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Herzlich und offen: Die ewige Weltrekordlerin mag die Dresdner

Marita Meier-Koch läuft über 400 Meter zum Weltrekord - vor fast 40 Jahren. Nun bekommt die Olympiasiegerin in Dresden eine ganz besondere Auszeichnung.

Von Michaela Widder
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Marita Koch ist mal wieder die Schnellste. Im August 1985 gewinnt sie die 200 Meter im Dresdner Heinz-Steyer-Stadion und damit das „Goldene Oval“.
Marita Koch ist mal wieder die Schnellste. Im August 1985 gewinnt sie die 200 Meter im Dresdner Heinz-Steyer-Stadion und damit das „Goldene Oval“. © Foto: SZ/Volker Santrucek

Dresden. Im Heinz-Steyer-Stadion hat sie zwar nie einen Weltrekord aufgestellt, trotzdem bleibt ihr Dresden in besonders guter Erinnerung. „Es waren vor allem die Menschen“, sagt Marita Meier-Koch. „In Dresden, Chemnitz und Athen hatte ich die schönsten Begegnungen. Die Leute haben mich nicht nur angesprochen, sie haben gefragt, ob sie mir mal die Hand schütteln oder mich sogar umarmen dürfen.“

Marita Meier-Koch, eine der weltweit erfolgreichsten Leichtathleten, kommt aus Wismar. Die Norddeutschen gelten gemeinhin als kühl und unnahbar, drehen sich höchstens kurz mal um, wenn sie die Weltrekordlerin erkannt haben. Die Herzlichkeit und Offenheit vieler Sachsen dagegen gefallen ihr – bis heute.

In Dresden bekommt sie an diesem Freitagabend (22.3.) den Goldenen Rudi verliehen, eine besondere Ehrung der Laufszene Events GmbH an herausragende Persönlichkeiten des Laufsports und eine Hommage an Dresdens Lauflegende Rudolf Harbig.

"Eine schöne Verbindung zur Rudolf Harbig"

„Es hat mich überrascht, ich freue mich sehr – auch wenn ich die Liste meiner tollen Vorgänger sehe“, sagt die Preisträgerin im Gespräch mit Sächsische.de. Ob die 67-Jährige den Preis auch persönlich in der Schauburg in Empfang nehmen kann, entscheidet sich kurzfristig. Ihr Mann Wolfgang ist schwer erkrankt.

„Es ist für mich auch eine schöne Verbindung zu Rudolf Harbig. Er hatte ja auch Rekorde in mehreren Disziplinen zur gleichen Zeit – nur eben vier Jahrzehnte vor mir“, sagt Meier-Koch über den berühmten Namensgeber der Auszeichnung.

Insgesamt konnte die Sprinterin in ihrer Karriere 15 Weltrekorde aufstellen. Nur der australischen Sprinterin Betty Cuthbert gelangen noch mehr Weltbestmarken. Den ersten stellte Koch 1978 in Erfurt über 200 Meter auf – mit ihren 22,06 Sekunden war sie auch Weltrekord-Vorgängerin der exzentrischen US-Sprinterin Florence Griffith-Joyner über die halbe Stadionrunde.

1986 triumphiert die Rostockerin (l.) über ihre Paradestrecke 400 Meter, Kirsten Emmelmann aus Magdeburg kommt auf Platz drei.
1986 triumphiert die Rostockerin (l.) über ihre Paradestrecke 400 Meter, Kirsten Emmelmann aus Magdeburg kommt auf Platz drei. © Foto: SZ/Marion Gröning

Doch der Rekord für die Ewigkeit gelang ihr sieben Jahre später. Beim Weltcup am 6. Oktober 1985 im australischen Canberra rannte die damals 28-Jährige zu unglaublichen 47,60 Sekunden. Außer Koch gelang nur der Tschechin und 800-Meter-Weltrekordlerin Jarmila Kratochvílová ein Lauf unter 48 Sekunden.

Noch bis heute haben die beiden außergewöhnlichen Läuferinnen losen Kontakt. „Zu ihrem 40 Jahre alten Rekord habe ich ihr letztes Jahr eine Videobotschaft geschickt“, erzählt Meier-Koch, deren Weltrekord im nächsten Jahr dann genauso alt wäre. Ältere Bestmarken gibt es bei den Frauen nicht.

