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In Dresden gescheitert und jetzt Nationalspieler: Andrichs unerwarteter Aufstieg

Bei Dynamo Dresden vor sieben Jahren erst suspendiert, dann aussortiert und nun plötzlich Nationalspieler: Robert Andrich staunt selbst – aber nicht über seine fast unglaubliche Karriere.

Von Tino Meyer
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Im März 2016 erzielt Robert Andrich das 2:2 für Dynamo Dresden gegen Hansa Rostock. Es ist sein einziger Treffer im schwarz-gelben Trikot.
Im März 2016 erzielt Robert Andrich das 2:2 für Dynamo Dresden gegen Hansa Rostock. Es ist sein einziger Treffer im schwarz-gelben Trikot. © Robert Michael

Dresden/Foxborough. Ob Ralf Minge auch überrascht gewesen ist? Im Sommer 2015 jedenfalls hat Dynamo Dresdens damaliger Sportgeschäftsführer nur mit dem Kopf schütteln können über Robert Andrich. Mit einem Mitspieler philosophierte der damals 20-Jährige im Trainingslager im thüringischen Teistungen über den Fußball, Gott und die Welt, dabei schnürten sich die beiden die weißen Schuhe. Noch nichts erreicht, doch so tun, als würden sie schon bei Real Madrid spielen. Sinngemäß waren das Minges Gedanken – die er den Jung-Profis auch in etwa so mitgeteilt hat.

Speziell bei Andrich hat sich daraufhin nicht viel geändert, zumindest nicht in dem dann folgenden Jahr im Dynamo-Trikot. Lediglich acht Ligaspiele hat er für den Drittligisten bestritten. In Erinnerung geblieben sind: sein erstes und einziges Tor im März 2016, das Dynamo auf dem Weg zum Aufstieg in die zweite Liga ein 2:2 im Ostduell gegen Rostock bescherte, blondierte Haare und offenkundige Undiszipliniertheiten verbunden mit einer zeitweisen Suspendierung im Oktober 2015.

Rückblickend hat Andrich dazu im Gespräch mit Sächsische.de gesagt, „bestimmt auch mal neben dem Platz aufgefallen“ zu sein. „Da gab es vielleicht auch einige Sachen, die von mir nicht gut waren. Damals war ich wahrscheinlich noch nicht so reif, im Kopf nicht bereit genug“, meint der gebürtige Potsdamer, dessen Onkel Frieder Andrich sich in den 1960er und 70er Jahren unter anderem bei Stahl Riesa einen Namen machte.

Von Dynamo führt der Weg über Heidenheim und Union Berlin bis zu Bayer Leverkusen

Dass Neffe Robert so groß rauskommt, war im Sommer 2016 undenkbar. Während Dynamo in die 2. Bundesliga aufstieg, wechselte er zum Drittligisten SV Wehen Wiesbaden. „Ich habe mich da auch als Typ weiterentwickelt“, meint Andrich. Zwei Jahre danach holte ihn Zweitligist Heidenheim, nur eine Saison später der damalige Bundesliga-Aufsteiger Union Berlin, im Sommer 2021 schließlich Bayer Leverkusen – für 6,5 Millionen Euro Ablöse. Und nun ist Andrich also auch Nationalspieler.

Der Ex-Dynamo gehört zum Kader der DFB-Auswahl, die derzeit bei der Länderspielreise in den USA einen Neubeginn startet. Neu-Bundestrainer Julian Nagelsmann hat Andrich ganz bewusst nominiert, nachdem der inzwischen 29-Jährige zuletzt schon häufiger als DFB-Kandidat gehandelt worden ist.

Plötzlich Nationalmannschaft: Der inzwischen 29-Jährige ist beim Neubeginn der DFB-Auswahl dabei.
Plötzlich Nationalmannschaft: Der inzwischen 29-Jährige ist beim Neubeginn der DFB-Auswahl dabei. © dpa

Nagelsmann sieht ihn als einen defensiven Mittelfeldspieler mit einem anderen Profil an, als es Kapitän Ilkay Gündogan, Joshua Kimmich oder auch Leon Goretzka verkörpern. Der Leverkusener könne „eine Art Zerstörer sein“, so der Bundestrainer und verdeutlicht seine Pläne mit Andrich: „Wenn wir am Ende mal ein Ergebnis halten müssen“, sei es gut, einen Spieler zu haben, „der einfach auch das Verantwortungsbewusstsein für das Defensive hat“.

Zu Andrichs unerwartetem Aufstieg gehört, dass er ausgerechnet jetzt in Leverkusen keine Stammkraft mehr ist, nur einmal stand er in dieser Bundesliga-Saison in der Startelf des Tabellenführers.

Andrich: "Das habe ich mir über die Jahre erarbeitet"

„Der Zeitpunkt war sehr überraschend für mich, weil es persönlich die letzten fünf Jahre immer besser lief und für mich persönlich aktuell halt nicht so zufriedenstellend ist“, sagt Andrich. Trotzdem habe er sich sehr über den Anruf von Nagelsmann gefreut. Und selbstbewusst fügt er hinzu: „Und ich bin auch der Meinung, dass ich es mir über die Jahre auch erarbeitet habe.“

Andrich genießt die Zeit in den USA. „Ich glaube, man kann so ein bisschen das Negative persönlich ein bisschen zu Hause lassen und sich auf diese unglaubliche Erfahrung hier in den USA und beim DFB freuen, alles aufzusaugen, alles rauszuhauen und einfach sein Bestes zu geben“, betont Andrich und stellt fest: „Deswegen hat es da kein Platz für Negatives.“

Was auch für die Zeit in Dresden gilt, als er zu Beginn seiner Karriere 18 Monate für Dynamo spielte und einen kopfschüttelnden Ralf Minge kennenlernte. „Diese Erfahrung gemacht zu haben, war vielleicht gar nicht so verkehrt. Es war ein wichtiger Teil meiner Entwicklung.“ (mit dpa)