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"Nur graue Masse im Leben ist nicht spannend"

Marco Hartmann ist seit fast acht Jahren bei Dynamo. Im Interview spricht er über das Auf und Ab, Trainerwechsel und die Aufstiegschance am Sonntag.

Von Sven Geisler
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Die Aussichtsplattform der Schwebebahn an der Bergstation ist einer der Lieblingsplätze von Marco Hartmann in Dresden.
Die Aussichtsplattform der Schwebebahn an der Bergstation ist einer der Lieblingsplätze von Marco Hartmann in Dresden. © Robert Michael

Dresden. Die Vögel zwitschern im Waldpark, Sohn Mats spielt mit Stöckchen, er ist ein Jahr, Bruder Carlie vier. Mit ihnen und seiner Frau Jule will Marco Hartmann auf Reisen gehen – nach der Karriere. Die soll noch nicht vorbei sein, auch wenn er seit Anfang Dezember 2020 nicht mehr auf dem Fußballplatz gestanden hat und nach einer Knie-Operation um sein Comeback kämpft. Mal wieder.

Seit der Thüringer im Sommer 2013 vom Halleschen FC zu Dynamo nach Dresden gekommen ist, war er oft verletzt – und trotzdem ein Führungsspieler. Hartmann ist der dienstälteste Profi im Aufgebot, hat acht turbulente Jahre hinter – und hoffentlich den zweiten Aufstieg vor sich. Im Interview spricht der 33-Jährige über das Auf und Ab und seine Perspektive.

Marco Hartmann, wieder einmal die wichtigste Frage: Wie geht es Ihnen?

Gut. Ich konnte die Schiene zwei Wochen früher als geplant ablegen, habe im Alltag keine Beschwerden. Seit einigen Tagen fahre ich auf dem Ergometer, wenn das klappt, kann ich langsam wieder laufen. Die gerissene Sehne wurde wieder am Knochen fixiert, das sollte halten, aber die neue Struktur muss vorsichtig an die Belastung gewöhnt werden.

Ist das Comeback noch Ihr Ziel oder haben Sie unter dem neuen Chefcoach Alexander Schmidt, der Sie im Training für die Standardsituationen eingebunden hat, bereits eine neue berufliche Perspektive gefunden?

Nein, ich würde gerne noch Fußballspielen. Dabei bleibt es. Wenn ich jetzt ein bisschen von außen mitwirke, passt das gerade für einen begrenzten Zeitraum.

Der neue Chefcoach Alexander Schmidt (r.) hat Marco Hartmann (l.; in der Mitte Chefscout Kristian Walter) mit in seine Arbeit eingebunden. Der 33-Jährige soll seine Erfahrungen bei Standards weitergeben.
Der neue Chefcoach Alexander Schmidt (r.) hat Marco Hartmann (l.; in der Mitte Chefscout Kristian Walter) mit in seine Arbeit eingebunden. Der 33-Jährige soll seine Erfahrungen bei Standards weitergeben. © Lutz Hentschel

Ihr Vertrag als Profi läuft zum Saisonende aus. Wie ist der Stand?

Wir haben uns darauf verständigt, dass wir uns nach der Saison unterhalten. Ich habe klar bekundet, dass ich gerne noch ein Jahr Fußball spielen und danach mit der Familie reisen möchte.

Mit welchen Erwartungen sind Sie 2013 nach Dresden gekommen und welche haben sich erfüllt?

Nach der Anfrage von meinem Berater war ich damals gleich euphorisch. Ich war eher als Back-up geplant, in der Rolle habe ich mich anfangs wohlgefühlt. Aus der Liga, aus der ich kam (3. Liga/Anm. d. Red), mit dem, was ich konnte, tat es gut, in dieser qualitativ sehr hochwertigen Mannschaft erst einmal nur auf mich achten zu müssen, im Training Gas zu geben, nach Hause zu fahren und glücklich zu sein. Ich war nicht verantwortlich für das große Ganze.