Auf jeden Fall ist Marita Meier-Koch überzeugt, dass die 47,60 Sekunden irgendwann geknackt werden. „Es ist eine Frage der Zeit, man weiß natürlich nicht wann. Aber die Konkurrenz-Situation ist jetzt deutlich besser“, meint die Olympiasiegerin von 1980.

US-Star: Keine Angst vor Kochs Uralt-Weltrekord

Es gäbe drei, vier Sprinterinnen, die eine 48er-Zeit laufen. Und US-Star Sydney McLaughlin-Levron traut sich auch zu, so hat sie es jedenfalls im vergangenen Jahr gesagt, den Uralt-Weltrekord zu brechen. „Mir hat es damals auch einen Schub gegeben und mich extra motiviert, als ich die Konkurrenz im Nacken hatte.“

Kochs Fabelzeit gilt bei Kritikern als eine Art Mahnmal für das Staatsdoping der DDR. „Dass man von bestimmten Seiten darauf reduziert wird, ist schon immer wieder nervig. Aber damit werden wir bis ans Lebensende leben müssen“, meint sie.

Die meisten Medaillen und Pokale habe sie in einer Kiste im Hobbykeller im Haus in Kritzmow verstaut. „Wo die Medaillen liegen, ist doch egal, ich habe die Erinnerungen.“ Einen besonderen Pokal hat sie auch aus Dresden. Beim Goldenen Oval wurde sie 1985 für die beste Leistung ausgezeichnet: 21,90 Sekunden über 200 Meter.

"Das Goldene Oval war eine tolle Veranstaltung“

Dass nun Jahrzehnte später das traditionsreiche Stadion zur modernen Arena umgebaut wird und das Leichtathletik-Meeting wiederbelebt werden soll, verfolgt die dreimalige Weltmeisterin mit Vorfreude. „Hoffentlich wird das Stadion zu neuem Leben erweckt. Im Osten wurde leider so manches nach der Wende abgeschafft, was gut war. "Das Goldene Oval war eine tolle Veranstaltung“, sagt sie.

Das Interesse für die Leichtathletik ist bei der Ehrenbürgerin der Stadt Wismar noch immer groß. Einmal Sportler, immer Sportler. Auch wenn die Lust, sich selbst noch mal mit anderen zu messen, nicht mehr da ist. Meier-Koch geht hin und wieder joggen, Veranstaltungen wie der Citylauf am Sonntag in Dresden reizen sie aber so gar nicht – außer, es geht um einen guten Zweck.

So erinnert sie sich noch gern an eine Anekdote mit ihrer Tochter bei einem Unicef-Lauf in Schwerin. „Da meinte Ulrike unterwegs zu mir: ‚Mut‘, die Frau des Oberbürgermeisters ist viel älter als du und doppelt so dick, die darf uns doch jetzt nicht überholen.‘“ Aber Marita Meier-Koch war’s egal, der Weg ist heutzutage das Ziel, der Spaß im Vordergrund. „Ich bin da kein glühendes Beispiel für Volksläufe“, sagt sie.

Tochter Ulrike ist mit Drechsler Sohn verheiratet

Mit 67 ist sie jetzt offiziell Rentnerin. Bis 2012 führte sie ein Modegeschäft in Rostock und arbeitete immer auch samstags. Und der Sonntag war dann ein „Leben zwischen Buchhaltung, Haushalt und Familie“. Nachdem sie ihr Geschäft aufgab, habe sie vieles erst mal nachgeholt: Urlaub, Freunde, Veranstaltungen – und auch immer mal irgendwie ausgeholfen wie auf dem Campingplatz in Prerow.

Seit fünf Jahren haben Meier-Kochs prominenten Familiennachwuchs. Tochter Ulrike heiratete 2019 Tony, den Sohn von Weitsprung-Legende Heike Drechsler. „Das ist schon eine lustige Geschichte. Wir sehen uns ab und zu mal, sitzen dann gemütlich zusammen.“ Vielleicht gibt es sogar im Spätsommer ein Wiedersehen in Dresden. Zur Stadioneröffnung sollen Sportgrößen eingeladen werden. Marita Meier-Koch und Heike Drechsler gehören dazu.