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Ist der neue Trainer zu offensiv für Dynamo?

Guerino Capretti will in Dresden Angriffsfußball spielen lassen, doch seine Mannschaft steckt mitten im Abstiegskampf. Warum er seiner Idee dennoch treu bleibt.

Von Timotheus Eimert
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Unter ihm soll Dynamo Dresden wieder gefährlicher werden: Guerino Capretti.
Unter ihm soll Dynamo Dresden wieder gefährlicher werden: Guerino Capretti. © dpa/Robert Michael

Dresden. Es ist kurz vor 9.30 Uhr, als Guerino Capretti den Pressekonferenzraum im Trainingszentrum betritt. Dynamos neuer Cheftrainer wirkt entspannt, strahlt über beide Ohren und freut sich auf die anstehende Fragerunde mit den Journalisten. Das ist ihm sofort anzumerken, spricht alle Journalisten mit Vornamen an. Dieses Verhalten ist für einen Trainer im Profigeschäft eher ungewöhnlich. So gab es in Dresden schon Trainer, die Pressekonferenzen eher als lästige Muss-Veranstaltungen wahrgenommen haben.

Capretti ist anders. Es ist seine Idee, keine 48 Stunden nach seiner Vorstellung am Mittwoch noch eine zweite Pressekonferenz vor seinem Debüt als Dynamo-Coach am Sonntag gegen Bremen zu veranstalten. Der Deutsch-Italiener will den Journalisten von seiner Arbeit erzählen, berichten, wie er die vergangenen drei Tage erlebt hat. Sein Vorgänger Alexander Schmidt war kommunikativ, Capretti ist noch einmal kommunikativer.

„Dynamo hat eine andere Wucht und Dimension“

„Es ist alles eine Nummer größer. Dynamo hat eine andere Wucht, eine andere Dimension“, fasst er seine Eindrücke der vergangenen Tage zusammen. Angst vor seiner ersten Station oberhalb der 3. Liga habe er dabei aber keinesfalls, im Gegenteil. „Ich verspüre eine riesengroße Vorfreude, meine Ideen einzubringen, damit auch so ein Verein, mit so einer Wucht, noch weiterkommt. Ich habe wahrgenommen, dass nicht nur in der Mannschaft Potenzial vorhanden ist, sondern auch hier im Verein“, sagt er und fügt selbstsicher hinzu: „Ich bin hier, weil ich eine ganz klare Linie vom Fußball habe und weil ich eine klare Idee von konzeptionellen Dingen habe, die im Fußball wichtig sind. Diese Ideen möchte ich hier mitteilen.“ Das klingt großspurig und Capretti muss nun beweisen, dass nach diesen Worten auch Taten folgen.

Mit dem Tabellenführer hat er gleich zu Beginn seiner Amtszeit die wohl derzeit schwerste Aufgabe. „Besser kann man nicht starten – ein Auswärtsspiel in Bremen, beim Tabellenführer, bei so einer tollen Mannschaft“, meint der neue Trainer trocken und sagt dann doch: „Das wird eine Hammeraufgabe für uns, vor der wir aber keine Angst haben. Im Fußball wie im Leben gibt es nur Chancen. Am Wochenende werden wir die Chance haben, zu zeigen, dass wir auch Potenzial haben, welches wir ausschöpfen wollen.“

Doch Werder Bremen scheint derzeit fast unschlagbar. Unter dem neuen Coach Ole Werner, dessen Name im Herbst auch kurz bei Dynamo ein Thema war, haben die Grün-Weißen acht von neun Partien gewonnen, einmal spielten sie unentschieden und holten damit 25 von 27 möglichen Punkten. „Sie sind in allen Phasen total stabil und haben tolle Spieler in ihren Reihen. Dieses Potenzial, was da geschlummert hat, wurde jetzt ausgeschöpft“, lobt Capretti die Arbeit seines Kollegen.

Capretti möchte eine offensive Spielidee etablieren

Dennoch beschäftigt er sich weniger mit dem nächsten Gegner. Er will vielmehr seine Mannschaft entwickeln und ihr seine Art, Fußball zu spielen, so schnell wie möglich beibringen. „Ich will der Mannschaft einen Spielansatz mitgeben. Der erste Schritt dazu liegt bei uns. Deswegen werden wir immer am Anfang bis zur Mitte der Trainingswoche unser Spiel verbessern. Erst gegen Ende der Trainingswoche werden wir uns auf die nächste Partie vorbereiten“, erklärt der 40-Jährige.

In seiner ersten Woche als Dynamo-Trainer habe er viele Gespräche geführt, und im Training die Mannschaft in verschiedenen Formen einfach spielen lassen. Seine Erkenntnisse: „Die Jungs weisen gegen den Ball eine hohe Bereitschaft auf, sie haben Intensität in den Zweikämpfen. Darauf lässt sich aufbauen.“

Es sei nun seine Aufgabe, vor allem einen Angriffsfußball zu entwickeln. „Haben wir den Ball, möchte ich Struktur sehen, Struktur in der Phase des Übergangsspiels, Struktur in der Phase der Boxbesetzung“, erläutert er. Dynamo solle in der Offensive die aktive Mannschaft sein. „Das heißt für mich, dass alle Spieler Strukturen schaffen, dass wir auf vielen Positionen dem Gegner wehtun können.“ Dann würden neben den Stürmern auch wieder andere Spieler in Abschlusssituationen kommen. „Wir wollen den Gegner in seiner Hälfte beschäftigen“, fasst es der neue Cheftrainer kurz zusammen.

Capretti spielte bisher in einem 4-3-3-System

Capretti macht damit das Manko der vergangenen Monate aus. Denn in der Rückrunde hat Dynamo erst drei Treffer erzielt. Das ist selbst im Abstiegskampf zu wenig, weshalb Sportchef Ralf Becker nun den Trainer wechselte. Mit Capretti hat er dabei jemanden installiert, dessen Ansatz ein sehr offensiver ist. In der Vergangenheit ließ er seine Mannschaften in einem 4-3-3-System agieren, spielte also mit drei nominellen Stürmer. Doch hat er damit auch in Dresden und im Abstiegskampf Erfolg, wo es allein auf Ergebnisse ankommt?

Um diese Frage zu beantworten, bemüht Capretti einen Vergleich. „Ich fühle mich nicht so, als wenn ich in New York bin und mir die Skyline anschaue und ich im Gegensatz dazu ganz klein bin“, sagt er. Auch wenn sein System und seine Art zuletzt in Verl nicht mehr funktioniert haben, und er entlassen wurde, habe er in der Vergangenheit mit diesem offensiven Fußball Erfolg gehabt. Und dennoch weiß er: „Es bringt nichts, wenn ich ein System spielen möchte, was die Jungs gar nicht bringen. Sie sollen Sicherheit haben.“