Das aber im Abstieg mündete …

Jeder Abstieg ist blöd. Ich war in die Mannschaft gerutscht, konnte auch überzeugen, war dann aber in der entscheidenden Phase lange verletzt. Ich habe mir damals eine geringere Verantwortung dafür gegeben als beim zweiten Abstieg voriges Jahr, weil ich da von meiner Position als Kapitän und meiner Stellung in der Mannschaft den Anspruch hatte, mehr Einfluss nehmen zu können. Deshalb war ich persönlich noch stärker enttäuscht als beim ersten Mal.

Marco Hartmann ist auch für die Dynamo-Fans wegen seiner Vereinstreue und Leidenschaft eine Identifikationsfigur.
Marco Hartmann ist auch für die Dynamo-Fans wegen seiner Vereinstreue und Leidenschaft eine Identifikationsfigur. © Robert Michael

Sie waren auch in der vorigen Saison mehr verletzt als auf dem Platz, hatten nur elf Spiele bestritten. Wie groß kann der Einfluss trotzdem sein?

Natürlich ist es etwas anderes, wenn man in jedem Spiel dabei ist und eingreifen kann, als wenn man daneben steht und nur redet und versucht, zu helfen. Der Einfluss ist tatsächlich begrenzt. Das ist mir bewusst, macht es aber nicht leichter.

Die Statistik besagt: Ihre stabilsten Jahre, in denen sie kaum gefehlt haben, waren die besten für Dynamo: Aufstieg 2015/16 und Platz fünf in der ersten Zweitliga-Saison. Ein Zusammenhang?

Das stimmt zwar statistisch, aber es wäre zu einfach, das alleine an mir festzumachen. In den Jahren hat einfach vieles gepasst, in anderen weniger. Außerdem hoffe ich, dass diese Statistik mit dieser Saison widerlegt wird und wir aufsteigen, obwohl ich nur acht Spiele bestreiten konnte.

Mit einem Heimsieg gegen Türkgücü München am Sonntag kann Dynamo den Wiederaufstieg bereits perfekt machen. Wie schätzen Sie die Chance ein?

Natürlich sehr gut, es ist ein super Gefühl da. Es ist Wahnsinn, welche Stimmungsschwankungen der Fußball bereithält. Wie war das vor drei Wochen nach dem 0:3 gegen Halle? Wir saßen in der Kabine, hatten tausend Fragezeichen im Kopf: Ach du Schreck, wie kriegen wir das geregelt, wie kriegen wir die Köpfe wieder frei, wie kommen wir wieder dahin zu glauben, Tore zu schießen und Spiele zu gewinnen? Und jetzt wissen wir: Wir brauchen noch einen Sieg, dann haben wir es geschafft. Das zeigt, wie schnell sich etwas drehen lässt, wenn man bereit ist, dafür zu investieren.

Als Kapitän und Führungsspieler war und ist Marco Hartmann auch für Dynamos Trainer ein wichtiger Ansprechpartner wie hier für Uwe Neuhaus (l.) im Sommer 2017 im Trainingslager in Bad Gögging.
Als Kapitän und Führungsspieler war und ist Marco Hartmann auch für Dynamos Trainer ein wichtiger Ansprechpartner wie hier für Uwe Neuhaus (l.) im Sommer 2017 im Trainingslager in Bad Gögging. © Robert Michael

War dafür der Trainerwechsel von Markus Kauczinski zu Alexander Schmidt der entscheidende Impuls?

Rückblickend gesehen: natürlich. Nach dem Halle-Spiel war in den Augen sehr viel Leere, kein richtiger Glaube daran, dass das, was wir gerade machen, noch erfolgreich sein kann. Es ist traurig, dass es im Endeffekt immer am Trainer festgemacht wird. Aber die Intensität, die Alexander Schmidt sehen will und die er vorlebt, hat uns zurück in die Erfolgsspur gebracht. Wir waren immer dann gut, wenn wir es geschafft haben, den Gegner zu dominieren wie in den ersten 30 Minuten gegen Viktoria Köln. Die Jungs wollen das auch.