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Dynamo lustlos? „Ach, sorry, das ist doch Käse“

Kapitän Sebastian Mai ordnet die sportliche Krise beim Tabellenführer ein und setzt sich mit Vorwürfen aus dem Netz auseinander. Das exklusive Interview.

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Dynamos Kapitän Sebastian Mai stellt sich vor die Mannschaft und sagt, worauf es jetzt erst recht ankommt.
Dynamos Kapitän Sebastian Mai stellt sich vor die Mannschaft und sagt, worauf es jetzt erst recht ankommt. © Fotostand

Dresden. Es war beinahe ein Schock. Kaum einer hätte für möglich gehalten, dass sich Dynamo Dresden, seit Monaten Spitzenreiter der 3. Liga, beim Tabellenletzten blamiert. Das 0:2 in Unterhaching hat für heftige Reaktionen gesorgt, in den vermeintlich sozialen Netzwerken wurde die Mannschaft für ihren Auftritt hart kritisiert. Auch Kapitän Sebastian Mai ist enttäuscht, ihm die Leistung jedoch nicht peinlich. Warum, das erklärt der 27-Jährige im exklusiven Interview.

Sebastian Mai, wie haben Sie die Niederlage in Unterhaching verarbeitet?

Ich bin erholt und gehe gleich trainieren. Am Montag war ich nicht so gut drauf, aber jetzt ist es vergessen und ich blicke nur auf das Spiel am Samstag gegen Duisburg. Wir sind Tabellenführer, das macht mich stolz. Das eine Spiel war nicht gut, soll uns aber nicht die ganze Saison ruinieren.

Sie sind nach der fünften Gelben Karte für das Spiel am Samstag gesperrt. Was heißt es, Sie schauen nur auf Duisburg?

Ich will den Jungs viel mitgeben, ihnen helfen, positive Stimmung reinbringen – und im Training einfach Gas geben.

Sie sprechen von einem schlechten Spiel, aber die negative Tendenz gibt es – gerade, was die Offensive betrifft – schon länger. Wie schätzen Sie die Situation jetzt ein?

Wir haben eine junge Mannschaft, hatten einige Phasen, in denen es mal hoch und runter ging. Am Anfang hat keiner geglaubt, dass wir aufsteigen können, weil wir mäßig gestartet waren für unsere Ziele, dann hatten wir acht von neun Spielen in Folge gewonnen und plötzlich hieß es: Dynamo geht hundertprozentig hoch. Wir konnten die Konstanz leider nicht halten, mussten aber auch mehrere Verletzte ersetzen, potenzielle Stammspieler. Jetzt hatten wir eine schwächere Phase, aber ich bin mir sicher, dass wir uns aus der heraus arbeiten und einen Sieg erzwingen.

Wie soll das funktionieren?

Indem wir uns auf unsere Stärken besinnen und weiter positiv herangehen. Dann wird es wieder, aber: Was heißt, wird es wieder? Es ist nicht auf einmal alles schlecht. Ja, wir haben in drei Spielen kein Tor gemacht. Aber wir sind immer noch Erster, das ist ein positiver Druck. Andere würden sicher gern mit uns tauschen.

Sie haben direkt nach dem Spiel gesagt, es sei schwer, Worte dafür zu finden. Das ist in sozialen Netzwerken aufgegriffen worden. Bei Twitter schreibt einer: „Mir fallen da schon ein paar ein … Kampflos. Willenlos. Lustlos.“ Was davon stimmt?

Nichts davon! Das ist totaler Quatsch. Es mag manchmal so aussehen, aber wenn der Torwart bei der Chance von Marvin Stefaniak nicht so überragend pariert und wir zu Beginn den Treffer machen, geht es anders aus – und solche Leute schreiben ganz anders. Jeder war gewillt und bereit, in den Kampf zu ziehen. Es gibt Tage, an denen nichts zusammenläuft. Das passiert jeder Mannschaft. Das Wichtigste ist, dass wir uns nicht fertigmachen lassen im Kopf von solchen Kommentaren oder Zeitungsartikeln. Es werden jetzt alles enge, eklige Spiele. Wir sind bereit, unser letztes Hemd dafür zu geben.

kritisch und entschlossen. Dynamos Kapitän Sebastian Mai ist für das Heimspiel am Samstag gegen den MSV Duisburg gesperrt, will der Mannschaft aber trotzdem helfen.
kritisch und entschlossen. Dynamos Kapitän Sebastian Mai ist für das Heimspiel am Samstag gegen den MSV Duisburg gesperrt, will der Mannschaft aber trotzdem helfen. ©  dpa/Robert Michael

Wie nehmen Sie persönlich den Stimmungsumschwung wahr?

