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Ex-Nationaltorwart Adler: "Ich bin froh, dass es RB gibt"

René Adler erklärt, warum die Rasenballer ein Gewinn für die Region sind, die Bundesliga Probleme bekommt – und spricht über einen Ex-Dynamo.

Von Daniel Klein
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Nach seiner Karriere als Profi-Fußballer startete René Adler eine zweite als Geschäftsmann. Außerdem ist er Experte für den Sender Sky.
Nach seiner Karriere als Profi-Fußballer startete René Adler eine zweite als Geschäftsmann. Außerdem ist er Experte für den Sender Sky. © Picture Alliance/Norbert Schmidt

Es war ein Mini-Comeback und eine Rückkehr in die Heimat. In der Sportschule Egidius Braun in Leipzig-Abtnaundorf stand René Adler vergangene Woche noch einmal im Tor. Im Rahmen des Sommerempfangs des Sächsischen Fußballverbandes trennten sich zwei Traditionsteams bei einem Gaudi-Spiel 3:3.Der Ex-Nationalspieler ist längst Unternehmer, seiner Position blieb der 36-Jährige jedoch verbunden: Der gebürtige Leipziger ist an einer Torwarthandschuh-Firma beteiligt. Außerdem hat er in eine App investiert, mit deren Hilfe Transfers online vermittelt werden können. Nach dem Empfang sprach der TV-Experte mit der SZ über den Fußball in seiner Heimat, seine Karriere – und über Ex-Dynamo Markus Schubert.

Herr Adler, was verbindet Sie noch mit Ihrer Heimatstadt Leipzig?

Neben meinen Eltern, die hier leben, sehr viele Erinnerungen. Ich habe schließlich meine ersten 15 Lebensjahre in Leipzig verbracht. Beim Empfang in der Sportschule Abtnaundorf wurden jetzt viele Erinnerungen geweckt. Ich war früher häufig dort – mit der Klasse, Landesauswahl- und den Nationalmannschaften. Nach langer Zeit mal wieder vorbeizuschauen und alte Weggefährten zu treffen, hat Spaß gemacht.

Ihr letztes Spiel als Profifußballer haben Sie 2018 gegen RB und damit ausgerechnet gegen einen Leipziger Verein bestritten. Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Klubs?

Das kann man gar nicht hoch genug einschätzen und dies passiert in naher Zukunft sicher nicht wieder. In diesem Zusammenhang ist immer von Geld und fehlender Tradition die Rede, aber damit wird man den handelnden Personen nicht gerecht. Es steckt unheimlich viel Leidenschaft und vor allem ein Plan dahinter. Einen Verein 2009 zu gründen, der jetzt permanent in der Champions League spielt, ist eine absolute Herausforderung. Auch wenn es anfangs in der Stadt, in der es mit Chemie und Lok zwei Fußball-Lager gab, zum Teil kritisch gesehen wurde, habe ich von Anfang an gesagt: Der Sportstadt Leipzig mit all ihrer Tradition und ihrer Begeisterung, kann nichts Besseres passieren. Es ist beschämend, dass hier nach der Wende über viele Jahre kein hochklassiger Fußball zuhause war. Das war auch der Grund, warum ich mit 15 meine Familie und meine Heimat verlassen musste. Damals gab es hier keine sportliche Perspektive, mit RB hat sich das geändert.

Nicht nur in der Stadt gab es anfangs Widerstand, auch Fans anderer Vereine protestierten zum Teil heftig gegen RB. Können Sie die Kritik nachvollziehen?

Ich verstehe durchaus das eine oder andere Argument der Gegenseite. Gerade wenn man Anhänger eines Traditionsvereins ist, der nun in der 2. Bundesliga oder noch tiefer spielt, kann man ein Ungleichgewicht gegenüber Vereinen wie Leipzig oder Hoffenheim erkennen, bei denen Konzerne oder Mäzene im Hintergrund agieren. Der Abstieg der Traditionsklubs hat aber vielmehr etwas damit zu tun, dass dort in der Vergangenheit nicht gut gewirtschaftet wurde. Aus der persönlichen Sicht eines Leipziger Fußballfans kann ich nur sagen: Ich bin froh, dass es RB gibt.

Bei der Kritik an RB geht es oft um die 50+1-Regel, die in Deutschland vorschreibt, dass bei einer Spielbetriebs-GmbH die Stammvereine eine Stimmmehrheit besitzen müssen. In Leipzig wurde das elegant ausgehebelt. Mit Blick auf die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Ligen in England, Frankreich und Spanien: Wie lange kann man noch an 50+1 festhalten?

