gunter Gebauer. „Und wenn ihnen da eine konträre Meinung, die fest und überzeugend vorgetragen wird, entgegenschlägt, wird es sie auch beeindrucken.“ Das würde nicht heißen, dass sie ihre Meinung ändern, „aber es wird ihnen bestimmt ein gewisses Maß an Sicherheit nehmen“.

Trainer von RB Leipzig nimmt persönlich und klar Stellung

Ganz neu sei das Engagement im Fußball zwar nicht. Hinzugekommen sei aber, „dass in breiterer Form und stärker die Vereine und Mannschaften dazu bereit sind, mitzuwirken“, sagte Gebauer, der als Ursache dafür eine zunehmende Gefährdung der Demokratie sieht. „Das ist sie zweifellos“, betonte er. Außerdem liege es auch daran, dass in Bundesligavereinen viele ausländische Profis engagiert seien. „Die schließen den Kreis um ihre ausländischen Spieler. Ich denke, dass da auch eine Sorge um sie ist“, meinte Gebauer.

Marco Rose nahm ebenfalls kein Blatt vor den Mund. „Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass man gegen Dummheit und Extremismus in jeder Form aufsteht“, sagte der Trainer von RB Leipzig, der klar gegen die AfD Stellung bezog: „Es gibt halt die ein oder andere Partei, und die AfD zähle ich dazu, die relativ deutliche Signale aussenden und Flügel haben, die man einfach nicht negieren kann. Das kann man nicht tolerieren und akzeptieren. Wenn man bei Dummheit zu lange wegguckt, dann kann es gefährlich werden.“

Die Dynamo-Spieler Jonas Oehmichen, Lars Bünning, Kevin Ehlers (v.l.) präsentieren das Trikot mit dem Aufdruck "Love Dynamo - hate Racism", das die Mannschaft bei einem Spiel im Jahr trägt.
Die Dynamo-Spieler Jonas Oehmichen, Lars Bünning, Kevin Ehlers (v.l.) präsentieren das Trikot mit dem Aufdruck "Love Dynamo - hate Racism", das die Mannschaft bei einem Spiel im Jahr trägt. © Dynamo Dresden/Dennis Hetzschold

Drittligist Dynamo Dresden teilte auf SZ-Anfrage mit, dass man von einzelnen Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter absehe und als gesamter Verein antworte: „Die SG Dynamo Dresden engagiert und positioniert sich seit 2010 mit ‚Love Dynamo – Hate Racism‘ dafür, dass Diskriminierung als unsportliches Verhalten nicht geduldet wird und Fremdenfeindlichkeit bei Dynamo keinen Platz hat. Diese Botschaft wird mit den Fans und Mitgliedern, allen Spielern, Trainern, Betreuern, Mitarbeitern und Gremienvertretern des Vereins klar nach außen getragen.“

Einige Klubs schweigen – meist mit dem Argument, Sport und Politik nicht vermischen zu wollen. Vielen dürfte aber auch noch die laute Diskussion in Erinnerung sein, die Peter Fischer im Dezember 2017 ausgelöst hatte. Der Präsident von Eintracht Frankfurt befand damals, dass eine Mitgliedschaft bei der Eintracht und der AfD kaum miteinander zu vereinbaren seien – und erntete dafür nicht nur Lob, sondern auch Gegenwind.

Ein übergreifendes Zeichen wie 1992, als alle Klubs auf die Werbung ihres Sponsors verzichteten und mit dem Slogan „Mein Freund ist Ausländer“ auf der Brust aufliefen, ist aktuell nicht geplant. Damals war es die Folge fremdenfeindlich motivierter Angriffe. (sid, dpa, mit Sächsische.de)