Ich habe das diesmal gar nicht gelesen, nur ein paar Überschriften in Zeitungen. Aber ich weiß, dass die überwiegende Mehrheit der Dynamo-Fans weiter zu uns steht und sie uns so ein Spiel verzeihen können, auch wenn es schwer ist, das verstehe ich. Es muss die entsprechende Reaktion folgen.

Es gab auch den Vorschlag, einer solle bei Eduard Geyer klingeln: „Der macht denen Feuer. Diese Lustlosigkeit.“ Braucht die Mannschaft einen Tritt in den Hintern?

Ach, sorry, das ist doch Käse. Solche Kommentare muss man als Profisportler einfach überlesen. Wahrscheinlich kommen sie von den gleichen Leuten, die uns vorher in den Himmel gelobt haben. Für sie gibt es kein Mittelding. Die meisten aber verstehen es, und das macht mir Mut, wenn ich lese: War Mist, aber jetzt vorwärts, Feuer rein! Die haben verstanden, worum es geht. Es sind viele, die uns unterstützen.

Einige Kommentare lauteten: „Hochnotpeinlich.“ Ist Ihnen als Spieler eine solche Leistung peinlich?

Es tut weh. Aber peinlich wird es mir nicht sein, weil ich weiß, ich habe alles gegeben. Und das weiß ich auch von den Jungs, die mit mir auf dem Platz gestanden haben. An manchen Tagen ist einfach nicht mehr drin. Das mag blöd ausgesehen haben, aber keiner hat sich hängenlassen.

Eine Forderung aus dem Netz geht an Sie als Kapitän: „Bitte laut sein in der Kabine. So wird’s nüscht.“ Sind Sie laut geworden?

Alles, was in der Kabine ist, bleibt dort. Das werde ich weder hier noch an anderer Stelle preisgeben. Dieser Ort ist nur für uns, was dort besprochen wird, ist nur für unsere Ohren bestimmt. Damit würde ich es belassen.

Die Frage war weniger inhaltlich gemeint, zielte eher auf die Tonlage …

Jeder ist unterschiedlich, braucht eine andere Ansprache. Noch mal: Was genau und auch wie es gesagt wurde, das bleibt intern. Die Kabine muss in der Hinsicht ein sicherer Ort sein, dass jeder sagen kann, was er denkt oder ihn belastet, ohne befürchten zu müssen, dass es nach außen dringt.

Was macht Sie optimistisch, dass es gut wird?

Der Charakter und die Qualität des Teams.

Auch dazu gab es einen Spruch: „Allerdings könnte man jetzt mal Charakter zeigen. Doch mir fehlt der Glaube.“ Ihnen fehlt der Glaube nicht?

Nein, auf gar keinen Fall. Mit solchen Leuten würde ich mich gerne mal unterhalten und sie fragen, was sie unter Charakter verstehen. Wie will er das beurteilen? Ich weiß, dass diese Mannschaft einen super Charakter hat, wir kommen sehr gut miteinander aus und sind extrem gierig für unser gemeinsames Ziel – auch wenn man das jetzt mal nicht gesehen haben mag. Das muss man auch mal akzeptieren, was für uns genauso schwierig ist. Wir sind genauso enttäuscht, weil es ein Big-Point gewesen wäre, nachdem die Konkurrenz gepatzt hatte, aber: Sei es drum, das Ding ist durch. Wir haben alles in der eigenen Hand, jetzt geht es weiter, wir halten uns nicht mit Dingen auf, die vorbei sind. Ich meine: Wir reden doch auch nicht mehr von Ingolstadt (4:0-Sieg am 27. Februar/Anm. d. Red). Da war alles Wahnsinn, sind alle durchgedreht. Wir haben einen super Teamgeist und den werden wir auch wieder auf den Platz bringen. Wir sind eine Einheit – das ist nicht selbstverständlich für eine Mannschaft, die im Sommer fast komplett neu zusammengestellt wurde. Deshalb bin ich mir sicher, dass es gut wird.

Das Gespräch führte Sven Geisler.

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