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Deshalb bekommt Hartmann bei Dynamo keinen neuen Vertrag

Der Ex-Kapitän muss den Verein nach acht Jahren verlassen. Wie er darüber denkt und wie der Sportgeschäftsführer die Entscheidung begründet.

Von Sven Geisler
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Marco Hartmann war Dynamos dienstältester Profi. Kehrt er in anderer Funktion zum Verein zurück?
Marco Hartmann war Dynamos dienstältester Profi. Kehrt er in anderer Funktion zum Verein zurück? © Eibner-Pressefoto

Dresden. Er hat noch einmal alles gegeben, aber das war sowieso keine Frage. Wie oft hat Marco Hartmann nach Verletzungen um sein Comeback gekämpft, jedes Mal ist er zurückgekommen und konnte der Mannschaft helfen mit seiner besonderen Mentalität, seiner Ausstrahlung, seiner Führungsstärke auf und neben dem Platz. Doch jetzt endet seine Zeit bei Dynamo Dresden: nach acht Jahren, in denen der Verein mit ihm "viele Höhen erlebt, aber auch einige Tiefen durchschritten hat", wie Hartmann in der Pressemitteilung zitiert wird.

"Ich hatte den Wunsch, noch ein Jahr Fußball hier in dieser wunderschönen Stadt bei diesem emotionsgeladenen Verein zu spielen", erklärt Hartmann. "Daher überwiegt bei mir im ersten Moment natürlich die Enttäuschung, dass mein Weg jetzt bei Dynamo Dresden endet. Es war eine unfassbar besondere Zeit für mich."

Eine emotionale Ansprache vor der Mannschaft

Sportgeschäftsführer Ralf Becker, der es ihm bereits am Mittwoch in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt hat, bedankt sich via Pressemitteilung bei Hartmann "für acht Jahre ehrliche und aufopferungsvolle Arbeit im Dynamo-Trikot." Er habe sich immer in den Dienst der Sache gestellt "mit vollem Einsatz, ehrlich und authentisch auf und neben dem Platz. Marco ist ein echtes Vorbild unseres Sports!", meint Becker weiter - und dennoch: "Leider muss man aber im Fußball manchmal auch menschlich harte Entscheidungen treffen."

Auf dem Platz war Marco Hartmann immer der emotionale Antreiber, eine Führungspersönlichkeit im besten Sinne.
Auf dem Platz war Marco Hartmann immer der emotionale Antreiber, eine Führungspersönlichkeit im besten Sinne. ©  dpa/Robert Michael

Das habe man wirklich schweren Herzens getan und zuvor aus sportlicher Sicht alle Fakten sehr sorgfältig bewertet. Die Fakten liegen auf der Hand: Bei Dynamo hat man dem oft verletzten Routinier die zweite Liga nicht mehr zugetraut, zudem ist der Kader auf seinen Positionen in der Innenverteidigung und im defensiven Mittelfeld sowohl quantitativ als auch qualitativ sehr gut besetzt.

Hartmann, der sich mit einer emotionalen Ansprache von seinen nun ehemaligen Mitspielern verabschiedet hat, soll beim Heimspiel der Dresdner gegen den SC Paderborn am 29. August für seine Verdienste gewürdigt werden. "Die Jungs haben in den vergangenen Wochen mitgefiebert und sehr an meinem Versuch teilgenommen, noch einmal einen neuen Vertrag zu erhalten", meint er und attestiert der Mannschaft einen "überragenden Charakter und Zusammenhalt". Er wünsche ihr, dass es noch lange so bleibt, "auch dann, wenn der Wind mal wieder von vorne kommen sollte".

Sein vorletzter Torjubel: Beim 3:1-Sieg der Dresdner im Ost-Duell bei Hansa Rostock erzielte Marco Hartmann (2. v. r.) den Treffer zum zwischenzeitlichen 2:0; Philipp Hosiner, Christoph Daferner und Kevin Ehlers (v. l.) freuen sich mit ihm.
Sein vorletzter Torjubel: Beim 3:1-Sieg der Dresdner im Ost-Duell bei Hansa Rostock erzielte Marco Hartmann (2. v. r.) den Treffer zum zwischenzeitlichen 2:0; Philipp Hosiner, Christoph Daferner und Kevin Ehlers (v. l.) freuen sich mit ihm. © PICTURE POINT

Seine für den Profi-Fußball inzwischen außergewöhnlich lange Zeit in Dresden ließe sich auch in Zahlen ausdrücken: 3.032 Tage sind es, seit er im Sommer 2014 vom Halleschen FC kam, länger als er waren seit 1990 nur Volker Oppitz mit 14 und Maik Wagefeld mit zehn Spielzeiten für die Schwarz-Gelben aktiv. In seinen 146 Pflichtspielen trug er 73-mal die Kapitänsbinde, erzielte als Defensivspieler 17 Tore, davon zwei wichtige noch mal im Aufstiegsjahr 2020/21.

