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So will Dynamos neuer Coach den Erfolg zurückholen

Guerino Capretti ist Dynamos neuer Cheftrainer und ein sehr offener, kommunikativer, aber auch fordernder Typ. Das zeigt sich am ersten Arbeitstag.

Von Tino Meyer
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Offensiv mag es Guerino Capretti nicht nur dem Platz, wie Dynamos neuer Cheftrainer beim Fotoshooting zeigt. Er könne es kaum erwarten loszulegen, sagt Capretti.
Offensiv mag es Guerino Capretti nicht nur dem Platz, wie Dynamos neuer Cheftrainer beim Fotoshooting zeigt. Er könne es kaum erwarten loszulegen, sagt Capretti. © dpa/Robert Michael

Dresden. Der Sportsprache mangelt es bekanntlich nicht an kraftvollen Ausdrücken. Auch deshalb ist es nicht verkehrt, von einer neuen Ära zu sprechen, die da am Mittwochnachmittag bei Dynamo Dresden begonnen hat. Das liegt zum einen natürlich an Guerino Capretti, dem neuen Cheftrainer des Fußball-Zweitligisten. Doch das hat auch mit seiner Präsentation zu tun. Eine Präsenz-Pressekonferenz, zwar mit FFP2-Maske, aber eben mit direktem Gegenübersitzen beim Frage- und Antwort-Spiel – diese Möglichkeit gab es coronabedingt zuletzt im November.

Der Aschermittwoch darf und soll also getrost als Tag des Neubeginns und der Auferstehung gelten, jedenfalls bei Dynamo. Und auch Capretti, der Sport, Mathematik sowie katholische Religion auf Lehramt studiert hat, ist vollkommen klar, dass die Fastenzeit jetzt nicht etwa beginnt, im Gegenteil. Das Punkte-Fasten mit zuletzt sieben Spielen ohne Sieg ist schließlich der Grund gewesen für seine Verpflichtung.

Nur noch ein Zähler trennt Dynamo inzwischen vom Abstiegsrelegationsplatz. "Das ist so eine Situation", sagt der 40-Jährige, der vor zwei Wochen beim abstiegsbedrohten Drittligisten Verl entlassen wurde, auf die Frage, ob er denn überhaupt Abstiegskampf könne. Und er stellt fest: "Wir brauchen Punkte, wir brauchen Ergebnisse. Das ist ganz klar."

Der 44. Trainer der Vereinsgeschichte

Capretti lässt keinen Zweifel, dass dies gelingen wird – vielleicht sogar schon am Sonntag beim Auswärtsspiel gegen den Tabellenführer Werder Bremen. Erst kommenden Montag und damit nach jener wenig Erfolg versprechenden Partie das Amt anzutreten, sei für ihn keine Option gewesen. "Mein Gedanke war: je schneller, desto besser", sagt Capretti.

Mit dem Begriff Abstiegskampf könne er ohnehin nicht viel anfangen, das sei ein schreckliches Wort. Der 44. Trainer in Dynamos Vereinshistorie, den Sportgeschäftsführer Ralf Becker und Pressesprecher Ronny Zimmermann kurz Rino nennen, verströmt viel lieber Zuversicht. Er kenne die zweite Liga, er kenne Dynamo Dresden, betont Capretti, und er sei "der festen Überzeugung, dass wir das Ziel Klassenerhalt erreichen können".

Das Selbstbewusstsein, an dem es ihm offensichtlich nicht mangelt, wolle er der Mannschaft einflößen. Bei der Kaderanalyse, so erzählt Capretti, habe er ein Riesenpotenzial gesehen und "voll Bock darauf".

"Fühle mich bereit und stecke voller Energie"

Der tags zuvor entlassene Alexander Schmidt hat mit seiner kommunikativen, offenen und zugänglichen Art für Dynamo-Verhältnisse bereits neue Maßstäbe gesetzt und rein sportlich betrachtet einen sehr ausgeprägten Angriffsfußball spielen lassen, Capretti allerdings, dieser Eindruck verfestigt sich während dieser ersten halbstündigen Presserunde, setzt noch mal eins oben drauf. Dazu passt: Während Schmidt bekennender Italien-Fan ist, wurde Capretti dort geboren.

Sich selbst als Trainer beschreiben, mag er eigentlich nicht, "das ist eine heikle Frage", wie Capretti sagt. Er beantwortet sie dennoch und charakterisiert sich als offenen, aber auch fordernder Typ, der "schon immer mit Menschen arbeiten und Dinge vermitteln wollte", dabei eine klare Auffassung vom Fußball hat ("spielerischer Ansatz") und bei Bedarf gern in den Dialog mit den Spielern tritt. "Darauf können sich die Jungs freuen", meint Capretti, und er betont: "Ich fühle mich total bereit und stecke voller Energie."

Das zeigt sich dann auch beim ersten Training, das keine halbe Stunde nach der Pressekonferenz beginnt. Kurzer Pfiff mit der Hand im Mundwinkel, knappe Ansprache ans Team mit den Inhalten der Übungseinheit ("Kennenlernen", "schnell Ball am Fuß", "Eindruck gewinnen"), schließlich die Rückkopplung: "Männer, noch Fragen? Dann lasst uns loslegen." Von den Möglichkeiten und Rahmenbedingungen des Trainingszentrums ist er "total begeistert".

Für den Sportchef "eine absolute Top-Lösung"

Für Dynamos Sportchef ist die Arbeit indes erst mal erledigt. Drei Neuzugänge hat Becker in der Winterpause geholt und nun mit dem Trainerwechsel den nächsten Impuls gesetzt – viel mehr kann er nicht tun. Das Risiko, die Mannschaft im nicht zuletzt psychologisch herausfordernden Saisonfinale einem nicht nur wegen des Alters vergleichsweise unerfahrenen Trainer anzuvertrauen, sieht Becker nicht. "So lange ich die Verantwortung trage, werden wir immer das Anforderungsprofil an einen Trainer haben, dass er Spieler weiterentwickelt. Für diesen Weg haben wir uns entschieden, und damit sind wir vergangene Saison aufgestiegen", sagt Becker.

Capretti hat Vergleichbares mit Verl geschafft und den Dorfverein zumindest mal in der 3. Liga etabliert. "Wie qualitativ gut ein Trainer arbeitet, ist für mich das Entscheidende. Und Rino hat bei einem Verein mit weitaus geringeren Möglichkeiten bewiesen, Spieler zu entwickeln und eine Tabellenposition zu erreichen, die viel besser ist, als es das Budget hergibt", sagt Becker, der Capretti schon länger kennt.

Wie die Kontaktaufnahme jetzt zeitlich genau abgelaufen ist, bleibt jedoch unklar. Am vergangenen Wochenende ist Capretti auf jeden Fall schon mal in Dresden gewesen, ausdrücklich aber nicht im Stadion bei Dynamos 0:1-Niederlage gegen Darmstadt, die letztlich zum Trainerwechsel führte. So oder so, für Becker steht fest: "Ich finde, dass es eine absolute Top-Lösung ist." Oder um es gefühlvoll auszudrücken: Da haben sich zwei gesucht und gefunden.