Ich war bis vor wenigen Monaten der Meinung, dass sie bald fallen wird, weil man sonst den Anschluss an die potenten Vereine und Ligen in Europa verliert. Im Zuge der – auch an den Fanprotesten – gescheiterten Gründung der Super League hat sich das ein wenig geändert. Als Sky-Experte für die englische Premier League stecke ich tiefer im Thema drin und weiß daher, dass sich viele Anhänger auf der Insel eine 50+1-Regel wünschen. Dort stehen hinter den Klubs oftmals US-amerikanische Besitzer, für die der Fußball ein reines Geschäftsmodell ist, bei dem es um Gewinnmaximierung geht. Das stört die Fans. In England wird man das nicht mehr zurückdrehen können, aber in Deutschland wohl länger an 50+1 festhalten.

Sie haben nach Ihrem Weggang aus Leipzig für Leverkusen, den Hamburger SV und Mainz in der Bundesliga gespielt und standen im Tor der Nationalmannschaft. Einen Titel konnten Sie aber nie gewinnen. Blieb Ihre Karriere deshalb eine unvollendete?

Natürlich hätte ich gerne mal was hochgehalten, weil es eine Bestätigung gewesen wäre. Auf der anderen Seite sind Titel nichts weiter als schöne Erinnerungen. Weitaus wichtiger sind die Erfahrungen und ist das, was ich in meiner Zeit als Profifußballer lernen durfte. Das hat mich als Mensch geprägt und das hilft mir nun in meiner zweiten Karriere als Unternehmer.

Haben Sie auch etwas von Ihrer wahrscheinlich größten Niederlage gelernt, als Sie vor der WM 2010 in Südafrika die klare Nummer eins im deutschen Tor waren und dann wegen eines Rippenbruchs ausfielen?

Ja, damals habe ich das Rad überdreht, zu viel trainiert und meine Grenzen zu weit verschoben. Die Quittung bekam ich dann mit dem doppelten Rippenbruch. Ich habe daraus gelernt, dass ich mich selbst immer mal wieder bremsen muss, weil ich dazu neige, zu viel zu machen. Wenn ich zum Beispiel bis nachts im Büro sitze, ist das so ein Punkt, bei dem ich merke, dass ich in alte Muster zurückzufallen drohe. Ich will mir nicht noch einmal eine große Chance im Leben kaputtmachen.

Als Sie bei Bayer Leverkusen in den Männerbereich kamen, standen Sie zunächst vier Jahre bei der zweiten Mannschaft im Tor. Das klingt nach einer verdammt langen Wartezeit . . .

Die war es auch, vor allem wenn ich mich mit meinen Kollegen aus der Junioren-Nationalelf verglichen habe. Lukas Podolski, Mario Gomez und Marcell Jansen sorgten in der Bundesliga schon für Furore, waren zum Teil beim Sommermärchen 2006 dabei. Und ich musste mich gedulden. Aber es war damals absolut üblich, dass man als junger Torwart erst mal auf der Ersatzbank seine Lorbeeren verdienen musste, um dann mit 24 oder 25 die Nummer eins zu werden. Man glaubte, dass man auf der Position sehr viel Erfahrung braucht und ruhig ein wenig warten kann, weil die Karriere ja auch länger dauert als bei einem Stürmer. Manuel Neuer, Timo Hildebrand und ich waren dann die ersten jüngeren Torhüter in der Bundesliga, eine neue Generation. Das hat zu einem Umdenken bei den Vereinen geführt, sie haben gemerkt, dass auch ein nicht so erfahrener Torhüter seine Leistung bringen kann.

Zuletzt sind einige junge Torhüter in der Bundesliga gescheitert wie der Dresdner Markus Schubert, der es bei Schalke 04 versucht hatte. Wird es mit dem Jugendwahn etwas übertrieben?

Das Beispiel Markus Schubert zeigt, dass man schneller eine Chance bekommt, doch wenn man dann nicht gleich abliefert, ist man auch ganz schnell wieder weg, muss einen Schritt zurückgehen. Für mich waren die vier Lehrjahre unheimlich wichtig. Ich brauchte die Misserfolge, das Wiederaufstehen, das Durchbeißen. In der Jugend fiel mir alles zu, da war ich stets besser als die Gleichaltrigen. Bei den Männern war es dann plötzlich anders. Dies zu lernen, hat mir geholfen. Nur deshalb konnte ich mit 22 so ein Debüt feiern. Ich glaube, wenn ich erst 20 gewesen wäre, hätte es schiefgehen können.

Machen Sie sich Sorgen um den deutschen Torwart-Nachwuchs, wenn Manuel Neuer seine Karriere beendet?

Wir sind ein bisschen verwöhnt von den vergangenen Jahren. Es gab immer Pärchen – erst Kahn/Lehmann, dann Neuer/Adler oder Leno/ter Stegen. Wir haben derzeit sicher nicht die Talente, bei denen wir mit absoluter Überzeugung sagen können: Die werden perspektivisch definitiv eine Nummer eins in der Auswahl. Aber Sorgen mache ich mir nicht, unser Ausbildungssystem ist gut. Es gibt eben mal stärkere und dann wieder schwächere Jahrgänge.