Dynamo war mit Hartmann erfolgreicher als ohne ihn

Was Dynamo zum Abschied ebenfalls aufrechnet: Mit Hartmann als Leitwolf hat Dynamo in den Ligaspielen im Durchschnitt 1,66 Punkte geholt, ohne ihn nur 1,23. Der Zusammenhang, je öfter er spielen kann, desto besser ist die Mannschaft platziert, wurde erst in der Vorsaison durchbrochen, wobei: Nach einem durchwachsenen Start hatte er als Abwehrchef zwischenzeitlich für Stabilität gesorgt. Von den fünf Spielen, in denen Hartmann in der Startelf stand, gewann Dynamo vier, er erzielte zwei Tore. Beim 0:0 gegen Uerdingen am 5. Dezember hatte er seinen bislang letzten Einsatz. Dabei verletzte er sich.

Nicht nur wegen der ungewöhnlich langen Zeit, sondern vor allem wegen seiner Art wurde Marco Hartmann auch für die Dynamo-Fans zu einer Identifikationsfigur.
Nicht nur wegen der ungewöhnlich langen Zeit, sondern vor allem wegen seiner Art wurde Marco Hartmann auch für die Dynamo-Fans zu einer Identifikationsfigur. © Robert Michael

Nachdem die konservative Behandlung nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte, ließ er sich im März am verletzten rechten Knie operieren. Dabei wurde die Bizepssehne am Wadenbeinköpfchen refixiert, wie der Verein damals mitteilte. Seitdem kämpfte Hartmann einmal mehr um sein Comeback und sollte die Chance erhalten, sich nach der Reha im Training anzubieten.

"Er arbeitet sehr hart mit Tobi (Tobias Lange, Leiter Physiotherapie)", hatte Trainer Alexander Schmidt noch vorige Woche berichtet. Hartmann hatte auf ein weiteres Jahr als Fußballer in Dresden gehofft. Er hatte aber angesichts seiner langen Krankenakte auch selbstironisch gesagt: "Mein Körper ist nicht in einem Zustand, dass ich nach der Karriere direkt in den Rollstuhl müsste.“ Seine Einstellung zur Zukunft bei Dynamo hat er bereits vor Monaten deutlich gemacht: „Ich will keiner sein, der eine Art Anhängsel ist, das man nicht loswird, sondern jemand, der gebraucht und aus diesem Grund mitgenommen wird.“

Zuletzt trainierte Marco Hartmann wieder mit der Mannschaft, aber nun hat er bei Dynamo wohl doch keine Zukunft mehr.
Zuletzt trainierte Marco Hartmann wieder mit der Mannschaft, aber nun hat er bei Dynamo wohl doch keine Zukunft mehr. © Lutz Hentschel

Nun ist die Entscheidung gefallen - gegen einen neuen Vertrag als Profi bei Dynamo. Eine Rückkehr in anderer Funktion sei aber nicht ausgeschlossen, betont Becker. "Im Gegenteil. Wir würden es uns sehr wünschen. Unsere Tür steht immer offen, und wir werden mit ihm zu gegebener Zeit sicher entsprechende Gespräche führen, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt er sich eine Rückkehr vorstellen könnte."

"Vielleicht sehen wir uns ja alle irgendwann wieder"

Auch Hartmann deutet das laut Pressemitteilung "augenzwinkernd" an: "Und wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja alle irgendwann wieder."

Wie es für den zweifachen Familienvater danach weitergeht, hat er offengelassen. Nach dem Ende seiner Karriere könnte Hartmann als Lehrer arbeiten. Das Studium hat er parallel zu seiner Fußballkarriere abgeschlossen, es fehlt nur noch das Referendariat. "Das ist schon ein Punkt, der den Blick in die etwas weiter entfernte Zukunft sehr entspannt macht, weil ich eine ganz gute Perspektive als Alternative habe", sagt er.

Seine Zeit bei Dynamo war auch eine persönliche Leidensgeschichte: Rippenbruch, Muskelfaserriss, Sehnenanriss, Knochenprellung - und meist war es schwerwiegender, als es zuerst aussah. Bis zur Verletzung im rechten Knie und der Operation im März.
Seine Zeit bei Dynamo war auch eine persönliche Leidensgeschichte: Rippenbruch, Muskelfaserriss, Sehnenanriss, Knochenprellung - und meist war es schwerwiegender, als es zuerst aussah. Bis zur Verletzung im rechten Knie und der Operation im März. © Lutz Hentschel

Vorher aber möchte er sich mit seiner Frau und den beiden Kindern noch einen großen Traum erfüllen und mit seiner Familie zu einer großen Weltreise aufbrechen. "Sollte sie im Sommer 2022 beginnen, wäre der Startpunkt voraussichtlich Kanada. Anschließend geht es immer mit der Sonne Richtung Süden weiter. Über den Winter stünde Neuseeland und Australien auf dem Plan. Aber wo die Reise dann endet – keine Ahnung, vielleicht irgendwo im Südpazifik."

Ob er sich als Fußballer einen neuen Verein sucht, bleibt abzuwarten. Es müsste einer sein, bei dem Hartmann sich noch einmal mit der ihm eigenen Emotionalität einer Herausforderung stellen könnte. Ob das, was naheliegend erscheinen mag, mit einer Rückkehr zum Halleschen FC verbunden sein könnte, lässt er offen - weil er sich über die vom Verein veröffentlichen Zitate hinaus am Tag des Abschieds von Dynamo nicht äußert.